Selbstverletzung

So reagieren Teenager auf "Ritz"-Bilder im Internet

Millionen Jugendliche nutzen Instagram. Forscher haben untersucht, wie sie Bilder von Autoaggressionen in Sozialen Medien kommentieren und verbreiten. Das Ergebnis überrascht.

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Psychisch kranke Jugendliche, die sich durch "Ritzen" selbstverletzen, um sich von seelischem Schmerz abzulenken.

Psychisch kranke Jugendliche, die sich durch "Ritzen" selbstverletzen, um sich von seelischem Schmerz abzulenken.

© axelbueckert / iStock

ULM. Selbstverletzendes Verhalten wie "Ritzen" ist unter Jugendlichen sehr verbreitet. Den Betroffenen geht es dabei weniger um die Schmerzerfahrung selbst als um die damit verbundene Entlastung von negativen Emotionen, teilt die Universität Ulm mit.

"Soziale Medien spielen für den Alltag und das Selbstverständnis von Heranwachsenden eine essentielle Rolle. Daher ist es von großer Bedeutung zu wissen, wie psychische Störungsbilder in diesen stark emotionalen Medien kommuniziert werden", wird Professor Paul Plener, Leitender Oberarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, in der Mitteilung zitiert.

Wissenschaftler der Universität Ulm haben nun untersucht, wie Bilder solcher Selbstverletzungen in Sozialen Medien wie Instagram verbreitet und kommentiert werden (Psychological Medicine 2017; online 14. Juli).

32.000 Kommentare und Bilder analysiert

Für ihre Studie analysierten die Forscher 32.000 Bilder sowie alle Kommentare, die im April 2016 über die gebräuchlichsten deutschen Hashtags dieses kostenlosen Online-Dienstes zum Teilen von Fotos und Videos gepostet wurden.

Über ein aufwändiges mehrstufiges Codierungsverfahren haben die Wissenschaftler um Plener und dessen Mitarbeiterin Dr. Rebecca Brown nicht nur die Art und Schwere der gezeigten Verletzung erfasst, sondern auch Hinweise auf das Geschlecht und Alter der Instagram-Nutzer ausgewertet, die über hashtags wie #ritzen, #klinge oder #selbstverletzung Bilder von Selbstverletzungen auf Instagram verbreitet haben.

Kommentare, die sich auf diese Posts bezogen, wurden ebenfalls untersucht. Die Codierer achteten dabei darauf, ob die Texte Formulierungen enthielten, die mitfühlend, unterstützend oder schützend gemeint waren. Und auch Schmähungen und Beschimpfungen gingen in die Analyse mit ein.

"Die meisten Bilder zeigten leichte bis mittelschwere Wunden, die durch `Ritzen´ oder Schneiden verursacht wurden. Was die Kommentare angeht, waren diese zumeist mitfühlend oder unterstützend und nur in seltenen Fällen kam es zu Beschimpfungen oder Beleidigungen", resümiert Brown.

Den Wissenschaftlern – die bei ihrer Studie vom schottischen Wissenschaftler Robert Young sowie vom Programmierer David Goldwich und dem Datenjournalisten Martin Fischer unterstützt wurden – fiel nach der statistischen Auswertung zudem auf, dass die Kommentare bei schwereren Wunden deutlich häufiger waren.

Hochgeladen wurden die Bilder meist in den Abendstunden, viele davon auch an Sonntagen.

Nachahmungseffekte vorhanden?

Die Ulmer Forscher suchten zudem nach Hinweisen, die auf soziale Ansteckung schließen ließen. Im persönlichen Kontakt zwischen Jugendlichen, die selbstverletzendes Verhalten zeigen, spielen Nachahmungseffekte bekanntermaßen eine große Rolle. Die vorgelegte Studie konnte solche Effekte nicht direkt nachweisen.

Allerdings sehen die Wissenschaftler in dem Zusammenhang zwischen Verletzungsschwere und Nutzerreaktionen deutliche Hinweise auf soziale Verstärkungseffekte in Sozialen Medien.

"Für Jugendpsychiater und -psychotherapeuten ist die Frage, ob Soziale Medien solche Verhaltensweisen verstärken können oder ob sie auch präventives Potential haben, natürlich von größtem Interesse", betonen Plener und Brown.

Ihre eigene Studie allerdings hat erst einmal einen eher explorativen Charakter. Denn damit wurde erstmals für den deutschsprachigen Raum nachgewiesen, wie verbreitet Bilder von Nicht-Suizidalem Selbstverletzendem Verhalten (NSSV) auf Kanälen wie Instagram überhaupt sind.

Die Anbieter solcher Online-Bilder-Dienste sehen sich jedenfalls zunehmend in der Verantwortung, solche problematischen Darstellungen nicht zu befördern, heißt es in der Mitteilung.

Wer auf Instagram beispielsweise den hashtag #ritzen eingibt, wird in einem Pop-Up-Fenster erst einmal über spezielle Hilfsangebote informiert. Gefördert wurde die Studie der Ulmer Forscher von der VW-Stiftung. (eb)

Instagram-Fotos von Selbstverletzungen

» Die meisten Bilder zeigten leichte bis mittelschwere Wunden, die durch `Ritzen´ oder Schneiden verursacht wurden.

» Die Kommentare waren meist mitfühlend oder unterstützend, und nur in seltenen Fällen kam es zu Beschimpfungen oder Beleidigungen.

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