Krebs im Endstadium
Chemo schadet eher
Bei Krebskranken im Endstadium sollte auf eine Chemotherapie verzichtet werden, finden US-Onkologen. Ihre Studie hat ergeben: Die Chemo schadet dieser Personengruppe mehr als dass sie nützt.
Veröffentlicht:NEW YORK. Vielen Krebspatienten im Endstadium wird trotz fehlender Evidenz noch eine Chemotherapie angeboten.
Sie soll das Überleben verlängern und die Lebensqualität verbessern. Doch immer wieder werden Zweifel laut, ob das Betroffenen tatsächlich hilft.
Wie eine Chemotherapie die Lebensqualität von Krebspatienten mit unterschiedlicher körperlicher Verfassung in der letzten Lebenswoche beeinflusst, haben daher Dr. Holly Prigerson und ihre Kollegen vom New York Presbyterian Hospital untersucht (JAMA Oncol 2015; online 23. Juli).
In die Kohortenstudie wurden von September 2002 bis Februar 2008 insgesamt 661 Krebspatienten im Endstadium mit einem Durchschnittsalter von 58,6 Jahren eingeschlossen. 58 Prozent der Probanden starben noch in der Beobachtungszeit von durchschnittlich 3,8 Monaten.
51 Prozent der Patienten mit fortschreitender metastasierender Erkrankung erhielten eine Chemotherapie, und zwar besonders solche mit gutem physischen Zustand (ECOG-Score 1,6 vs. 2,0). Nach dem Tod eines Patienten wurde das Pflegepersonal zu dessen Lebensqualität in der letzten Lebenswoche befragt.
Kein Einfluss auf Sterberisiko
Bei Patienten mit ECOG-Score-Werten von 2 oder 3 Punkten zu Studienbeginn brachte die Chemotherapie eine Woche vor dem Tod keine Vorteile für die Lebensqualität.
War der physische Zustand dagegen noch gut (ECOG 1), verschlechterte sich der Zustand durch die Chemotherapien signifikant (Odds Ratio, OR 0,35). Auf das Sterberisiko hatte die Chemotherapie keinen erkennbaren Einfluss.
Das Fazit der Autoren: Die ASCO-Leitlinien empfehlen zwar, bei Patienten mit metastasierenden Karzinomen im Endstadium noch eine palliative Chemotherapie zu erwägen.
Den Studienergebnissen zufolge stelle sich dabei aber eher die die Frage, wem eine solche Therapie am meisten schade, so Prigerson und Kollegen.
Denn gerade diejenigen, die körperlich noch am fittesten seien, erlitten durch die Chemotherapie den stärksten Einbruch ihrer Lebensqualität. Insgesamt, so die Autoren, scheine eine Chemotherapie Patienten mit metastasierenden Karzinomen im Endstadium eher zu schaden als zu nützen.
Keine aktive onkologische Behandlung mehr, wenn der Tod naht
Dr. Charles Blanke und Dr. Erik Fromme von der Oregon Health and Science University in Portland betonen in einem begleitenden Kommentar, dass Therapie und Hoffnung nicht gleichgesetzt werden dürften (JAMA Oncology 2015, online 23. Juli).
Die letzten sechs Monate eines Lebens sollten nicht mit weitgehend ineffektiven Therapien und deren Nebenwirkungen verbracht werden.
Werde der Tod eines Krebspatienten innerhalb des folgenden halben Jahres erwartet, sollte keine aktive onkologische Behandlung mehr durchgeführt werden, so die Onkologen.
Bestehe dennoch ein triftiger Grund hierfür, sollte das Gespräch über Prognose, Ziele, Ängste sowie tragfähige Kompromisse, das mit dem Patienten und seiner Familie geführt wurde, dokumentiert werden.
Ziel, so Blanke und Fromme, sei letztlich eine gute Entscheidung, mit der insbesondere in den letzten Lebenswochen das Leiden nicht weiter verstärkt werde.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Nur noch der Moment zählt