Hilfe für kranke Helfer - ein einzigartiges Therapiekonzept wird 25 Jahre alt
Sucht, Burnout, Depressionen - Ärzte mit solchen Problemen erhalten in den Oberbergkliniken diskrete Hilfe. Bereits 1500 Ärzte wurden dort behandelt, die meisten fanden ihren Weg zurück in den Beruf.
Veröffentlicht:Als der Neurologe Professor Matthias Gottschaldt vor 25 Jahren die erste Oberbergklinik gründete, war das speziell auf Leistungsträger zugeschnittene Therapiekonzept einzigartig in Deutschland. Gottschaldt ging es zunächst vor allem um Suchtkranke. Dazu zählen etwa acht Prozent der Ärzte in Deutschland - das sind deutlich mehr als die geschätzten zweieinhalb Prozent in der übrigen Bevölkerung. Die meisten von ihnen sind Alkoholiker. Gefährdet seien offenbar vor allem Ärzte, die alleinverantwortlich arbeiten wie Hausärzte in ländlichen Gebieten, Chirurgen oder Anästhesisten, so Gottschaldt in einem früheren Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Der Klinikgründer, der 1998 bei einem Flugzeugabsturz starb, kannte die Probleme aus eigener Erfahrung. Der Neurologe war schon jung Chefarzt geworden. Er erkrankte an einem Burnout-Syndrom und bekämpfte seine Probleme mit Alkohol. Als er 43 Jahre alt war, ließ er sich pensionieren und ging in eine Suchtklinik. "Noch in der stationären Therapie habe ich aufgeschrieben, wie es besser gemacht werden müsste." Gottschaldt entwickelte sein Therapiekonzept, kurz nach der Entwöhnung war er Chefarzt der ersten Oberbergklinik.
"Sucht ist ein emotionales Phänomen, Süchtige müssen daher emotional behandelt werden", sagte Gottschaldt. Gearbeitet wird in den Kliniken nach einem ganzheitlichen Ansatz. Dazu gehören intensive Psychotherapie, somatische Behandlung, Ernährungsmedizin und Verfahren, die die Selbstwahrnehmung verstärken, wie Entspannung, Meditation und Yoga. Seine Frau Dr. Edda Gottschaldt, die heute die Kliniken leitet, legt auch großen Wert auf Lebensfreude und Ästhetik. Die drei Oberbergkliniken liegen alle in landschaftlich schönen Gegenden und haben eine exzellente Küche. "Die Patienten sollen lernen, wieder zu genießen", so die Ärztin und Psychotherapeutin zur "Ärzte Zeitung".
Die Therapie nach dem Oberbergmodell ist intensiv (bis zu sieben Stunden am Tag), individuell (der Arzt-Patientenschlüssel liegt bei einem Arzt auf zwei Patienten) und kurz: Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt sechs bis acht Wochen. Wer will, kann anonym bleiben.
Ein Therapeut betreut nur zwei Patienten.
Ärzte seien auch als Patienten sehr leistungsbereit, so Edda Gottschaldt. Das sei ein großer Vorteil, deshalb sei es möglich, die Therapie so intensiv und kurz zu halten. Bisher sind über 1500 Ärzte in den Oberbergkliniken behandelt worden, nicht nur wegen Abhängigkeit, sondern auch wegen Burnout, Angst oder Depression. In der Regel können die meisten behandelten Ärzte nach dem stationären Aufenthalt zurück in den Beruf. Ein bundesweites Netzwerk, das schon Matthias Gottschaldt aufgebaut hat, bietet bei Rückfällen schnelle Hilfe. Seit Anfang der 90er Jahre arbeiten die Kliniken auch mit den Ärztekammern zusammen. Die Bundesärztekammer empfiehlt das Modell direkt.
Der Andrang sei derzeit sehr groß, so Edda Gottschaldt. Nicht immer gibt es gleich einen Platz in den drei Kliniken. Deshalb sind in Berlin und München Ambulanzen mit dem Namen "Oberberg City" eingerichtet worden. Dort wird eine Vor- und Nachbehandlung angeboten - eine Art zwischenstationäres Konzept.
Außerdem hat Edda Gottschaldt 1998 die "Deutsche Suchtstiftung Matthias Gottschaldt" gegründet. Die Stiftung hat den Auftrag, die Entstigmatisierung von Suchterkrankungen voranzutreiben. Sie wird jetzt zum Jubiläum in "Oberberg-Stiftung Matthias Gottschaldt" umbenannt und soll sich nicht mehr nur auf Sucht fokussieren. "Denn Depression, Erschöpfung und Abhängigkeit haben ähnliche Wurzeln: Man geht über seine Gefühle hinweg", so Edda Gottschaldt. "Veränderungen von außen können nur aufgefangen werden, wenn man innerlich stabil und klar ist." Das ist auch das Hauptziel des Oberbergmodells: die innere Klarheit wieder zu erlangen.
Infos zu den Oberbergkliniken
Ärzte mit Suchtkrankheiten, Burnout oder Depressionen können sich in drei Oberbergkliniken behandeln lassen - in Hornberg im Schwarzwald, in Extertal-Laßbruch im Weserbergland und in Wendisch Rietz in Berlin-Brandenburg. Jede Klinik verfügt über 60 Einzelzimmer. Durchschnittlich arbeiten 25 Ärzte für 50 Patienten. Es handelt sich um Akutkliniken, Aufnahmen sind jederzeit möglich.
Beratung zum Klinikaufenthalt:
08 00 / 3 22 23 22 (gebührenfrei), www.oberbergkliniken.de