Kinderkrankheit

Pertussis vermehrt bei Erwachsenen

Von wegen Kinderkrankheit: Von Keuchhusten werden in Deutschland immer mehr Erwachsene geplagt. Weil der Impfschutz nicht lange genug anhält, plädieren Fachleute für Auffrischungsimpfungen.

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Impfung bei Erwachsenen: Das empfehlen Experten auch gegen Pertussis.

Impfung bei Erwachsenen: Das empfehlen Experten auch gegen Pertussis.

© Mathias Ernert

JENA (dpa). Der eigentlich als Kinderkrankheit bekannte Keuchhusten (Pertussis) breitet sich nach Beobachtungen von Ärzten zunehmend bei Erwachsenen aus.

Verantwortlich dafür sei vor allem der nicht ausreichende Impfschutz, wie der Infektiologe Professor Mathias Pletz vom Universitätsklinikum Jena im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa sagte.

"Die Wirkung der Schutzimpfung hält nicht so lange wie gedacht an, maximal fünf bis zehn Jahre." Zudem schütze eine durchgemachte Infektion nicht lebenslang vor einer Neuerkrankung.

Im vergangenen Jahr wurden in Ostdeutschland nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) knapp 4200 Keuchhustenfälle gemeldet - nur dort gilt eine Meldepflicht für die Erkrankung.

Die gemeldeten Fälle dürften nur die Spitze des Eisbergs sein, schätzt Pletz. "Eine deutsche Studie mit 971 Patienten mit chronischem Husten ergab, dass jeder zehnte Keuchhusten hat. Bei Erwachsenen wird diese Diagnose also häufig übersehen."

Schützen und Auffrischen

Typische Pertussis-Symptome bei Erwachsenen seien teils monatelange quälende Hustenattacken, teilweise mit Würgen und Erbrechen. Atemstillstände wie bei erkrankten Säuglingen kämen bei Erwachsenen meist nicht vor.

Hausärzte ordneten die Symptome oft fälschlicherweise anderen Krankheiten wie Asthma oder auch chronischer Bronchitis zu, sagte Pletz. Zudem seien die verursachenden Bakterien nur in der Frühphase der Erkrankung direkt nachweisbar.

"Weil Keuchhusten aber wie eine normale Erkältung beginnt, wird das meist gar nicht getestet." Meist werde die Diagnose erst um Wochen verzögert durch einen Antikörper-Nachweis gestellt.

Deswegen sei auch die Therapie schwierig. "Antibiotika bringen nur in der Anfangsphase etwas."

An Keuchhusten erkrankte Erwachsene seien für ungeimpfte Kleinkinder, vor allem für Babys, ein hohes Risiko, warnte Pletz. "Auch in hoch entwickelten Industrieländern sterben immer wieder Säuglinge an Pertussis."

Wichtig seien deshalb die Schutzimpfungen im Kleinkind- und im Vorschulalter, aber auch die rechtzeitige Auffrischung des Impfschutzes aller Kontaktpersonen eines Säuglings, vor allem von Eltern, Geschwistern und Großeltern.

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Dr. Thomas Georg Schätzler 30.07.201222:55 Uhr

Pertussis macht weltweit Probleme – Schutzimpfungen erforderlich

Reuters Health Information berichtet über den vermutlich schlimmsten Ausbruch von Keuchhusten (Pertussis) in den letzten fünfzig Jahren in den USA. Die Zahl der Erkrankungsfälle sind auf 18.000 Patienten angestiegen. Gesundheitsbehörden vermuten eine Impfmüdigkeit bei Pertussis-Impfungen. Das Centers for Disease Control and Prevention (CDC) berichtet von über 3.000 Fällen allein im Bundesstaat Wisconsin. Die Bundesbehörden erklärten bereits im April den Ausbruch einer Keuchhustenepidemie. Neun Menschen starben bisher, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.

Alle Erwachsenen, auch Schwangere sollten eine Auffrischungsimpfung bekommen. Denn diese kontagiöse Erkrankung stellt ein besonderes Risiko für Kinder unter einem Jahr dar, bei denen noch nicht alle Schutzimpfungen verabreicht wurden. Besondere Gefahren bestehen für Neugeborene, erklärte die CDC-Abteilungsdirektorin, Dr. Anne Schuchat. Sie erinnerte an eine besonders schwere US-Pertussis Epidemie im Jahr 1959 mit 40.000 dokumentierten Fällen.

Es wird vermutet, dass bei Heranwachsenden vermehrt Keuchhusten auftritt, weil die Wirkung des azellulären DTaP-Impfstoffs, 1997 eingeführt, evtl. nicht ausreicht. Das CDC wird dazu noch im Juli dieses Jahres eine Untersuchung starten. Im Bundesstaat Washington hat sich die Zahl der Infektionen seit April auf 1.132 verdreifacht. Vor zwei Jahren hatte es in Kalifornien eine lokale Epidemie mit 9.000 Fällen gegeben, dabei zehn Todesfälle bei Kindern. Diese Auswirkungen sollen in die aktuelle CDC-Studie mit einfließen. Im Bundesstaat New York wird bis jetzt von 970 Fällen berichtet, im Gegensatz zu 931 Erkrankungen im Gesamtjahr 2011. Auch Australien hat eine hohe Rate von Pertussis-Infektionen. Quelle vom 27.7.2012
http://www.medscape.com/viewarticle/767878?src=mpnews&spon=34

In Deutschland ist die Meldepflicht uneinheitlich, aber es werden auch hierzulande stark vermehrte Neuerkrankungen berichtet. Gerade hausärztliche Praxen berichten immer wieder von atypisch gefährlichen Verläufen bei Erwachsenen und Senioren. Die Impfempfehlungen von STIKO und Deutsches Grünes Kreuz e. V. sehen eine Pertussis-Auffrischungsimpfung in Form von Repevax® und Boostrix® vor. Kinder ab dem 2. Lebensmonat brauchen eine Grundimmunisierung. Auffrischimpfungen (Boosterungen) sind im 5.-6. Lebensjahr und von 9-17 Jahren empfohlen. Alle Erwachsenen sollten mit der nächstmöglichen Diphtherie- und Tetanusauffrischung auch einmalig gegen Pertussis kombiniert geimpft werden.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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