Hintergrund
Ist der Prostatakrebs bei Männern über 75 aggressiver?
Bislang glaubte man, dass Prostatakrebs gerade bei besonders alten Männern eher langsam wächst. Eine neue Studie mit über 460.000 Teilnehmern lässt eine andere Schlussfolgerung zu. Die Daten bringen damit frischen Wind in die Vorsorgediskussion.
Veröffentlicht:Männer, bei denen ein Prostatakarzinom erst im Alter von 75 Jahren oder später diagnostiziert wird, sterben häufiger an ihrem Krebs als jüngere.
Das hat eine Studie der Universität Rochester ergeben. Die Daten bringen damit frischen Wind in die Vorsorgediskussion.
Über die Hälfte der Prostatakrebstoten waren über 75
Bislang war man davon ausgegangen, dass Prostatakrebs gerade bei besonders alten Männern eher langsam wächst und die Patienten schließlich meist aus anderen Gründen sterben.
Forscher um Dr. Emil Scosyrev von der University of Rochester im US-Staat New York haben jetzt in einer Studie belegt: Von allen Patienten, die in der Untersuchung wegen ihres Prostatakarzinoms zu Tode kamen, war über die Hälfte älter als 75 Jahre.
Bei Männern dieser Altersgruppe war dabei jedoch nur gut ein Viertel aller Tumoren diagnostiziert worden (Cancer 2011, online 17. Oktober).
Daten von 460.000 US-Amerikanern ausgewertet
Ziel der Studie war es, zu untersuchen, wie häufig in den verschiedenen Altersgruppen bei der Diagnosestellung Prostatakarzinom bereits Metastasen vorlagen und ob ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Patienten und der prostatakrebsspezifischen Mortalität bestand.
Hierzu wurden die Daten von über 460.000 US-Amerikanern ausgewertet, bei denen zwischen 1998 und 2007 ein Prostatakarzinom festgestellt worden war.
Zahl stieg mit dem Alter an
Die Zahl aller neu diagnostizierten Prostatakarzinome stieg dabei mit dem Alter an und erreichte bei den 70-Jährigen ein Maximum. Danach fiel die Häufigkeit wieder. Dies galt allerdings nicht, wenn man die Fälle betrachtete, bei denen sich bereits Metastasen gebildet hatten (Stadium M1).
Je älter die Patienten bei Diagnosestellung waren, desto häufiger lag bei ihnen ein Gleason-Score zwischen 8 und 10 vor, das heißt, desto öfter war der Tumor bereits metastasiert.
Unter 75-Jährige: Nur bei drei Prozent Metastasen
So wurden in der Gruppe der unter 75-Jährigen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung nur bei 3 Prozent Metastasen gefunden.
Bei bei den 75- bis 79-Jährigen war dies bereits bei 5 Prozent der Fall, bei den 80- bis 84 Jährigen bei 8 Prozent, in der Gruppe der 85- bis 89-Jährigen bei 13 Prozent und bei den Senioren ab 90 Jahren sogar 17 Prozent.
30 Prozent bei den über 90-Jährigen
Entsprechend stieg mit dem Alter die kumulative Inzidenz der Todesfälle infolge des Prostatakarzinoms, auch wenn die meisten der hochbetagten Patienten natürlich aus anderen Gründen gestorben waren.
Die prostatakrebsspezifische Sterberate lag bei den Patienten, die jünger als 75 Jahre waren, bei 3 bis 4 Prozent innerhalb von fünf Jahren; bei den 75- bis 79-Jährigen lag sie bei 7 Prozent (andere Todesursachen in dieser Altersgruppe: 21 Prozent), bei den 80- bis 84-Jährigen lag sie bei 13 Prozent (andere Todesursachen 32 Prozent), bei den der 85- bis 89-Jährigen lag sie bei 20 Prozent (andere Todesursachen 43 Prozent) und bei den über 90-Jährigen lag sie bei 30 Prozent (andere Ursachen 55 Prozent).
Mehr als jeder zweite Krebspatient, der daran starb, war über 75 Jahre alt
Zwar waren nur gut ein Viertel der Patienten, bei denen ein Prostatakarzinom diagnostiziert wurde, 75 Jahre oder älter (26 Prozent). In dieser Altersgruppe hatte jedoch fast die Hälfte der Patienten (48 Prozent) ein fortgeschrittenes Krebsstadium (M1).
Und auch in der Gruppe der Krebspatienten, die an ihrem Prostatakarzinom starben, waren die Senioren ab 75 Jahre mit einem Anteil von 53 Prozent überrepräsentiert.
Möglicherweise wächst der Prostatakrebs bei Älteren aggressiver
Fazit der Autoren: Ein Grund für die altersabhängigen Unterschiede bei der Erstdiagnose und das höhere Mortalitätsrisiko der Älteren könnte darin liegen, dass bei älteren Männern der Prostatakrebs möglicherweise aggressiver wächst als bisher angenommen.
Allerdings könnte auch eine Rolle spielen, dass Männer im Alter über 75 Jahre seltener an Früherkennungs-Untersuchungen teilnehmen. Zudem könnte bei erhöhten PSA-Werten bei hochbetagten Männern nicht mehr so häufig biopsiert werden wie bei Jüngeren.
Vor allem vor dem Hintergrund der Diskussion zum Prostatakarzinom-Screening sind die Ergebnisse dieser Studie beachtlich. Die Daten sprechen nämlich für den präventiven Nutzen eines regelmäßigen Screenings auch bei besonders alten Männern.