Prostata-Krebs
Glutamat als Tumormotor?
Glutamat und Prostata-Ca: Bereits vor drei Jahren haben Forscher einen Zusammenhang gezeigt. Jetzt entpuppt sich der Spiegel im Serum als Biomarker - und womöglich als Beschleuniger für das Tumorwachstum.
Veröffentlicht:BUFFALO. Glutamat im Serum entpuppt sich als potenzieller Biomarker für die Aggressivität von Prostatakarzinomen.
Die Spiegel sind signifikant höher bei einem Gleason-Score > 8 im Vergleich zu Werten unter 7. Bei afroamerikanischen Männern mit einem metastasierten kastrationsresistenten Prostata-Ca sind die Glutamatwerte im Serum außerdem signifikant höher als bei Männern derselben ethnischen Zugehörigkeit, die ein primäres Prostata-Ca oder eine gutartige Vergrößerung der Prostata haben.
Bereits vor drei Jahren haben Forscher festgestellt, dass bei den meisten Männern mit Prostata-Ca die Glutamatspiegel im Tumorgewebe signifikant höher sind als im Prostatagewebe von Männern mit benigner Prostatahyperplasie.
Außerdem hat sich gezeigt, dass bestimmte Rezeptoren für Glutamat bei der Tumorentstehung, etwa von Gliomen und Neuroblastomen, beteiligt sind. Gliomzellen mit hohen Glutamatkonzentrationen haben auch eine hohe Proliferationsrate.
Glutamatantagonisten bremsen zudem in der Zellkultur die Tumorzellvermehrung, etwa von Kolonadenokarzinomen, Melanomen, Lungen- und Mammakarzinomen.
Um die klinische Relevanz der Glutamatserumwerte zu bestimmen, untersuchten US-Urologen um Dr. Shahriar Koochekpour von der Universität in Buffalo die Serumwerte bei 60 Männern ohne Krebs, bei 197 Männern mit primärem Prostatakarzinom und bei 109 Männern mit metastasiertem Prostatakarzinom.
Zudem bestimmten sie Glutamatrezeptoren im Gewebe sowie den Effekt der Rezeptorblockade auf Prostatakrebszellen Clinical Cancer Research 2012; 18; 5888
Serumglutamat bei primärem Karzinom erhöht
Im Vergleich zu gesunden Männern waren die Serumglutamatwerte bei Männern mit primärem Karzinom signifikant höher (p = 0,003), bei Männern mit metastasiertem Karzinom dagegen im normalen Bereich.
Betrachteten die Urologen ausschließlich Männer mit primärem Prostata-Ca, stellte sich heraus, dass die Glutamatspiegel um so höher waren, je aggressiver die Tumoren waren.
Während sich der Glutamatrezeptor GRM1 in Zellen aus gesundem Prostatagewebe nicht oder nur schwach nachweisen ließ, entdeckten die Wissenschaftler in Krebszellen primärer Prostatakarzinome und in Metastasen eine drastisch erhöhte Expression des Rezeptors.
Schließlich ließ sich mit dem GRM1-Antagonisten Riluzol - inem Medikament zur Therapie bei Amyotropher Lateralsklerose - in vitro die Vermehrung von Prostatazellen hemmen. Die Wirkung beruht zum Teil darauf, dass die Freisetzung von Glutamat unterbunden wird.
Werden Prostatazellen in Kulturmedien ohne Glutamat gehalten, können sie sich kaum vermehren. Glutamatrezeptorblocker bewirkten in In-vitro-Versuchen darüber hinaus, dass Prostatakarzinomzellen nicht mehr wandern konnten und ihre Invasionsfähigkeit einbüßten.
Offenbar sind Prostatakarzinomzellen auf die Signalweiterleitung über den GRM1-Rezeptor angewiesen. Schließlich entdeckten die Wissenschaftler, dass durch die Rezeptorblockade der programmierte Zelltod, die Apoptose, bei den Krebszellen eingeleitet wurde.
Aufgrund ihrer aktuellen Daten gehen die Wissenschaftler davon aus, dass hohe Glutamatspiegel im Serum Vermehrungsraten und Aggressivität von Zellen primärer Prostatakarzinome bei Weißen wie bei Afroamerikanern sowie von Zellen metastasierter Prostatakarzinome nur bei afroamerikanischen Patienten erhöhen.
Jetzt seien größere Studien erforderlich, um den Grund für die Unterschiede bei den Ethnien herauszufinden.
Prostatazellen scheinen süchtig nach bestimmten Glutamatmengen zu sein. Was darüber hinausgeht, ist offenbar für die Zellen tödlich, wie die Wissenschaftler vermuten. Sie sprechen dann von einer Glutamattoxizität.
Die Abhängigkeit der Krebszellen von bestimmten Glutamatmengen und deren klinische und therapeutische Bedeutung seien nun in weiteren Studien zu klären. (ple)