Tuberkulose
Der Fingerabdruck spart Kosten
Über 4000 Menschen erkranken jährlich an Tuberkulose - die Dunkelziffer liegt wohl weit höher. Aber es gibt auch Überdiagnostik. Helfen soll das Fingerprinting.
Veröffentlicht:BERLIN. Tuberkulose zählt noch immer zu den schwierigen Infektionskrankheiten. Die Therapie ist langwierig, hochwirksame Impfungen gibt es nicht, Resistenzen werden zunehmend zum Problem. Eine gute Diagnostik und Surveillance sind deswegen das A und O, vor allem bei lokalen Ausbrüchen.
Zur Erinnerung: Bis 2050 will die WHO die Tuberkulose (Tb) weltweit ausrotten. Dass sich mit einer besonderen Form der Tb-Diagnostik sogar Geld im Gesundheitswesen sparen lässt, demonstrierte Professor Roland Diel beim 63. Kongress des Bundesverbands der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD) am Donnerstag in Berlin.
Diel zeigte, wie sich mit dem genetischen Fingerprinting bei der Erregerdiagnostik Ausbruchsketten viel leichter aufklären und teure Überdiagnostik und unnötige Therapien vermeiden lassen.
Diel ist Professor für Epidemiologie an der Carl-Albrechts-Universität in Kiel und war zuvor Jahre lang am Hamburger Gesundheitsamt tätig. Dort wird das Tb-Fingerprinting bereits seit 1997 durchgeführt - mit Erfolg.
Seitdem haben die Amtsärzte in der Hansestadt in 90 Prozent aller Tb-Fälle einen genetischen Fingerabdruck genommen, immerhin rund 2200 Patienten.
Fingerabdruck kostet rund 50 Euro
Dazu wird mittels eines Restriktionsenzyms das Gensegment IS6110 aus dem Genom der Erregers Mycobacterium tuberculosis geschnitten und die Banden anschließend per Gelelektrophorese sichtbar gemacht. Die Banden sind für jeden Stamm eindeutig, eine Verwechslung nahezu ausgeschlossen.
Die Erregerstämme zweier Patienten können so auf verhältnismäßig einfache und günstige Weise verglichen werden - und so echte von falschen Epidemien unterschieden werden.
Der Vorteil: Die Umfelduntersuchung wird genauer, unnötige Diagnostik oder gar Therapie lassen sich vermeiden, und damit auch Kosten.
Laut Diel kostet ein Fingerabdruck, den das Nationale Referenzzentrum erstellt, rund 50 Euro. "Solche Verfahren sind nicht zum Nulltarif zu haben", sagte Diel.
Allerdings hat er eine Kosten-Nutzen-Analyse aufgestellt. Sein Ergebnis: Die 50 Euro Diagnostik sind rasch amortisiert.
Denn ihnen gegenüber stehen die volkswirtschaftlichen Kosten für einen Tuberkulose-Fall. Laut Diels Rechnung liegen sie pro Patient bei 8326 Euro im Jahr. Darin eingerechnet sind nicht nur die Therapiekosten, sondern auch die indirekten Kosten wie Arbeitsausfall und die Massnahmen des Gesundheitsdienstes.
Zur Erinnerung: Mycobacterium tuberculosis ist ein meldepflichtiger Erreger. Der Verdacht auf eine Tuberkulose löst bei den Gesundheitsämtern einen fieberhaften Betrieb aus: Über die sogenannte zentrifugale Aufklärung müssen Kontaktpersonen befragt werden und die Infektionsquelle gefunden werden.
86 Personen unnötig untersucht
Nicht selten werden dann zahlreiche Patienten untersucht, die letztlich aber gar nicht erkrankt sind. Als Beispiel nannte Diel einen großen Tb-Ausbruch in Hamburg, an dem von 1997 bis 2002 über 60 Personen erkrankt waren.
Dutzende weitere Patienten wurden gescreent, weil die Behörde damals von einem Zusammenhang bei den Infektionen ausgegangen ist. Doch als nachträglich von den Isolaten ein Fingerabdruck genommen wurde, war klar, dass es sich um drei getrennte Custer handelt.
Hätten die Fingerabdrücke schon vorher vorgelegen, wären viel weniger Menschen diagnostiziert worden. Diel sprach von 86 Personen, die unnötig untersucht worden waren. Kostenpunkt: Insgesamt 12.556 Euro.
Neben den reinen Kosten, die die Feintypisierung mit einer genauen Kenntnis des Stamms einsparen kann, lassen sich speziell bei Tb aber auch die Röntgenzahlen senken - und damit die Strahlenbelastung für die "Betroffenen".
118.000 Euro gespart
Denn wer nicht unter Verdacht steht, muss auch nicht geröntgt werden. Laut Diel wurden auf diese Weise seit Einführung des Fingerprintings für die Tuberkulose in Hamburg bereits 118.000 Euro gespart, die ohne diese Diagnostik für Röntgen ausgegeben worden wären (rund 47 Euro pro Patient).
Skeptikern gab Diel noch ein weiteres Beispiel, warum das Fingerprinting nütze: Laborkontaminationen. Immerhin sechs Prozent aller Fälle gingen auf Kreuzinfektionen im Labor zurück, sagte er.
Diese Fälle sind durchweg falsch-positive Befunde, mit der Folge unnötiger Therapien und dem Risiko von Resistenzbildungen.
Dabei ließen sich mit dem Fingerabdruck die Erreger direkt zum Labortisch zurückverfolgen. Diel: "Hätte ich vorher geprintet, hätte ich das alles sparen können."