Dr. Christa Maar

Dem Darmkrebs keine Chance

Ihr eigener Sohn starb an Darmkrebs, seither setzt sich Dr. Christa Maar, Gründerin der Felix Burda Stiftung, für mehr Prävention ein. Zum Auftakt des Darmkrebsmonats März spricht sie im Interview mit der "Ärzte Zeitung" über Erfolge der Koloskopie, neue Testmethoden und Hürden auf dem Weg zu einem organisierten Screening.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: "Wer seinen Partner liebt, schickt ihn zur Darmkrebsvorsorge"- so das Motto der Aufklärungskampagne der Felix Burda Stiftung 2014. Wie groß war die Resonanz?

Dr. Christa Maar

Position: Vorstand der Felix Burda Stiftung und Präsidentin des Netzwerks gegen Darmkrebs

Ausbildung: Studium der Kunstgeschichte

Karriere: Drehbuchautorin, Regisseurin und Chefredakteurin

Privates: Ihr Sohn Felix starb 2001 an Darmkrebs

Dr. Christa Maar: Das lässt sich nur schwer messen. Doch die Kampagne zur Darmkrebsvorsorge war insgesamt - auch im Rahmen des Darmkrebsmonats März, wo etwa auch Tageszeitungen und Fernsehen unsere Anzeigen und Spots schalten, - sehr erfolgreich. Immerhin waren bereits mehr als fünf der 20 Millionen Berechtigten bei einer Vorsorgekoloskopie.

DACHS ist eine epidemiologische Fall-Kontroll-Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg und ein Beleg für das empfohlene 10-Jahres-Kontroll-Intervall ab 55. Das Akronym steht für "Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening". Was gibt es Neues aus dieser Studie?

Maar: In die Studie wurden inzwischen fast 5000 Darmkrebspatienten und 5000 Kontrollpersonen ohne Darmkrebs aufgenommen.

Die Daten zeigen, dass das Risiko für das Entstehen von Darmkrebs bei Personen, die eine Vorsorgekoloskopie gemacht haben, innerhalb von 10 Jahren nach dieser Untersuchung um etwa 90 Prozent niedriger ist als bei Personen, die keine Darmspiegelung gemacht haben.

Die Daten zeigen auch, dass die Überlebensrate von Patienten, deren Tumor bei einer Vorsorge entdeckt wurde, wesentlich höher ist als die von Patienten, deren Tumor nach Beschwerden diagnostiziert wurde.

Die Studie unterstreicht das hohe Potenzial der Darmkrebsvorsorge für die Verhütung von Neuerkrankungen und tödlichen Verläufen von Darmkrebs.

Wie gut steht Deutschland beim Screening im Vergleich zu anderen EU-Ländern da?

Maar: Ende 2014 hat Professor Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg eine Modellrechnung auf Basis der Daten von 4,4 Millionen Vorsorgekoloskopien erstellt, die von 2002 bis 2012 durchgeführt wurden.

Danach wurden durch die Koloskopie rund 180.000 Neuerkrankungen und 80.000 Todesfälle von Darmkrebs verhindert.

Außerdem lässt sich eine deutliche Stadienverschiebung feststellen: 70 Prozent statt wie vor der Einführung der Vorsorgekoloskopie 40 Prozent der Tumoren, die bei der Untersuchung erkannt werden, sind im Frühstadium und können geheilt werden.

Sie setzen sich auch für die betriebliche Darmkrebsvorsorge ein. Seit wann?

Maar: Wir haben bald nach Gründung der Felix Burda Stiftung im Jahr 2002 eine Aktion im eigenen Betrieb initiiert und waren damit sehr erfolgreich.

Das hat uns motiviert, die Personalvorstände der großen Unternehmen anzusprechen, damit sie Darmkrebsvorsorgeaktionen für ihre Mitarbeiter einführen.

Viele haben das gemacht. Wir erhielten von vielen Unternehmen Anfragen, wie die Aktionen am besten durchzuführen seien.

Deshalb haben wir 2006 zusammen mit der Stiftung LebensBlicke einen Leitfaden für die Umsetzung solcher Aktionen entwickelt. Die Mitarbeiter erhalten dabei Flyer, in denen sie auch über das familiäre Risiko aufgeklärt werden.

Wie stark ist das Interesse für betriebliche Darmkrebsvorsorge generell?

Felix Burda Stiftung

Die Felix Burda Stiftung mit Sitz in München wurde 2001 von Dr. Christa Maar und Verleger Prof. Dr. Hubert Burda gegründet und trägt den Namen ihres an Darmkrebs verstorbenen Sohnes. Die international aktive Stiftung widmet sichaus diesem persönlichen Antrieb heraus ausschließlich der Prävention von Darmkrebs und ist heute eine der bekanntesten, gemeinnützigen Institutionen in diesem Bereich in Deutschland. Sie gilt als wichtiger Impulsgeber in der Marketing-Kommunikation der Chancen der Darmkrebsvorsorge und -früherkennung und als anerkannte treibende Kraft in diesem Bereich. Zu den Projekten der Stiftung zählen der 2003 geschaffene Felix Burda Award, mit dem herausragendes Engagement im Bereich der Darmkrebsvorsorge geehrt wird. Ein weiteres Projekt ist der 2002 initiierte, bundesweite Darmkrebsmonat März, der in diesem Jahr unter dem Motto „... aus Liebe zur Vorsorge!“ läuft. (eb)

Maar: Ein gutes Beispiel liefert hier das 2014 gestartete Aktionsbündnis der Betriebskrankenkassen. Von mehr als 100 BKKen haben immerhin 80 ihre Teilnahme an der Darmkrebsvorsorgeaktion zugesagt und 55 haben die Aktion schon durchgeführt.

Bisher wurden 350.000 Mitarbeiter durch diese Aktion über Vorsorge und familiäres Risiko informiert. Der immunologische Stuhltest wurde von 60.000 Personen angefordert und von 42.000 tatsächlich durchgeführt.

Welche Ergebnisse liegen dazu vor?

Maar: Insgesamt 5,4 Prozent der Tests waren positiv. Die Betroffenen erhielten vom Labor eine schriftliche Benachrichtigung und den Rat, den Befund unbedingt durch eine Koloskopie abklären zu lassen.

Die Teilnahmequote bei der BKK-Aktion ist mit 15 Prozent etwas niedriger als bei den Unternehmen, die sich für den Felix Burda Award bewerben.

Aber vermutlich sind an dem Aktionsbündnis auch viele Krankenkassen beteiligt, die bisher überhaupt noch keine betriebliche Aktion zur Darmkrebsvorsorge durchgeführt haben und sich erst noch "einspielen" müssen.

Die Rücksendequote ist mit 70 Prozent im Rahmen der üblichen Rücksendequoten, ebenso die Quote der positiven Tests. Unterm Strich eine tolle Aktion!

Wie stehen die Chancen für die Zulassung des immunchemischen Tests (iFOBT) für den Nachweis von okkultem Blut im Stuhl als gesetzliche Leistung?

Maar: Es gibt Hinweise aus dem Spitzenverband der Krankenkassen, dass sich die Kassen geeinigt haben, den immunchemischen Test im ersten Halbjahr 2015 einzuführen.

Das wäre dann deutlich vor Einführung des organisierten Programms, die für April 2016 vorgesehen ist.

Welche Vorteile hat der immunchemische Test?

Maar: Er ist wesentlich empfindlicher als der alte Guajak-Test. Die Quote für das Erkennen von Karzinomen liegt beim alten Test zwischen 20 und 30 Prozent, beim iFOBT dagegen bei circa 70 Prozent.

Der immunchemische Test erkennt auch deutlich mehr Adenome und wird besser akzeptiert. Der Unterschied in der Sensitivität bei gleicher Spezifität ist derart groß, dass man nicht versteht, warum überhaupt noch irgendjemand an dem alten Test festhält.

Ist der immunchemische Test bereits in anderen EU-Ländern zum Screening zugelassen?

Maar: Ja, zum Beispiel in Spanien, den Niederlanden, Slowenien, Schottland und Irland. Mit Vorstudien zur Einführung sind Großbritannien, Frankreich, Norwegen, Schweden und Ungarn befasst.

In den Niederlanden wird den Versicherten der Test nach Hause geschickt, und die Auswertung geschieht in einem zentralen Labor. Eine zentrale Auswertung ist in Deutschland wegen des föderalen Systems wohl nicht denkbar.

Der GBA hat Ende November 2014 das Beratungsverfahren zur Einführung eines organisierten Darmkrebs- Screenings eingeleitet und damit Vorgaben des Krebsfrüherkennungs- und Krebsregistergesetzes umgesetzt. Wie geht es jetzt weiter?

Maar: Bis April 2016 soll vom GBA ein Konzept für die Umsetzung des organisierten Darmkrebs-Screenings erarbeitet werden.

Bis dahin sind viele prozessuale Fragen zu klären, zum Beispiel ob der Versicherte sich den Test beim Arzt abholen muss oder ob er ihn nach Hause geschickt bekommt, wo der Test ausgewertet wird, wie die Dokumentation und Evaluierung implementiert werden sollen, welche Vergütung der Hausarzt für das vorgesehene Beratungsgespräch ab 50 erhält, etc.

Eine Abrechnungsziffer muss auch für das familiäre Risiko bereit gestellt werden, die Betroffenen müssen möglichst früh erkannt und beraten werden, da die meisten gar nichts von ihrem erhöhten Risiko wissen.

Es muss vor allem auch dafür gesorgt werden, dass die Familienanamnese integraler Bestandteil der in der Praxis genutzten Software wird.

Was halten Sie von der Forderung der KBV, für Männer die Altersgrenze zur erstmaligen Darmkrebsvorsorgeuntersuchung per Koloskopie zu senken?

Maar: Die Absenkung der Altersgrenze bei Männern um 5 Jahre macht auf jeden Fall Sinn, da Männer laut Studien im Schnitt 5 Jahre früher an Darmkrebs erkranken als Frauen. Dementsprechend sollten sie auch früher vorsorgen.

Was ist derzeit die größte Herausforderung, der Sie sich stellen müssen?

Maar: Das ist zweifellos das familiäre Risiko. Menschen mit familiärer Belastung haben gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein zwei- bis vierfach höheres Darmkrebsrisiko und erkranken oft auch in einem früheren Alter, das belegen zahlreiche Studien.

Eine randomisierte Studie, wie sie für die Nutzenbewertung einer vorgezogenen Früherkennung bei dieser Gruppe gefordert wird, kann es aus ethischen Gründen nicht geben.

Hier muss die Erfahrung von Ärzten ausreichen, die gerade bei jüngeren Menschen zunehmend einen fortgeschrittenen Darmkrebs feststellen.

Wir sind uns mit Ärzten und medizinischen Fachgesellschaften einig, dass das familiäre Risiko im Rahmen des organisierten Darmkrebs-Screenings Berücksichtigung finden muss.

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