Deutscher Lebertag
Neue Therapien suchen Patienten
Hepatologen schauen mit großem Optimismus in die Zukunft: Die Therapie bei Hepatitis C steht vor einem Umbruch. Doch es gibt ein Problem.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Gleich neun neue Medikamente gegen Hepatitis C sollen in den nächsten drei bis vier Jahren entwickelt werden, hat der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) angekündigt.
Zählt man die 2011 gegen Hepatitis C auf den Markt gekommenen Medikamente sowie jene Substanzen zusammen, die sich in der letzten Erprobungsphase befinden, kommt man auf 14 neue Präparate. "In naher Zukunft kann wahrscheinlich die große Mehrheit der Hepatitis-C (HCV)-Patienten geheilt werden", heißt es bei der Deutschen Leberhilfe.
Es wird zunehmend Peg-Interferon (IFN)-freie Therapieregime und deutlich verkürzte Behandlungsschemata geben. Dafür wird der HCV-Genotyp bei der Arzneimittelauswahl wichtiger werden als bisher, da die Effektivitäten der einzelnen Substanzen je nach Genotyp verschieden sind.
Zugleich werde die Komplexität der Behandlungen im Vergleich zu heute abnehmen, kündigte Professor Heiner Wedemeyer, Gastroenterologe an der Medizinischen Hochschule Hannover, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" an.
"Die ersten IFN-freien Therapien werden 2014 zunächst für die Genotypen 2/3 zur Verfügung stehen, für Genotyp 1 gibt es ebenfalls neue Substanzen, die in Kombination mit IFN zu deutlich verbesserten Ansprechraten von bislang weit über 80 Prozent geführt haben", so Wedemeyer.
Für Genotyp-1-Infektionen werden 2014 voraussichtlich drei neue antivirale Substanzen zur Verfügung stehen, die innerhalb einer Dreierkombination eingesetzt werden (Sofosbuvir, Simeprevir, Faldaprevir), IFN-freie Behandlungsoptionen werden in voraussichtlich etwa zwei Jahren erwartet.
Problem Früherkennung
Schwere Motilitätsstörungen des Darmes werden oft erst spät diagnostiziert. Das liegt nicht nur am mangelnden Bekanntheitsgrad. Was die Gründe sind, lesen Sie im Dossier Gastroenterologie der "Ärzte Zeitung" ...
All dies könnte sich günstig auf die bekannten Folgen chronischer Hepatitiden auswirken - eine Erfolgsstory wie sie gern als Paradebeispiel für schrittweise Fortschritte in der Medizin zitiert werden dürfte, wenn...
Ja, wenn da nicht ein Problem bestünde: Es ist letztlich unbekannt, wie viele Menschen in Deutschland überhaupt eine Virushepatitis haben. Und: sie wird oft erst spät diagnostiziert.
Von etwa einer Million betroffener Bürger mit Hepatitis B und C wird in Deutschland ausgegangen, doch das ist nichts weiter als eine regelmäßig wiederholte Schätzung. Risikogruppen wie Migranten, Gefängnisinsassen und Drogenkonsumenten seien darin noch gar nicht erfasst, kritisieren Experten.
Vor genau einem Jahr hat die europäische Patientenorganisation ELPA (European Liver Patients Association) eine von ihr in Auftrag gegebene Studie zur Versorgung von Hepatitis-Patienten in 30 europäischen Ländern vorgestellt (www.hep-index.eu).
Deutschland wird darin besonders für die Prävention gelobt. Ein Fazit der ELPA-Präsidentin Tatjana Reic lautete aber auch: "Sogar reiche Staaten wie Deutschland versagen bei der Früherkennung."
Dabei ist Früherkennung ebenfalls eine präventive Maßnahme, schaut man sich die Langzeitfolgen chronischer Virushepatitiden an.
Wenn selbst in Frankreich, das seit einigen Jahren einen nationalen Hepatitis-Plan vorweisen kann und wo mit Kampagnen die öffentliche Aufmerksamkeit für Hepatitis geweckt wird, wenn also dort nach Angaben von Achim Kautz von der Deutschen Leberhilfe nur etwa 40 Prozent der Virushepatitiden detektiert werden, bedeutet das nichts Gutes - für Europa wie für Deutschland nicht.
Denn die Prävalenzen sind in den Ländern sehr verschieden und die Wanderungsbewegungen innerhalb Europas nehmen derzeit eher zu.
ALT soll in den Check-up 35 plus
Es mag beruhigend klingen, wenn das Robert Koch-Institut in seiner im Mai dieses Jahres veröffentlichten "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland" (DGES1) zu dem Schluss kommt, dass die Häufigkeit von Hepatitis B in der vergangenen Dekade signifikant gesunken und Deutschland in puncto Hepatitis C ein Niedrigprävalenzland sei (Bundesgesundheitsbl 2013; 56: 707).
Gemeldet worden sind in den vergangenen drei Jahren konstant jeweils 5000 HCV-Erstdiagnosen sowie jeweils etwa 700 HBV-Erkrankungen. Wenn dies - im besten Falle - 40 Prozent der tatsächlichen Inzidenz darstellen würde, wäre man in Wirklichkeit bei mehr als 14.000 Neuerkrankungen pro Jahr, von denen die meisten Betroffenen die Hepatitisviren über lange Zeit unbemerkt weitergeben.
"Wir müssen diese Patienten endlich einmal erfassen!", fordert Wedemeyer. Das sehen die Deutsche Leberhilfe, das Aktionsbündnis Hepatitis und Drogengebrauch sowie die Deutsche Leberstiftung genauso. Diese Organisationen haben im Sommer ihren "Aktionsplan für eine nationale Strategie gegen Virushepatitis" vorgestellt.
Erhöhte Leberwerte müssten ernst genommen sowie konsequent abgeklärt werden, forderte Privatdozent Dr. Anton Gillessen, Münster. Bei der Vorstellung des Aktionsplans wurde zudem darauf verwiesen, dass zwei Drittel aller diagnostizierten HBV-, und ein Drittel aller HCV-Infektionen Menschen mit Migrationshintergrund betreffe.
Für diese wie für andere Risikogruppen werden im Aktionsplan besondere Maßnahmen vorgeschlagen. Die Aufklärung über Virushepatitis in staatlichen Aufklärungsprogrammen wird von den drei Organisationen als unzureichend angesehen.
Gastroenterologen verlangen außerdem die Aufnahme des Leberwerts ALT (Alanin-Aminotransferase) in den "Check-up 35 plus" zur frühen Detektion von Leberkrankheiten insgesamt sowie angesichts neuer Therapiemöglichkeiten ein Hepatitis-Screening. Wedemeyer: "Es lohnt sich, jetzt auf Hepatitis zu testen!"