Tuberkulose: Kaum Änderungen bei Standardtherapie
Die Grundzüge der TB-Therapie sind seit Jahren bewährt. Daher werden die neuen Therapieempfehlungen keine großen Umstürze bringen. Neuerungen gibt es aber beim Umgebungsscreening und bei der Therapie von HIV- koinfizierten Patienten.
Veröffentlicht:DRESDEN. Zum Kongress fertig geworden sind sie nicht mehr, die neuen Therapieempfehlungen des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK).
Angepeilt werde jetzt eine Fertigstellung im Sommer und Publikation im Herbst, sagte Professor Tom Schaberg vom Diakonie-Krankenhaus Rotenburg beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. Einen ersten Einblick freilich konnte der Experte in Dresden dann doch schon geben.
Das Wichtigste: Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid, Ethambutol und Streptomycin dürften weiterhin die Erstrangmedikamente der Wahl in Deutschland bleiben. Auch an der Therapiedauer ändert sich nichts: Ohne Resistenzen wird weiterhin zwei Monate mit einer Viererkombination und weitere vier Monate mit Isoniazid / Rifampicin behandelt.
Gesenkt werden dürfte die Initialdosis von Ethambutol, nämlich auf 15 mg/kg Körpergewicht. Ethambutol wird vor allem eingesetzt, um Resistenzen zu verhindern. Dies gelinge auch mit der niedrigen, besser verträglichen Dosierung, erläuterte Schaberg.
Neue Daten, die in die neuen DZK-Empfehlungen einfließen werden, gab es in den letzten Jahren bei der Therapie von TB-Patienten mit HIV-Koinfektion. Grundsätzlich müssen diese Patienten, sofern sie vorher noch nicht antiretroviral behandelt waren, natürlich sowohl wegen der Tuberkulose als auch wegen der HIV-Infektion therapiert werden. Die TB-Therapie sollte dabei in jedem Fall sofort eingeleitet werden, betonte Dr. Barbara Kalsdorf von der Medizinischen Klinik Borstel.
Ob zusätzlich gleich mit einer hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) begonnen werden sollte oder nicht, hänge wesentlich von der CD4-Zellzahl ab, so die Expertin.
Nach drei Studien, die sich mit diesem Thema befasst haben, laute die aktuelle Empfehlung, nur bei einer CD4-Zellzahl von unter 50 Zellen pro Mikroliter die HAART sofort zu initiieren. "Bei höheren CD4-Levels sollte zwei Monate abgewartet werden", so Kalsdorf.
Der Grund ist die Gefahr eines Immunrekonstitutionssyndroms, meist kurz als IRIS bezeichnet. Bei IRISPatienten kommt es aufgrund der durch die HAART sich schlagartig verbessernden Immunsituation zu einer klinischen Verschlechterung, weil plötzlich in der Lunge eine massive Immunreaktion gegen die Tuberkulose stattfindet. Bei einigen Patienten kann diese klinische Verschlechterung lebensbedrohlich sein, auch wenn sie natürlich temporär ist.
Grundsätzlich kann ein IRIS auch bei HIV-/Tuberkulose- koinfizierten Patienten mit sehr niedrigen CD4-Zahlen auftreten. Hier überwiege aber das Risiko durch die geschwächte Immunabwehr, sodass die HAART trotz IRIS-Gefahr sofort beziehungsweise zumindest innerhalb der ersten zwei Wochen begonnen werden sollte, so Kalsdorf.
Tritt ein IRIS auf, dann ist eine Steroidtherapie indiziert, die das Immunsystem kurzzeitig ausbremst und der Lunge im wahrsten Sinne des Wortes Zeit zum Atmen lässt. Die Dosis liege bei 1,5 mg / kg Körpergewicht für drei Wochen und noch einmal halb so viel für weitere zwei bis drei Wochen, sagte Kalsdorf.
Zu einer schon fast revolutionär zu nennenden Neuerung hat sich das DZK bei der Diagnostik entschlossen, genauer beim Umgebungsscreening. Hier wird für Screening-Untersuchungen bei erwachsenen Kontaktpersonen eines TB-Patienten künftig nur noch der Interferon-GammaRelease-Assay (IGRA) empfohlen.
Bisher sahen die DZK-Empfehlungen ein zweistufiges Screening-Schema vor, bei dem zunächst der Tuberkulin-Hauttest als Screening-Test eingesetzt wurde. Zur Bestätigung erfolgte dann ein IGRA.
"Studien haben gezeigt, dass die Netto-Sensitivität dieses zweistufigen Ansatzes nur 61 Prozent beträgt", sagte PD Roland Diel. Aktuelle IGRA-Tests erreichen dagegen rund 85 Prozent, bei einer Spezifität von über 97 Prozent. Die Empfehlung, nur den IGRA-Test für das Screening zu nutzen, gelte vorerst noch nicht für Kinder, weil hier nicht genügend Daten vorlägen, so Diel.