Ungeimpfte Ärzte
Gefahr für Patienten, Risiko für Kliniken
Ungeimpfte Ärzte und Pflegekräfte sind in Deutschland ein großes Problem. Das wurde bei einer Podiumsdiskussion beim Internistenkongress deutlich. Beispielhaft ist ein Masern- Ausbruch an einer Klinik.
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Impfschutz sollte in Kliniken selbstverständlich sein.
© arcyto / fotolia.com
MANNHEIM. Menschen in medizinischen Berufen sind häufig nicht geimpft und gefährden damit ihre Patienten. So waren in einer aktuellen Umfrage unter 1200 medizinisch Beschäftigten in der Grippesaison nur 56 Prozent der Ärzte und 35 Prozent der Pflegekräfte gegen Influenza geimpft, wie der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Professor Lothar Wieler, bei einer Podiumsdiskussion des "Deutschen Ärzteverlags" beim DGIM-Kongress berichtet hat. Viele Gründe für fehlenden Schutz wurden genannt, außer "vergessen" und "Zweifel an der Wirksamkeit" aber auch die völlig unbegründete Furcht, "die Impfung könne Grippe auslösen", sagte Wieler.
Fehlender Impfschutz bei medizinischem Personal kann sich dabei auch fatal auf eine Klinik auswirken. Das haben die Lahn-Dill-Kliniken in Wetzlar Anfang des Jahres erfahren. Dort waren Mitte Februar Masern bei einem Arzt festgestellt worden, der sich wahrscheinlich bei einem Patienten angesteckt hatte. Der Mediziner hatte in den zwei Tagen vor Diagnose Kontakt zu 130 Patienten gehabt, berichtete Dr. Norbert Köneke, Medizinischer Direktor der Klinik, bei der Veranstaltung. In Folge wurden die Impfdokumente der 1680 Beschäftigten überprüft und Mitarbeiter ohne sicheren Masernschutz vorübergehend nach Hause geschickt. "Den Klinikbetrieb in dieser Zeit aufrecht zu erhalten, war die größte Herausforderung", betonte Köneke in Mannheim.
Das Fazit: Es gab neun Mitarbeiter mit Masern, zum Glück aber nur einen Patienten mit Hinweisen auf nosokomiale Masern. Bei Laborkontrollen fanden sich 64 Mitarbeiter ohne schützende Antikörpertiter, 62 hätten sich inzwischen impfen lassen, bei zweien war die Lebendimpfung kontraindiziert. "Wir mussten hier nicht viel Überzeugungsarbeit leisten", betonte Köneke.
Außer dem schwierigen Ausbruchs-Management könnten Kliniken künftig auch rechtliche Auseinandersetzungen bei Masern drohen, die nachweislich von ungeimpften Mitarbeitern verbreitet wurden, warnte die Fachanwältin für Medizinrecht, Dr. Maike-Tjada Müller aus Mannheim bei der Veranstaltung. Arbeitgeber seien zudem in der Pflicht, medizinischem Personal die von der STIKO empfohlenen Impfungen anzubieten, ergänzte die Arbeitsmedizinerin Professor Sabine Wicker vom Uniklinikum Frankfurt am Main. Bei Untätigkeit könne im Schadensfall Organisationsverschulden vorgeworfen werden.
Generell sollte stärker vermittelt werden, dass die Impfung medizinischen Personals auch Patienten schützt. Der Begriff Herdenimmunität sei hierzu schlecht geeignet, betonte RKI-Chef Wieler. Besser sollte man von Gemeinschaftsschutz sprechen, und zwar auch, wenn man zum Beispiel vermitteln will, dass die Pertussis-Impfung des Großvaters vor allem auch das Baby in der Familie schützt. Wieler führt Impflücken generell vor allem auf mangelhafte Kommunikation zurück: "Ich finde es bedenklich, dass mich noch nie ein Arzt auf meinen Impfschutz angesprochen hat, und ich bin 56."