Rückblick auf Grippesaison

Impfstoff schützte besonders schlecht

Nur 33 Prozent statt mindestens 50 Prozent Schutzwirkung: Die Grippeimpfung lag mit ihrer Zusammensetzung im Winter 2014/15 ziemlich daneben. Etwas Positives fanden Forscher in einer Studie aber doch.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Grippe trotz Schutzimpfung? Das war im Winter 2014/15 gar nicht so unwahrscheinlich, denn der Impfstoff schützte vergleichsweise wenig.

Grippe trotz Schutzimpfung? Das war im Winter 2014/15 gar nicht so unwahrscheinlich, denn der Impfstoff schützte vergleichsweise wenig.

© Danel / fotolia.com

VALENCIA. Die Wirksamkeit der jährlichen Grippe-Impfstoffe in Europa wird regelmäßig in der Region Valencia überprüft. Dabei wird untersucht, wie gut die Impfung Menschen davor schützt, wegen laborbestätigter Influenza stationär behandelt werden zu müssen.

Die Daten dazu werden in zehn Kliniken der Region erhoben, die etwa die Hälfte der knapp fünf Millionen Einwohner von Valencia versorgen, berichten Forscher um Dr. Joan Puig-Barberà von der "Foundation for the Promotion of Health and Biomedical Research of the Valencian region" (FISABIO).

Zwischen Dezember und Anfang Februar wurden in den Kliniken 1346 Patienten mit Influenza-ähnlichen Erkrankungen (ILI) registriert.

Normalerweise Schutzwirkung von 50 bis 80 Prozent

82 Prozent der Betroffenen waren über 65 Jahre alt. Bei 210 Patienten ergab sich eine Labor-bestätigte Influenza, und zwar zu 98 Prozent durch den in Europa dominierenden Stamm A(H3).

Gegen diesen Stamm ist die aktuelle Vakzine nur vermindert wirksam (Euro Surveill 2015; online 26. Februar). Von den Influenzapatienten waren 52 Prozent geimpft und damit deutlich weniger als die Patienten ohne Influenza (64 Prozent).

Bereinigt nach Faktoren wie Alter, Raucherstatus und Komorbiditäten wurde eine Schutzwirkung für die Impfung von 33 Prozent ermittelt. Zum Vergleich: Allgemein geht man von einer Schutzwirkung der Impfstoffe von 50 bis 80 Prozent aus.

In der Risikogruppe ab 65 Jahren betrug die Effektivität des aktuellen Impfstoffs 40 Prozent. Ungeimpfte Personen mit Influenza hatten ein Risiko von 22 Prozent, stationär behandelt werden zu müssen, Geimpfte von 13 Prozent.

Umgekehrt betrachtet reduzierte der Impfstoff also noch zu 44 Prozent die Wahrscheinlichkeit, für eine Klinikeinweisung aufgrund einer Influenza.

"Unsere Daten sprechen für einen substanziellen Schutz der Impfung vor Klinikeinweisungen wegen Influenza in dieser Saison", betonten die Forscher.

WHO legt Zusammensetzung für kommenden Winter fest

Seit Mitte April klingt die Grippewelle in Deutschland kontinuierlich ab, meldete das Robert-Koch-Institut (RKI). Ganz vorüber ist sie aber auch jetzt im Frühjahr noch nicht.

Die WHO hat inzwischen die Zusammensetzung der Influenzaimpfstoffe für den kommenden Winter (2015/16) festgelegt: Ausgetauscht wird der Influenza A(H3N2)-Stamm, der im letzten Winter in vielen Ländern, insbesondere in Amerika, Asien und Europa, größere Ausbrüche verursacht hat.

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Höhepunkt der Grippewelle wohl erreicht

Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 04.05.201518:37 Uhr

Infektionsepidemiologisches Influenza-Abtauchen?

Nach einer aktuellen Lancet-Metaanalyse aus den Niederlanden war in 35 Studien aus 15 Ländern und neun Influenza-Saisonen zwar das Risiko für eine Influenzainfektion bei sporadischen Ausbrüchen um 31 Prozent, bei regionalen um 58 Prozent und bei großflächigen um 46 Prozent gesenkt worden. Aber dies bedeutet im Umkehrschluss, dass es in 69 bis 42 Prozent n i c h t zu einer Risikominderung gekommen war (Lancet Infect Dis 2014; 14: 1228). (1)

F e h l t die Übereinstimmung zwischen Impfstamm und zirkulierenden Viren, ergibt sich ein höheres Versager-Risiko von 57 bis 72 Prozent. Dass bei lokaler Virusausbreitung gar k e i n Schutz detektiert werden konnte, spricht ebenfalls eine deutliche Sprache.

Der aktuelle Zusammenhang von primären Influenza-Impfversagern bei der Influenza-Standard-Schutzimpfung u n d die aktuell zirkulierenden A(H3N2)-Influenza-Viren e r h ö h t e n Morbidität, Mortalität und klinisch/ambulante Versorgungsprobleme. Die derzeitige H3N2-Influenza-Epidemie war präventivmedizinisch schlecht beherrschbar. Dies deutet auf Lücken bzw. Systemversagen hin. Doch darüber will niemand von den infektionsepidemiologischen Experten offen sprechen, wie für den NSA-BND-Skandal der Bundesregierung letztlich auch keiner verantwortlich sein will.

Im Lancet-Kommentar wurde von Dr. Michael L. Jackson (Group Health Research Institute in Seattle) formuliert: "Die Ergebnisse legen nahe, dass Influenzaimpfprogramme für Ältere einen geringen bis mittelmäßigen Nutzen haben" (Lancet Infectious Diseases 2014; 14: 1169). (2) Denn wir müssen in der Praxis immer wieder erneut impfen, um einen akzeptablen Immunschutz zu erreichen.

Ein wichtiges Forschungsergebnis: "Hochdosierter Impfstoff - Besserer Grippe-Schutz für Senioren" - vgl. http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/influenza_grippe/article/880464/hochdosierter-impfstoff-besserer-grippe-schutz-senioren.html - ergibt sich aus den bisher schlechteren und wenig effektiven Impfstoff-Varianten. Es basiert auf dem seit 2009 in den USA zugelassenen Influenza-Impfstoffpräparat Fluzone® High-Dose, 60 statt 15 µg pro Stamm. Die Untersuchung vom Center for Biologics Evaluation and Research der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA prüfte Unterlagen von über 2,5 Millionen Menschen im Alter ab 65, die in der Saison 2012/13 gegen Influenza geimpft wurden. 930.000 wurden mit dem hochdosierten, 1,61 Millionen mit dem üblichen Impfstoff verglichen. Die Randomisierung betraf das Alter (75 Jahre) und den Anteil von Vorerkrankungen. Influenza-Erkrankungen wurden mit Schnelltest gesichert und mit ambulanten Oseltamivir-Verordnungen (Tamiflu®) therapiert. Damit sollte die "bias"-Anfälligkeit einer "retrospektiven Kohortenanalyse" o h n e direkte, prospektive Evidenz ausgeglichen werden (Lancet Infectious Diseases 2015; 5:293). (3)

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Quellen:

(1) http://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(14)70960-0/abstract
"Effectiveness of seasonal influenza vaccine in community-dwelling elderly people: a meta-analysis of test-negative design case-control studies" von M. Darvishian et al.

(2) http://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(14)70993-4/fulltext
"Influenza vaccine effectiveness in elderly people" von M. L. Jackson

(3) http://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(14)71087-4/abstract
"Comparative effectiveness of high-dose versus standard-dose influenza vaccines in US residents aged 65 years and older from 2012 to 2013 using Medicare data: a retrospective cohort analysis" von H. S. Izurieta et al.

Dr. Sibylle Lang 04.05.201509:46 Uhr

Schutzrate der Impfstoffe

Uns ist aufgefallen, dass wir keine an Grippe erkrankten Patienten registrieren mussten, die mit Influsplit Tetra geimpft waren. Kann es sein, dass dieser 4 valente Impfstoff doch besser geschützt hat?

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