Krebspatienten oft im Stich gelassen
Viele Krebspatienten brauchen eine schnelle psychotherapeutische Betreuung. Doch es fehlt an Angeboten. Die Deutschen Krebsgesellschaft bringt eine neue Möglichkeit ins Spiel - einen ambulanten psycho-onkologischen Dienst.
Veröffentlicht:KÖLN. Auf dem Papier ist es meist geregelt: Disease-Management-Programme und Brustzentren sehen bei der Behandlung von Frauen mit Brustkrebs die psycho-onkologische Versorgung als integralen Bestandteil vor.
In der Realität sieht es aber oft anders aus. Im Krankenhaus fehlt dafür die Zeit, nach der Entlassung fühlen sich viele Frauen mit ihren Problemen allein gelassen. Das berichtete Renate Haidinger, Vorstand des Vereins Brustkrebs Deutschland, auf der MCC-Konferenz "Onkologie 2012" in Köln.
"Das Konzept der psycho-onkologischen Betreuung ist zwar in den Kliniken angekommen. Aber wann soll man denn bei den kurzen Liegezeiten mit den Patientinnen über diese Aspekte sprechen?" fragte Haidinger.
Krebspatientien brauchen schnelle Unterstüztung
Eine psychotherapeutische Behandlung ist für viele angesichts der langen Wartezeiten keine Option, sie brauchen schneller Hilfe und Unterstützung. "Das System ist kompliziert, hier muss man den Patientinnen helfen", betonte sie.
Gefordert sind vor allem neue Angebote in der Kurzzeittherapie für alle Krebspatienten, sagte Professor Ferdinand Hofstädter, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren.
"Viele Krebspatienten brauchen eine kurze psychotherapeutische Beratung und keine Psychotherapie über mehrere Monate."
Die Unterstützung sei notwendig, um die Lebensqualität der Patientinnen zu verbessern. Dieser Aspekt wird seiner Einschätzung nach in den Konzepten zur Versorgung von Krebspatienten immer noch vernachlässigt.
Der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft Dr. Johannes Bruns wünscht sich mehr Experimentierfreude der Beteiligten. "Ich bin überzeugt: So wie es heute ambulante Pflegedienste gibt, wird es irgendwann auch einen ambulanten psycho-onkologischen Dienst geben", sagte er.
"Es fehlt an kontinuierlicher Begleitung der Krebspatienten"
Die AOK Rheinland/Hamburg führt Gespräche mit der KV Nordrhein darüber, wie der Anspruch der Patienten auf einen zeitnahen Termin umgesetzt werden kann.
Das berichtete der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kasse Günter Wältermann. "Im Kreis Kleve dauert es fast ein Jahr, bis man einen Therapieplatz bekommt, das geht nicht."
Gleichzeitig gebe es mit dem Landesgesundheitsministerium Gespräche darüber, wie man das Zuweisungs- und das Entlassmanagement im Krankenhaus verbessern kann, damit die Patienten nach der stationären Versorgung nicht in ein Loch fallen.
"Zurzeit fehlt es an einer kontinuierlichen Begleitung der Krebspatienten", sagte Wältermann. Zwar könnten die Krankenkassen einen Teil übernehmen. Sie stießen aber an Grenzen, wenn es um medizinische Dinge geht. "Die Kompetenz der niedergelassenen Haus- und Fachärzte muss gefördert werden."
Wältermann sieht auch bei den Kassen selbst noch Handlungsbedarf. "Es darf nicht sein, dass Patienten zum Bittsteller werden müssen, um etwas zu erreichen." Die Kassen müssten den Patienten aktiver anbieten, was ihnen bei Heil- und Hilfsmitteln zusteht.
Sie müssten dort, wo sie es können, dazu beitragen, die Lebensqualität der Versicherten zu erhöhen. Die AOK Rheinland/Hamburg bietet krebskranken Versicherten die Versorgung mit EchthaarPerücken an. Dazu hat die Kasse einen Vertrag mit einem Hersteller abgeschlossen. "Das Angebot wird gut angenommen", sagte er.
Honorierung der ärztlichen Leistung ändern
Um die Versorgung besser auf die Bedürfnisse von Krebspatienten abzustimmen, sei auch eine andere Honorierung der ärztlichen Leistungen notwendig, sagte Professor Axel Heyll, Leiter des Kompetenz Centrum Onkologie des MDK Nordrhein.
"Es ist unbefriedigend, dass es eine Pauschale für die intravenöse Chemotherapie gibt, nicht aber für die orale", sagte er.
Viele Ärzte würden genau aus diesen Gründen Patienten die orale Chemotherapie verweigern, sagte Haidinger, die selbst an Brustkrebs erkrankt war. Auf die Bedürfnisse der Betroffenen müsse generell besser eingegangen werden, die Patienten bräuchten mehr Unterstützung, sagte sie.
"Was nützt mir das verlängerte Leben, wenn meine Lebensqualität schlecht ist?"