Analband - eine neue Option für Inkontinente

Von Gabriele Wagner Veröffentlicht:

Zum ersten Mal in Deutschland hat jetzt in der Städtischen Klinik Rosenhöhe in Bielefeld ein Patient ein Analband bekommen (wie kurz berichtet). Der Patient war nach einer auswärtigen Operation inkontinent geworden und hatte deshalb einen Anus praeter erhalten. Privatdozent Mathias Löhnert, Chefarzt der Chirurgischen Klinik, und sein Team sind optimistisch, daß der Patient mit dem Analband kontinent ist und deshalb in Kürze der Kunstafter zurückverlegt werden kann.

Wie funktioniert das Analband? Das um den Sphinkter gelegte Band ist mit einem subkutan gelegenen, mit Kochsalzlösung gefülltem System aus Schläuchen, einem Ballon und einem Ventil verbunden. Ein am Ventil angebrachter Port dient als Flüssigkeitsreservoir. Drückt der Patient auf den Ballon, füllt sich das Band und verschließt den Sphinkter. Zum Stuhlgang wird das Band durch Fingerdruck auf das Ventil geleert.

"Nach der Operation wartet man sechs Wochen, bevor das Band gefüllt wird. Die Wunden über den Hauttaschen am Unterbauch, in denen Ballon und Ventil liegen, sollen verheilt sein, damit es nicht weh tut, wenn der Patient auf Ballon und Ventil drückt," erläuterte Löhnert im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Sind die sechs Wochen um, kommt der Patient wieder in die Klinik und befüllt selbst das Analband. Dann wird eine Sphinkter-Manometrie gemacht. Der Verschlußdruck sollte 50 bis 120 mmHg betragen. Ein normaler Sphinkterdruck liegt zwischen 50 mmHg (in Ruhe) und 120 mmHg.

Kontinenz wird sechs Wochen nach Op mit Quark-Test geprüft

"Ich persönlich mache auch noch einen sogenannten Quark-Test, den ich mir überlegt habe, um auch einen klinischen Parameter für die Kontinenzleistung zu haben. Wir haben festgestellt, daß Magerquark einer normalen Stuhl-Konsistenz nahe kommt." Über ein Darmrohr wird mittels Blasenspritze 150 ml Quark in die Rektumampulle gespritzt.

Dann wird das Analband gefüllt. Der Patient soll 15 bis 20 Minuten laufen. Hat er das geschafft, ohne daß unwillkürlich etwas abgegangen ist, werden Analband und dann der Darm entleert. Löhnert macht den Streßtest deshalb, weil Manometrien und Scores nicht richtig verläßlich sind. "Wir haben inkontinente Patienten mit normalen Druck-Gradienten. Andererseits gibt es Patienten mit manometrisch schwacher Sphinkterleistung, die aber klinisch kontinent sind."

Klappt der Quark-Test bei dem jetzt operierten Patienten gut, wird der Anus praeter zurückverlegt. Löhnert ist optimistisch: "Wir haben intraoperativ einen Druck von 100 mmHg erreicht. Damit hat der Patient mit dem Band einen Verschlußdruck wie mit einem gesunden Schließmuskel."

Ist das Analband für jeden inkontinenten Patienten geeignet? Nein, sagt Löhnert. "Patienten, die wegen einer Colitis ulcerosa oder einer Rektumresektion keine dehnfähige Rektumampulle mehr haben, bauen schon bei kleinen Stuhlmengen zwischen 20 bis 50 ml einen Druck von mehr als 100 mmHg auf. Das überfordert auch einen intakten Sphinkter. Auch ein Analband nützt dann nichts, weil der Verschlußdruck des Analbandes überstiegen wird."

Auch bei Patienten mit Morbus Crohn, bei denen der Sphinkter durch Fisteln zerstört ist, würde Löhnert das Band nicht einlegen. Jeder zweite Betroffene bekommt Rezidivfisteln, und ein Fremdkörper könnte massive Entzündungen triggern.

Deshalb wird jeder Patient in Löhnerts Ambulanz eingehend untersucht, um festzustellen, welche Therapie für ihn die geeignete ist. Eine Option ist das Band etwa für Patienten mit schlaffer Sphinkterlähmung, etwa bei Syringomyelie oder Multipler Sklerose, oder bei tiefem Cauda-Syndrom nach Bandscheibenprolaps oder Autounfall. Indikationen sind auch alte Sphinkterverletzungen nach Operationen oder Geburten.

International bewährt sich das Analband seit zwei Jahren

Es gibt seit knapp zwei Jahren Erfahrungen mit dem Band, vorwiegend in Österreich. Bislang sind Komplikationen wie Fibrosen nicht bekannt. Narbenplatten waren ein Problem bei einem ähnlichen Kunstsphinkter (Artificial Bowl Sphinkter, ABS), der in den 1990er Jahren verwendet wurde. Es gab etwa Narbenstenosen, sodaß die ABS wieder entfernt werden mußten.

Das Problem war die Silikonoberfläche der ABS, die Fibrosierungen auslöste. Das jetzt verwendete Analband hat eine Titanbeschichtung. "Und von Titan-Prothesen und Titan-Netzen in der Hernienchirugie weiß man, daß der Körper inert darauf reagiert", sagte Löhnert.

48 000 Frauen in Deutschland dürften inkontinent sein

Geschätzt wird, daß es in Deutschland etwa 60 000 Menschen mit Inkontinenz gibt, die mit konservativen Methoden wie Beckenbodentraining oder etwa Sphinkter-Rekonstruktionen erfolgreich behandelt werden könnten. Ein Teil bekommt einen Anus praeter, und für viele dieser Patienten ist das Analband geeignet.

Von analer Inkontinenz betroffen sind mit 70 bis 80 Prozent vor allem Frauen. Häufigster Grund sind Verletzungen während der Geburt wie Dammrisse oder -schnitte. Aber auch Frauen ohne äußere Verletzungen können betroffen sein, wie in einer schwedischen Studie endosonographisch belegt wurde.

Ein Teil der Frauen hatte kleine Muskeleinrisse mit Hämatomen, die narbig verheilen. Solange der Schließmuskel sonst kräftig und intakt ist, wird eine solche Verletzung kompensiert. Doch wenn im Alter die Muskelkraft und -elastizität physiologisch nachläßt, kann eine solche kleine Narbe ausreichen, um inkontinent zu werden.

Termine zur ambulanten Sprechstunde bei: Privatdozent Mathias Löhnert, Frau Schimmel, Tel.: 05 21 / 9 43 81 01

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Inkontinenz kann man verhüten!

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