Mehr EHEC-Infektionen durch artwidrige Nutztierfütterung?
Warum tauchen EHEC- Infektionen erst seit den 80-er Jahren auf? Womöglich deshalb, weil die Verbreiter der Keime - die Rinder - artwidrig mit Getreide gefüttert werden.
Veröffentlicht:MÜNCHEN (wst). Die Häufung von Infektionen mit Enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) erregt derzeit Aufsehen. Infektionen werden in den USA und Europa seit Anfang der 80er Jahre registriert. Experten diskutieren, inwieweit eine nicht artgerechte Fütterung von Wiederkäuern das EHEC-Risiko mehrt.
Seit Einführung der Meldepflicht im Jahr 2001 werden dem Robert-Koch-Institut jährlich zwischen 800 und 1200 EHEC-Infektionen gemeldet. Die tatsächlichen Raten dürften deutlich höher liegen, da sonst gesunde Menschen häufig überhaupt keine Symptome haben oder nur einige Tage unblutigen Durchfall, der dann mikrobiologisch nicht abgeklärt wird.
Für den Menschen bedeutsamstes EHEC-Reservoir sind wiederkäuende Haustiere wie Rinder, Ziegen und Schafe. Menschen infizieren sich fäkal-oral vorwiegend über den Kot infizierter Tiere, wobei weniger als hundert Zellen des Erregers schon ausreichen.
Die Ansteckung geschieht beim direkten Kontakt mit den infizierten Tieren, etwa im Streichelzoo oder bei Ferien auf dem Bauernhof, oder aber durch Verzehr ungekochter Speisen: auf Viehweiden gesammeltes Fallobst; mit Rindermist gedüngtes Gemüse; Fleisch, das während der Schlachtung mit Kotspuren verunreinigt wurde; Rohmilch und deren Produkte.
Literaturangaben zufolge sind in Deutschland über 50 Prozent der Rinderbestände EHEC-infiziert, was für die Tiere üblicherweise folgenlos bleibt. Kritiker einer Hochleistungslandwirtschaft sehen die Ursache der hohen Durchseuchung von Nutztieren mit EHEC vor allem in einer nicht artgerechten Fütterung.
So ändere sich bei den Tieren, die von Natur aus eigentlich Gras und Heu fressen, durch die stärkereiche Getreidefütterung das Darmmilieu. Das wiederum begünstige die Besiedelung mit humanpathogenen EHEC.
Im Detail fällt der Theorie zufolge durch eine solche artwidrige Getreidefütterung der pH-Wert im Verdauungstrakt der Wiederkäuer ab, was für die säureresistenten Keime einen Selektionsvorteil bedeutet. So überleben sie auch leichter den Säureschock, wenn sie in den Magen von Menschen gelangen.
Zitiert wird dazu vor allem eine in der Zeitschrift "Science" veröffentlichte Arbeit an der Cornell-Universität im US-Bundesstaat New York. Die Forscher hatten nachgewiesen: Schon wenige Tage, nachdem von getreidehaltigem Kraftfutter auf artgerechtes Rauhfutter (Heu) umgestellt wurde, sinkt die EHEC-Menge im Rinderkot erheblich (Science 1998; 281: 1666). Allerdings haben andere Wissenschaftlergruppen diese Arbeit in Frage gestellt.