Restless-Legs-Syndrom

RLS durch Hypoxie in den Beinen?

Offenbar hat die RLS-Pathologie auch eine periphere Komponente: Forscher haben bei Patienten jetzt Sauerstoffmangel in den Mikrogefäßen der Beine festgestellt. Je schwerer das RLS, umso stärker ist die Hypoxie.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Ein RLS kann quälend sein und den Schlaf stören.

Ein RLS kann quälend sein und den Schlaf stören.

© MARIOS07 / istockphoto.com

TAMPERE/FINNLAND. Die Idee liegt nahe: Wenn es in den Beinen brennt und kribbelt, könnte das irgendwas mit den Beinen zu tun haben. Kein Wunder, dass schon der Pionier der RLS-Forschung, der schwedische Neurologe Karl-Axel Ekström, Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine gestörte Blutzirkulation in den unteren Extremitäten als Ursache vermutet hat.

Diese Hypothese geriet allerdings schnell in Vergessenheit, als Ärzte die gute Wirksamkeit von dopaminergen Arzneien bei RLS entdeckten und zahlreiche Hinweise auf einen gestörten Eisen- und Dopaminstoffwechsel im Gehirn der Betroffenen fanden.

RLS ist wohl doch eher eine reine Angelegenheit des Gehirns, glaubte man bisher, wenngleich der Pathomechanismus verborgen blieb.

Eine finnische Studie könnte daran nun etwas ändern. Forscher um Dr. Aaro Salminen von der Universität in Tampere haben herausgefunden, dass bei RLS tatsächlich etwas mit der Zirkulation in den Beinen nicht stimmt (Neurology 2014; 82(21): 1856-1861).

Sie sind Hinweisen nachgegangen, nach denen der intramuskuläre Blutfluss im Unterschenkel von RLS-Patienten erniedrigt ist und es bei RLS zu einer Endothelproliferation im vorderen Schienbeinmuskel kommt. Beides deutet auf eine Hypoxie und eine reduzierte mikrovaskuläre Zirkulation. Diese wollten die Forscher nun nachweisen.

Dazu bestimmten sie bei 15 RLS-Patienten die Oxyhämoglobin-Sättigung an den Zehen und transkutan den Sauerstoff- sowie den Kohlendioxid-Partialdruck in der Haut von Sohle und Hals.

Die Patienten mussten sich dazu eine Stunde lang in halbsitzender Position ausruhen und die Beine nicht willkürlich bewegen und auch sonst nichts tun, was sie ablenken konnte. Dabei wurden sie regelmäßig nach der Ausprägung ihrer RLS-Symptome gefragt, die sie auf einer Skala von 0 (symptomfrei) bis 10 (schwer) angeben sollten.

Zwei Wochen vor dem Test wurden die dopaminergen Medikamente abgesetzt, eine weitere Messung erfolgte nach Wiederaufnahme der RLS-Medikation. Zur Kontrolle untersuchten die Ärzte auch 14 gleichaltrige Personen ohne RLS.

Wie sich herausstellte, zeigten die RLS-Patienten ohne Medikation bei der Messung einen deutlich niedrigeren O2-Partialdruck im Fuß als die Kontrollgruppe (5,5 vs. 7,2 kPa).

Alle anderen Parameter waren ähnlich: Beim CO2-Druck in Fuß und Hals sowie beim O2-Druck im Hals gab es keine signifikanten Unterschiede, auch die Sauerstoffsättigung in den Zehen war vergleichbar.

Mit Medikation stieg der O2-Partialdruck im Fuß signifikant um 1,1 kPa, blieb aber unter dem Wert der Gesunden, zugleich gingen die RLS-Symptome zurück (von 4,2 auf 1,6 Punkte auf der 10-Punkte-Skala). Andere Parameter als der O2-Partialdruck im Fuß waren nach Aufnahme der dopaminergen Medikation nicht signifikant verändert.

Rein mikrovaskuläres Phänomen?

Interessant war zudem, dass bei denjenigen Patienten mit den schwersten RLS-Symptomen der O2-Partialdruck im Fuß am geringsten und die Differenz zwischen O2-Partialdruck in Fuß und Hals am größten war - die Ausprägung des RLS war vor Studienbeginn anhand einer internationalen RLS-Skala erfasst worden.

Es scheint folglich eine direkte Beziehung zwischen peripherem O2-Partialdruck und den RLS-Symptomen zu geben. Eine ähnliche Beziehung fanden die Forscher auch zwischen CO2-Partialdruck im Fuß und dem Wert auf der RLS-Skala: Ein hoher CO2-Partialdruck ging hier mit einem hohen Wert auf der Skala einher.

Wie lassen sich nun diese Daten verstehen: Offenbar, so die Studienautoren, kommt es bei RLS zu einer peripheren Hypoxie, die mit dem Ausmaß der Beschwerden korreliert. Sie vermuten, dass die Hypoxie an der Pathophysiologie beteiligt ist, vor allem an den Missempfindungen in den Beinen.

Da die Sauerstoffsättigung in den Zehen unverändert war, lasse sich ein verminderter O2-Partialdruck in den großen Gefäßen ausschließen, es scheint sich also um ein rein mikrovaskuläres Phänomen zu handeln.

Die Linderung der Symptome durch Dopaminergika überrascht die Forscher um Salminen nicht besonders: Dopamin ist ein potenter arterieller Vasodilatator, der den Blutfluss im subkutanen Fettgewebe und in der peripheren Muskulatur verstärkt. Gut möglich also, dass Dopaminergika bei RLS nicht oder zumindest nicht nur zentral wirken.

Unklar bleibt jedoch, ob der gestörte mikrovaskuläre Blutfluss eine Ursache oder eher eine Folge des RLS ist. Möglich wäre, dass die Hypoxie die peripheren Nervenfasern reizt und zu den lästigen Symptomen führt.

Auch Probleme mit dem Eisenstoffwechsel, wie sie bei RLS beobachtet werden, könnten ein Auslöser sein. Zu wenig Eisen im peripheren Gewebe vermindert möglicherweise den Sauerstofftransport. Letztlich könnte auch ein gestörter Signalweg über Stickstoffmonoxid (NO) zur Hypoxie führen. NO entspannt die Gefäße.

Dieser Aspekt ist sehr interessant, immerhin gibt es inzwischen viele Substanzen zur Erhöhung der NO-Konzentration in der Peripherie. Einige werden seit Jahren sehr erfolgreich bei einem Problem eingesetzt, dessen Ursache man lange Zeit ebenfalls primär im Gehirn vermutet hat: der erektilen Dysfunktion.

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