Bipolare Störung
Therapie mit Lithium hat viele Facetten
DRESDEN. Wie funktioniert Lithium bei Patienten mit bipolarer Störung, und welche Patienten profitieren am meisten von einer entsprechenden Behandlung? Diese und weitere Fragen untersuchten Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden in einer Studie (The Lancet 2016, 387 (10023): 1085-1093).
"Wir haben bei unseren Patienten immer wieder beobachtet, dass Lithium eines der wenigen Medikamente ist, das langfristig Suizidgedanken ausschalten kann. Es gibt kein anderes Medikament, das so ausgeprägt suizidale Gedanken und Handlungen vermindert", wird Professor Michael Bauer, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in einer Mitteilung der TU Dresden zitiert.
"Heute findet man kaum noch ein Medikament auf dem Arzneimittelmarkt, das über 60 Jahre hinweg noch verordnet wird, und trotzdem stellen wir immer noch weiter neue Wirkaspekte fest, die uns überraschen. Beispielsweise haben wir während der Analyse langjähriger Behandlungsdaten festgestellt, dass Lithium auch einen gewissen Schutz vor Gedächtnisverlust und Demenz aufweist. Im Laborversuch konnte ganz klar die neuroprotektive Wirkung von Lithium nachgewiesen werden", so Bauer.
"Wenn Patienten Lithium über zehn oder zwanzig Jahre einnehmen, dann sinkt auch die Demenzrate." All das waren Gründe, die dafür sprachen, Lithium noch genauer unter die Lupe zu nehmen.Bereits 2008 hat sich ein internationales Forscherkonsortium in Dresden getroffen, um ganz detailliert Patientendaten zu erfassen und diese auszuwerten. Professor Bauer, der vor acht Jahren unter anderem die Initiative gestartet hat, hegt große Erwartungen, dass die über 3.000 Datensätze einen neuen Einblick in die Wirkmechanismen von Lithium geben, die bislang noch nicht umfassend erforscht sind.
Lithium löst unter anderem eine Reihe von intrazellulären Effekten aus. So erhöht das Salz auch die Serotoninausschüttung. Ein möglicher Grund, weshalb es in der Therapie so wirksam einsetzbar ist. Viele Patienten, die eine lange schwere Manie oder bipolare Erkrankung durchlebt haben, gelten mit der Einnahme des Medikaments als geheilt.
"Wir unterscheiden in drei Gruppen: exzellente Lithiumresponder, Patienten, bei denen das Medikament weniger deutlich und solche, bei denen es gar nicht anschlägt. Interessant dabei ist, dass sich ähnlich der bipolaren Erkrankung auch das Ansprechverhalten auf das Medikament vererbt", erläuterte Bauer.
An der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus läuft zu diesem Forschungsschwerpunkt gerade eine vom Dresdner Forscherteam initiierte große mehrzentrische bundesweite Studie, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dabei bietet sich die Chance, den sofortigen Effekt von Lithium auf Suizidgedanken bei Depressionen nachzuweisen, etwas, was bisher noch für kein einziges Medikament belegt werden konnte. (eb)