Wann soll gespiegelt werden?

Die Alarmzeichen bei Verdauungsbeschwerden

Jeder vierte Bundesbürger leidet an dyspeptischen Beschwerden wie Völlegefühl und Sodbrennen. Nicht alle Betroffenen müssen sofort gespiegelt werden. Doch die Alarmzeichen sollten Ärzte kennen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Mit der Gastroskopie lassen sich morphologisch fassbare Ursachen der Dyspepsie abklären.

Mit der Gastroskopie lassen sich morphologisch fassbare Ursachen der Dyspepsie abklären.

© Klaro

HAMBURG. Sich an Alarmzeichen zu orientieren hält Professor Dr. Andreas de Weerth vom Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg für eine relativ praktikable Möglichkeit, bei Dyspepsie-Patienten den Umfang der Diagnostik anfangs zu begrenzen.

Dieses Vorgehen entspreche auch dem Rom-III-Konsensus, der seit 2006 den Rahmen für den Umgang mit Patienten vorgibt, die funktionelle Verdauungsbeschwerden haben.

Relevante Alarmsymptome bei Dyspepsie sind Gewichtsverlust, rezidivierendes Erbrechen, eine begleitende unklare Diarrhoe sowie Dysphagie und Odynophagie, sagte de Weerth beim DGVS-Kongress in Hamburg.

Auch Hinweise auf eine Blutung, eine positive Familienanamnese für Krebserkrankungen und erhöhte Bilirubinwerte tauchen auf de Weerths Alarmliste auf. Liegen ein oder mehrere Alarmzeichen vor, ist eine sofortige Endoskopie indiziert, um morphologisch fassbare Ursachen der Dyspepsie abzuklären.

Dazu gehören neben malignen Befunden vor allem die Ösophagitis mit und ohne Barrett-Epithel sowie die peptischen Ulzera.

Fehlen Alarmzeichen, dann sei eine probatorische Therapie ohne Endoskopie absolut gerechtfertigt, so de Weerth. Die Auswahl der probatorischen Therapie macht er in erster Linie von der regionalen Durchseuchung mit Helicobacter pylori abhängig.

Bei einem Durchseuchungsgrad von über 10 Prozent greift er zum Helicobacter-Atemtest. Fällt der positiv aus, wird eradiziert.

Bei unklarer Dyspepsie Sprue als mögliche Ursache

Ist der Atemtest negativ oder wohnt der Patient außerhalb eines Endemiegebiets, dann ist die vierwöchige Behandlung mit einem Protonenpumpenhemmer (PPI) die Therapie der Wahl. Erst wenn der Patient auf die medikamentöse Therapie mit dem PPI oder auf die Eradikation nicht symptomatisch anspricht, schwingt das Pendel wieder zurück in Richtung Endoskopie.

Ein Problem im Alltag sind jene Patienten, die auf eine PPI-Therapie nicht ansprechen und trotzdem eine makroskopisch unauffällige Endoskopie zeigen. Hier bleibt nichts anderes übrig als individuell zu entscheiden, wie weit die Diagnostik getrieben wird.

De Weerth berichtete beim DGVS-Kongress in Hamburg von einer aktuellen Studie, in der 279 Patienten, die auf PPI nicht angesprochen hatten, ein diagnostisches Maximalprogramm erhielten, das außer Endoskopie und Biopsie auch noch eine 24h-pHmetrie, eine Manometrie und eine Magenentleerungsszitigrafie umfasste (Galindo G; Dis Esophagus 2012, doi: 101111/j.1442-2050.2012.01381.x).

Die Anzahl der Patienten mit letztlich doch fassbaren Befunden war relativ hoch. Zwei von drei Patienten hatten eine Ösophagitis, 5,5 Prozent einen Barrett-Ösophagus, 2,5 Prozent eine Achalasie und jeweils 5,8 Prozent Motilitätsstörungen oder eine Gastroparese.

Professor Dr. Wolfgang Fischbach vom Klinikum Aschaffenburg machte noch auf eine weitere Differenzialdiagnose aufmerksam, die bei unklarer Dyspepsie zumindest in Erwägung gezogen werden sollte: die Sprue.

Hier wurde in einer prospektiven Studie bei 726 Patienten mit anhaltender Dyspepsie eine Inzidenz von 2,1 Prozent ermittelt (World J Gastroenterol 2008; 14(45): 6948-53). Dies sei schon eine relevante Größenordnung, betonte Fischbach.

Endoskopie vermittelt Sicherheitsgefühl

Was die Alarmzeichen angeht, plädierte auch Fischbach für eine Endoskopie, wenn eines der genannten Zeichen vorliegt. Er warnte allerdings davor, den Alarmsymptomen zu viel Bedeutung zuzumessen.

Denn auch ganz ohne Alarmsymptome kann sich hinter einer Dyspepsie eine behandlungsbedürftige Grunderkrankung verbergen. Statt in Abwesenheit von Alarmsymptomen eine probatorische Therapie ohne weitere Diagnostik durchzuführen, plädierte Fischbach deswegen für eine individuelle Herangehensweise, bei der über eine weiterführende Diagnostik zumindest nachgedacht wird.

Der Experte aus Aschaffenburg erinnerte auch daran, dass eine Endoskopie dem Patienten auch dann ein Sicherheitsgefühl vermitteln kann, wenn nichts gefunden wird.

In einer randomisiert-kontrollierten Studie, in der Dyspepsie-Patienten entweder endoskopisch untersucht oder empirisch therapiert wurden, waren die endoskopierten Patienten nach zwei Monaten hoch signifikant häufiger beschwerdefrei als die empirisch behandelten Patienten (Aliment Pharmacol Ther 2009; 29(1): 55-68).

Die diagnostische Maßnahme hatte hier also auch einen gewissen therapeutischen Effekt.

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