Vitamine und Co. schützen nicht vor Krebs

Antioxidantien, Vitamine, Folsäure - es gibt keine Belege dafür, dass diese Substanzen vor Krebs schützen. Dennoch setzen viele Menschen ihre Hoffnung darauf - und das kann gefährlich werden.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Obst und Gemüse gehören zu gesunder Kost - aber auch Pillen?

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© Niehoff / imago

NEU-ISENBURG. Die meisten Vitamine und Mineralstoffe gelten bekanntlich in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel und haben damit keinen anderen Stellenwert als normale Lebensmittel.

Es gibt zudem nur wenige Hinweise aus Tierexperimenten oder klinischen Studien, dass diese Substanzen für die primäre Krebsprävention nützlich sein könnten, Belege schon gar nicht.

Dennoch ist bei vielen Menschen die Hoffnung groß, dass eine Supplementation malignen Erkrankungen vorbeugt.

Viele Menschen würden sie sogar auch dann zusätzlich einnehmen, wenn der präventive Charakter eindeutig widerlegt wäre, wie eine Umfrage in den USA ergeben hat.

Beispiel Antioxidantien: Nach ersten ermutigenden Hinweisen aus früheren Studien wurde das krebspräventive Potenzial von Alpha-Tocopherol und Selen bei mehr als 35.500 Männern mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko getestet, und zwar in der SELECT-Studie (Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial).

Doch nach etwa fünfeinhalb Jahren wurde die Studie gestoppt, weil die Gruppe mit Supplementation nicht weniger Krebsfälle hatte als die Vergleichsgruppe ohne.

Nicht jede Werbung glauben

In der Nachbeobachtung stellte sich zudem heraus, dass Männer, die Alpha-Tocopherol einnahmen, sogar ein erhöhtes Prostatakrebsrisiko hatten, und zwar um 17 Prozent, wie US-Onkologen um Dr. Maria Elena Martínez aus La Jolla in Kalifornien erinnern (J Natl Cancer Inst 2012; 104: 1).

Dies sollte ein Grund mehr für Verbraucher sein, nicht alle Versprechungen im Zusammenhang mit diesen Nahrungsergänzungsmitteln zu glauben.

Bereits 2007 hatte die Analyse von 68 Studien zur Wirkung von Antioxidantien wie Beta-Karotin, den Vitaminen A, C und E sowie Selen ein negatives Ergebnis gebracht. Ausgewertet wurden damals die Daten von mehr als 232.000 Teilnehmern.

In der Gruppe, die Vitamin A und E oder Beta-Karotin einnahm, war eine höhere allgemeine Sterberate zu finden als in der Gruppe ohne Supplementation.

Ähnliche entmutigende Ergebnisse gibt es im Zusammenhang mit der Einnahme von Folsäure als Supplement zur Prävention von Darmkrebs.

Im vergangenen Jahr hatte die Metaanalyse mehrerer randomisierter kontrollierter Studien ergeben, dass Folsäure innerhalb der Studiendauer von drei Jahren das Risiko für Kolorektal-Ca nicht verringerte.

Aus anderen Studien gibt es darüber hinaus sogar Hinweise für eine Assoziation zwischen einer Folsäuresupplementation und einem erhöhten Prostatakarzinomrisiko.

Uneinheitlich ist auch die Datenlage zu Vitamin D. Dazu gibt es nach Angaben der US-Onkologen kaum randomisierte kontrollierte Studien. Einerseits hatte eine große Beobachtungsstudie ergeben, dass es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen der Einnahme hoher Vitamin-D-Dosen und einem erhöhten Risiko für Pankreaskarzinom gibt.

Onkologen gegen gesundheitsbezogene Werbung

Andererseits geht aus einer Metaanalyse von 2012 hervor, dass Menschen, die große Mengen an Vitamin D einnehmen, ein geringeres Pankreas-Ca-Risiko haben. Eine klare Aussage ist also derzeit nicht möglich.

Zudem hatte im vergangenen Jahr eine Studie ergeben, dass Teilnehmer mit Einnahme großer Mengen an 25-OH-Vitamin D ein signifikant erhöhtes Risiko für Prostata-Ca haben.

Beobachtungsstudien zur Supplementation sind unter anderem deshalb so schwierig, weil die Ergebnisse leicht verzerrt werden, etwa durch den unterschiedlichen Lebensstil der Studienteilnehmer oder durch die nicht erwähnte Einnahme anderer Nahrungsergänzungsmittel und die nicht einheitlichen Mengenangaben der verwendeten Mittel.

Deshalb fordern Martínez und ihre Kollegen mehr randomisierte kontrollierte Studien und vor allem Studien mit längeren Laufzeiten.

Als Beispiel weisen die Wissenschaftler in ihrer Publikation erneut auf die SELECT-Studie, in der gewissermaßen erst in der "Nachspielzeit" der negative Effekt von Selen und Vitamin E auf das Prostata-Ca-Risiko offensichtlich wurde.

Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Karzinogenese ein sehr langwieriger Prozess sein kann, der sich über mehrere Jahrzehnte hinzieht.

Vor allem wenden sich die US-Onkologen dagegen, dass Hersteller für ihre Produkte damit werben, dass sie krebspräventive Eigenschaften hätten.

In Deutschland ist im Zusammenhang mit Nahrungsergänzungsmitteln bekanntlich eine krankheitsbezogene Werbung untersagt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die richtige Mischung macht's

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