Bundesbürger: Kaum Lust auf Hirndoping
Wie viele Menschen in Deutschland greifen hin und wieder zu Medikamenten, um ihre geistige Leistung zu steigern? Dieser Frage ging das Robert Koch-Institut nach - und kam zu einem überraschenden Ergebnis.
Veröffentlicht:BERLIN (mut). Vor vier Jahren sorgte eine Studie in der Fachzeitschrift "Nature" für Aufsehen.
1400 Leser aus der ganzen Welt, das sind primär Wissenschaftler, wurden befragt, ob sie Substanzen zum Zweck der geistigen Leistungssteigerung einnehmen.
Immerhin 20 Prozent gaben an, ohne medizinische Indikation Arzneien wie Methylphenidat, Modafinil oder Betablocker zu konsumieren.
Dass diese Zahlen für Deutschland nicht gerade repräsentativ sind, ließ bereits 2009 eine Online-Befragung der DAK vermuten. Hierbei gaben nur fünf Prozent der Erwerbstätigen zwischen 20 und 50 Jahren an, Arzneien und Drogen fürs Hirndoping einzunehmen.
Jetzt legt das Robert Koch-Institut (RKI) Zahlen einer Erhebung vor, die erstmals ahnen lassen, wie weit das auch als Neuroenhancement bekannte Phänomen hierzulande tatsächlich verbreitet ist (Pharmakologisches Neuroenhancement. GBE kompakt 2012;3(3); www.rki.de/gbe-kompakt).
Über 6000 Personen befragt
Für die Studie KOLIBRI wurden insgesamt 6142 Personen über 18 Jahren befragt. Dabei ging es um den Konsum verschreibungspflichtiger Mittel, illegaler Drogen sowie freiverkäuflicher Präparate und Getränke, die eine Verbesserung der Hirnfunktion oder auch der sozialen Funktion versprechen.
Das überraschende Ergebnis: Hirndoping mit Medikamenten und Drogen findet in Deutschland fast nicht statt. Nur 74 Befragte, das sind 1,5 Prozent, hatten solche Mittel zum Zweck der geistigen Leistungssteigerung in den vergangenen zwölf Monaten genommen.
Von diesen nahmen mehr als die Hälfte Antidepressiva - meist Fluoxetin und Johanniskraut. Hierbei versprach man sich wohl eher eine bessere Stimmung, denn die Leistung steigern solche Präparate jedenfalls nicht direkt.
Illegale Drogen wie Amphetamine oder Ecstasy wurden nur von einem halben Prozent konsumiert, Betablocker von 0,1 Prozent, Methylphenidat überhaupt nicht.
Interessant ist auch die Altersverteilung: Dem Hirndoping zugeneigt waren vor allem Frauen im Alter von 30 bis 44 Jahren (3,7 Prozent) sowie Männer zwischen 18 und 30 Jahren (3,3 Prozent). Insgesamt dopten sich viermal mehr Menschen im Alter von 18 bis 44 Jahren als solche, die älter waren.
Quote von drei Prozent bei Vielarbeitern
Zudem gab es einen Zusammenhang mit der Arbeitsbelastung: Bei einer Wochenarbeitszeit von über 40 Stunden nutzten dreimal so viele der Befragten Neuroenhancer wie von denen mit geringeren Arbeitszeiten. Doch selbst bei den Vielarbeitern lag der Anteil kaum über drei Prozent.
Ganz abgeneigt sind die Deutschen dem Hirndoping aber nicht. Zumindest frei verkäufliche Präparate wie Energy Drinks, die mit einer Verbesserung der geistigen Leistung werben, wurden von 17 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen konsumiert.
Werden auch solche Mittel einbezogen, dürfte der beliebteste Neuroenhancer noch immer Kaffee sein. Ein bisschen Hirndoping gönnt sich damit wohl jeder.
Quelle: www.springermedizin.de