Cannabis und Psychoserisiko

Doktor THC und Mister Cannabidiol

Cannabis steht im Verdacht, Psychosen durch den Wirkstoff THC auszulösen. Die Pflanze enthält aber auch antipsychotische Substanzen. So senkt Cannabidiol offenbar das Risiko für psychotische Episoden, indem es die Hirnfunktion in kritischen Bereichen normalisiert.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Hirnanatomie: Bei Psychoserisiko ist im Striatum und Mesencephalon oft die Dopaminaktivität erhöht.

Hirnanatomie: Bei Psychoserisiko ist im Striatum und Mesencephalon oft die Dopaminaktivität erhöht.

© lom123 / Fotolia

LONDON. Die Entstehung von Psychosen ist noch immer nicht gut verstanden, auf funktioneller Ebene ist aber der mediale Temporallappen von gewisser Bedeutung, indem er die subkortikale Dopaminproduktion über Verbindungen ins Striatum und Mittelhirn steuert.

Personen mit hohem Psychoserisiko zeigen im Striatum und Mesencephalon häufig eine erhöhte Dopaminaktivität, zudem werden strukturelle Änderungen im Parahippocampus beobachtet, berichten Psychoseforscher um Dr. Sagnik Bhattacharyya vom King's College in London (JAMA Psychiatry 2018, online 29. August).

Der halluzinogene Cannabiswirkstoff Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) verstärkt die Dopamintransmission über weitverbreitete Cannabinoidrezeptoren. Dies könnte eine Erklärung sein, weshalb THC das Psychoserisiko erhöht. Der THC-Effekt lässt sich jedoch durch ein weiteres Cannabinoid aufheben: Cannabidiol (CBD) dämpft eher die Dopamintransmission. In Studien konnte eine Vorbehandlung mit CBD psychotische Symptome durch THC verhindern, so die Forscher.

Studie: Frühe Psychose-Prävention

In einer kleinen randomisiert-kontrollierten Studie haben die Wissenschaftler um Bhattacharyya die Wirkweise von CBD genauer untersucht. Nach ihren Resultaten kann der Cannabis-Wirkstoff die aberrante Aktivität im mittleren Temporallappen, Striatum und Mesencephalon bei Personen mit hohem Psychoserisiko teilweise wieder normalisieren. Damit wäre der Wirkstoff vielleicht zur Psychoseprävention geeignet.

An der Studie nahmen 33 Personen teil, die sich an einem Frühinterventionsprogramm zur Vermeidung von Psychosen beteiligten. Alle zeigten bereits psychotische Symptome, hatten aber noch keine klar diagnostizierbare psychotische Episode.

Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt: 16 erhielten eine Einmaldosis von 600 mg CBD, die übrigen Placebo. Anschließend durften alle im MRT einen Wort-Assoziations-Test absolvieren. Diesen Test absolvierten auch 19 gesunde Probanden ohne Medikamente. Die Forscher hatten sich für die "verbal paired associate learning task" (VPA) entschieden, weil diese besonders das Netzwerk zwischen medialem Temporallappen, Striatum und Mittelhirn fordert.

Test mit Wortpaaren

Studienergebnisse

Bei Personen mit hohem Psychoserisiko normalisiert Cannabidiol partiell die veränderte Aktivität im Parahippocampus, Striatum und Mittelhirn.

Der Wirkstoff Cannabidiol dämpft daher möglicherweise das Psychoserisiko.

Einschränkung: Kleine Studie, nur Querschnittsvergleiche.

Den Probanden wurden zunächst Wortpaare auf einem Bildschirm gezeigt. Sie sollten angeben, ob die Wörter zusammenpassen oder nicht (Lernphase). Später wurde nur ein Wort gezeigt, und sie mussten den fehlenden Begriff ergänzen (Wiedergabephase).

Verglichen die Forscher nun die Daten von Psychosegefährdeten mit Placebo sowie gesunden Kontrollpersonen, fanden sie Unterschiede in mehreren Hirnregionen, unter anderem in solchen, die für die Psychose-Entstehung relevant sind. So war die Aktivität unter Placebo im rechten Nucleus caudatus während der Lernphase reduziert, ebenso im Mittelhirn und Parahippocampus während der Wiedergabephase.

Psychosegefährdete mit CBD zeigten eine deutlich höhere Aktivität in diesen Bereichen als solche mit Placebo, allerdings erreichten sie nicht das Niveau der gesunden Kontrollpersonen.

Therapeutischer Effekt?

"CBD kann bei Personen mit erhöhtem Psychoserisiko veränderte Funktionen im Parahippocampus, Striatum und Mittelhirn partiell normalisieren", schlussfolgern Bhattacharyya und Mitarbeiter. Dies könnte den therapeutischen Effekt von CBD erklären. Wie sich dieser Effekt auswirkt, ist jedoch noch unklar. Auf die Gedächtnisleistung hatte CBD jedenfalls keinen Einfluss, in allen drei Gruppen schnitten die Probanden beim VPA ähnlich gut ab.

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