HINTERGRUND

Ist die Brustkrebsnachsorge noch zeitgemäß? Ärzte und Betroffene wollen verbessertes Screening auf Metastasen

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:

Etwa 360 000 Frauen mit Brustkrebs leben in Deutschland in der Phase nach abgeschlossener Primärtherapie. Es ist davon auszugehen, daß 20 bis 25 Prozent von ihnen Fernmetastasen bekommen werden. Angesichts der rasanten Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren stellt die bundesweit größte Patientinnen-Initiative mamazone e.V. in Augsburg die Effektivität der gegenwärtig praktizierten Brustkrebsnachsorge in Frage. Auch Experten plädieren dafür, das Nachsorge-Konzept zu überprüfen.

Lokalrezidive lassen sich mit dem derzeitigen Vorgehen zwar früh erkennen, nicht jedoch Metastasen. Es müsse daher geprüft werden, ob bei Patientinnen mit Brustkrebs eine verbesserte Nachsorge die Chancen auf längeres Überleben, bessere Lebensqualität oder sogar auf Heilung erhöht. Dabei sei anzustreben, eine Metastasierung mit modernsten Methoden früh zu erkennen und gegebenenfalls früh dagegen zu behandeln, fordert Ursula Goldmann-Posch vom mamazone-Vorstand.

Möglichkeiten zu einer Nachsorge-Studie werden geprüft

Die Patientinnenvertreterin wurde jetzt von der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS) und anderen Fachgesellschaften zur "Planung der Machbarkeit einer neuen Nachsorgestudie für Brustkrebspatientinnen" in ein Experten-Panel berufen, das in diesem Monat noch zusammentreffen soll.

Schützenhilfe bekommt die Patientinneninitiative von dem Onkologen Professor Siegfried Seeber aus Essen. Der Direktor des dortigen Tumorzentrums und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie (DGHO) macht keinen Hehl daraus, daß er die gegenwärtige Nachsorge für "völlig überholt" hält, wie er zur "Ärzte Zeitung " sagte.

Die Nachbetreuung von Brustkrebspatientinnen umfaßt derzeit eine regelmäßige Anamnese, eine körperliche Untersuchung und mammographische Kontrolluntersuchungen der betroffenen wie auch der kontralateralen Brust in bestimmten Zeitintervallen. Auf zusätzliche bildgebende Verfahren wie Sonographie der Leber, Röntgenthorax oder eine Ganzkörperuntersuchung mit PET-CT (Positronen-Emissions-Tomographie plus Computertomographie) wird bei symptomfreien Patientinnen verzichtet.

Dieses Vorgehen basiert auf den Ergebnissen mehrerer Studien, aber vor allem auf den Resultaten einer italienischen Studie, die vor zehn Jahren ergeben hatte, daß sich bei Anwendung zusätzlicher diagnostischer apparativer Maßnahmen in bestimmten Zeitabständen die Überlebenszeit der Frauen im Vergleich zu den Frauen einer Kontrollgruppe ohne die Maßnahmen nicht verlängert.

Inzwischen stehen jedoch hochmoderne bildgebende Verfahren zur Verfügung, mit deren Hilfe kleinste, neue Krebsherde erkannt werden können. Bei der PET wird radioaktiv markierter Traubenzucker (FDG) intravenös gespritzt. Aufgrund ihres erhöhten Zuckerstoffwechsels reichern die Krebszellen FDG vermehrt an. Mehr als 90 Prozent der Herde werden mit dem PET-Scanner gefunden, auch bei symptomlosen Patientinnen. Bei der PET-CT werden die Befunde mit CT-Aufnahmen zusammengeführt. Damit ist eine anatomische Zuordnung von Krebsherden möglich.

Auch die klassischen Tumormarker bei Brustkrebs, nämlich CA 15-3 und CEA, können - wenn sie richtig angewendet und interpretiert werden - bei 70 Prozent der Patientinnen sicher voraussagen, ob sich in anderen Organen Metastasen gebildet haben, wie Dr. Petra Stieber, Leiterin der Forschungsgruppe Onkologische Labordiagnostik am Klinikum Großhadern in München bestätigt. In ihrer Tumormarkerstudie mit Blutkontrollen im Abstand von sechs Wochen befinden sich 550 Frauen mit Brustkrebs unter fortlaufender Beobachtung.

Auch Gen-Chips geben Hinweise auf Rückfallrisiko

Verstärkt kommen auch immer neue, elegante Verfahren eines Biomonitoring auf den Markt, etwa PCR-Tests, mit deren Hilfe man einzelne zirkulierende Krebszellen im Blut oder Knochenmark aufspüren kann. Und mittels Gen-Expressionsprofilen über DNA-Chips kann die Rückfallgefahr exakter vorhergesagt werden: "Diese modernen Verfahren sollten in die von mamazone geforderte Nachsorge-Studie Eingang finden und auf ihre Wertigkeit hin überprüft werden," so Goldmann-Posch.

Diesen Ansatz unterstützt auch Professor Ingo Diel aus Mannheim. Diel zufolge hat bislang zwar in keiner Studie gezeigt werden können, daß Patientinnen mit Metastasen heute wesentlich länger überleben als noch vor 20 Jahren. Allerdings mehren sich die Hinweise, daß durch eine frühe Therapie mit modernen Verfahren das Überleben der Patientinnen deutlich, oft sogar um Jahre verlängert werden kann. Zu den modernen Strategien gehören etwa neue antihormonelle Therapien, gezielt wirkende Antikörper wie Trastuzumab (Herceptin®), neue Zytostatika oder innovative chirurgische Methoden zur Entfernung von singulären Metastasen in Lunge und Leber. Bei einzelnen Patientinnen sei damit sogar eine Heilung zu erreichen, sagte Seeber.

Kann eine Therapie die Metastasierung aufhalten?

Das Ärzteteam um die Labormedizinerin Dr. Petra Stieber und Privatdozent Volker Heinemann am Klinikum Großhadern in München hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu überprüfen, ob es gelingt, bei denjenigen Patientinnen, bei denen sich eine Metastasierung durch Anstieg der Tumormarker ankündigt, diese durch eine frühe Therapie in Schach zu halten.

"Aus ethischen Gründen müssen wir aufhören, bei einer so vielschichtigen Erkrankung wie Brustkrebs die Überlebensfrage anhand randomisierter Studien überprüfen zu wollen", gibt Stieber zu bedenken. Sie plädiert für kleine Schritte. Zunächst brauche man diagnostische Kriterien, wie man Metastasen am schnellsten und sichersten entdeckt.

Auch Professor Matthias W. Beckmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO), hält zwar Studien zur Überprüfung der aktuellen Nachsorgerichtlinien für überfällig, aber aus organisatorischer und ökonomischer Sicht für nicht machbar. Beckmann plädiert dafür, die Prioritäten stärker auf eine optimale medikamentöse Therapie in der Primärtherapie bei Brustkrebs zu setzen als auf die Diagnostik in der Nachsorge.

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