Gleichgewicht
Mach den Flamingo - das verhindert Stürze
Im Alltag öfter mal auf einem Bein stehen, seitwärts gehen und um die eigene Achse drehen - das schützt ältere Menschen gut vor Stürzen. Und zwar besser als gezielte Übungen und ausgefeilte Trainingsprogramme.
Veröffentlicht:SYDNEY (mut). Es klingt paradox: Wenn ältere, sturzgefährdete Menschen es schaffen, mehrmals täglich auf nur einem Bein zu stehen; wenn sie Hindernissen nicht ausweichen, sondern sie gezielt überwinden, dann können sie ihr Sturzrisiko richtig gut senken. Und zwar weit besser, als wenn sie sich täglich zu einer bestimmten Zahl von Übungen aufraffen müssen.
Das haben Forscher aus Australien herausgefunden. Der Schlüssel zur Sturzprophylaxe ist ihrer Ansicht nach die Integration des Kraft- und Gleichgewichtstrainings in den normalen Tagesablauf.
Das zumindest schließt das Team um Professor Lindy Clemson von der Universität in Sydney aus den Ergebnissen einer dreiarmigen Präventionsstudie mit 317 sturzgefährdeten Personen über 70 Jahren (BMJ 2012;345:e4547). Die Teilnehmer hatten alle im Jahr vor dem Studienbeginn über zwei oder mehr Stürze mit Verletzungen berichtet, hatten aber keine größeren kognitiven oder motorischen Probleme.
Die Studienärzte teilten sie nun in drei ähnlich große Gruppen auf. Eine Gruppe erhielt zwei Sitzungen, in denen man ihnen zwölf leichte Übungen beibrachte, die sie im Sitzen oder Liegen machen konnten, etwa Hüfte und Beine schwingen. Diese Personen dienten als Kontrollgruppe.
In der zweiten Gruppe nahmen die älteren Herrschaften dreimal an einem strukturierten Trainingsprogramm mit sieben anerkannten Übungen zur Sturzprophylaxe teil. Sie sollten die Unterschenkelmuskulatur und die Balance stärken.
Laufen wie die Krabben, stehen wie die Flamingos
Die dritte Gruppe wurde schließlich mit dem Programm LIFE (Lifestyle Integrated Functional Exercise) trainiert. Dabei sollten die Teilnehmer die Kraft- und Gleichgewichtsübungen in den Tagesablauf einbauen, also öfter mal seitwärts gehen, das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagern, sich um die eigene Achse drehen und immer mal wieder abrupt die Richtung ändern oder nur auf einem Bein stehen.
Dabei durften sie sich natürlich zunächst noch gut festhalten, mussten dann aber mit der Zeit versuchen, immer weniger Halt zu benötigen. Auch Treppensteigen und sich dabei immer weniger am Geländer festhalten - sofern man sich sicher fühlt - sind Bewegungsabläufe, die man gezielt im Alltag üben kann. In dieser Gruppe erhielten die Teilnehmer fünf Trainingssitzungen, alle Gruppen bekamen ein bis zwei Auffrischsitzungen, alle sollten dann die Übungen alleine zu Hause bewältigen.
Nach einem Jahr verzeichneten die Forscher in der Kontrollgruppe 224 Stürze, 193 waren es bei den Teilnehmern mit dem strukturierten Trainingsprogramm und 172 mit dem LIFE-Training. Mit LIFE gab es 1,7 Stürze pro Person, mit dem strukturierten Programm 1,9 und in der Kontrollgruppe 2,3.
Insgesamt war das Sturzrisiko mit LIFE um 31 Prozent geringer als in der Kontrollgruppe. Mit dem strukturierten Programm lag der Unterschied zur Kontrollgruppe bei 19 Prozent, war hier aber nicht signifikant.
Trainingsprogramme zu Hause verlieren schnell ihren Reiz
Begründen lassen sich die Unterschiede zum einen damit, dass die Übungen in der Kontrollgruppe nicht ausreichten, um Kraft und Balance zu trainieren. In der Gruppe mit dem strukturierten Programm nahm dagegen die Begeisterung der Teilnehmer schnell ab: Sie übten zu Hause deutlich seltener als diejenigen in der LIFE- oder in der Kontrollgruppe.
Das Fazit: Indem Kraft- und Gleichgewichtsübungen in den Alltag eingebaut werden, lassen sich ältere Menschen nach Auffassung der Studienautoren am besten motivieren, ihr Sturzrisiko zu senken.