Google, Bing & Co.
Kann eine Internet-Suchmaschine gefährlichen Krebs früherkennen
Sag mir, wonach Du googelst - und ich sage Dir, ob Du an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt bist. Händeringend suchen Forscher nach einer Methoden zur Früherkennung von Pankreaskarzinomen. Offenbar kann das Internet dabei helfe.
Veröffentlicht:NEW YORK. Drei von vier Patienten mit einem Pankreaskarzinom, die nicht operiert werden können, sterben binnen eines Jahres. Nur sieben von 100 Frauen und acht von 100 Männern, die an Krebs der Bauchspeicheldrüse erkranken, leben fünf Jahre nach der Diagnose noch.
Ein Grund für diese niederschmetternde Situation: Der Tumor ist zum Zeitpunkt der Diagnose meist nicht mehr lokal begrenzt. Die Beschwerden, die der Diagnose vorausgehen, sind in der Regel unspezifisch, der Tumor wächst rasch und metastasiert früh. Das macht es so schwer, die Erkrankung in einem Stadium mit noch guter Prognose zu erkennen.
Ein US-Forscher-Team um John Paparrizos von der Columbia University in New York hat nun einen unorthodoxen Weg zur möglichen Früherkennung von Pankreaskarzinomen gewählt.
Die Frage, die sie sich vorlegten, lautete: Kann man anhand des Protokolls der Suchwörter, die jemand in eine Suchmaschine im Internet eingibt, spätere Pankreaskrebspatienten noch vor der Diagnose identifizieren? Unterstützung erhielten die Wissenschaftler von der Forschungsabteilung von Microsoft (J Oncol Pract 2016, online 7. Juni).
Fragen nach Symptomen analysiert
Laut den Ergebnissen von Paparrizos und Kollegen ist das möglich. Für ihre Machbarkeitsstudie haben sie zwei Gruppen definiert: Zum einen die Gruppe der Positiven, die eine Pankreaskrebsdiagnose erhalten hatten.
Diese Gruppe bestand aus (anonymen) Menschen, die in der Suchmaschine Bing gezielt nach dem Begriff "Bauchspeicheldrüsenkrebs" oder einem Synonym gesucht hatten und zudem erkennen ließen, dass sie eine entsprechende Diagnose erhalten hatten (etwa indem sie dies explizit in der Suchanfrage formulierten).
Die Gruppe der Negativen bestand aus Menschen, die nach Symptomen von Pankreaskrebs gesucht hatten - mit Begriffen wie "gelbe Augen", "dunkler Urin", "fettiger Stuhl", "Verdauungsstörung", "Bauchschmerzen", "Gewichtsverlust" und vielen anderen.
Diese hatten aber nie konkret Auskunft über Pankreaskrebs selbst haben wollen. Positive und Negative zusammen bildeten die untersuchte Gesamtheit von Personen, bei denen es sinnvoll wäre, anhand einer passenden Suchhistorie nach Krebspatienten Ausschau zu halten.
Obwohl die Suche in Bing anonymisiert verläuft, lässt sich doch für jede Anfrage das Protokoll der vorhergehenden Suchbegriffe auffinden. Das geschah mit Blick auf die Gruppe der Positiven. Ein lernender Algorithmus filterte die Suchhistorie nach Begriffsmustern, die eine künftige Diagnose von Pankreaskrebs wahrscheinlich machen.
Diese Muster wurden schließlich an der Gesamtheit getestet. Wegen der geringen Prävalenz der Erkrankung kam es den Forschern um Paparrizos darauf an, die Muster so zu gestalten, dass es zu möglichst wenigen falsch-positiven Ergebnissen kam.
System zur Beobachtung
Mit Falsch-positiv-Raten zwischen 0,001 und 1 Prozent gelang es, anhand der Suchhistorie zwischen 5 und 30 Prozent der späteren Positiven ausfindig zu machen, und zwar etwa fünf Monate vor der tatsächlichen Diagnose.
Bei der niedrigsten Rate an falsch-positiven Ergebnissen würde nur einer von 100.000 aus der Gruppe der Negativen fälschlich als positiv diagnostiziert werden. Die Prävalenz eingerechnet hieße das: Von drei positiven Befunden wären zwei richtig und einer falsch.
Den Nutzen ihres Ansatzes sehen die Forscher nicht im aktiven Screening als vielmehr in der passiven Beobachtung. Die Analyse ihrer einschlägigen Suchprofile könnte dabei für Internetnutzer womöglich in dem Rat resultieren, bei den Symptomen einen Arzt aufzusuchen.