Barmer schlägt Alarm
Im Norden blicken viele zu tief ins Glas
Viele Erwerbstätige in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern trinken zuviel Alkohol. Die Kassen setzen bei der Prävention auch auf Unternehmen - und fordern Ärzte auf, genauer hinzusehen.
Veröffentlicht:KIEL (di). Der Norden führt beim Alkoholkonsum. Die Barmer GEK appelliert auch an Ärzte, genauer hinzuschauen.
Weil Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erst ab dem dritten Tag ausgestellt werden müssen, können Alkoholprobleme mitunter auch beim Arztbesuch leicht vertuscht werden.
Zusammen mit den Landesstellen für Suchtfragen appellierte die Kasse im Norden jetzt an Unternehmen, Ärzte und das soziale Umfeld, auf Auffälligkeiten zu achten.
Für Ärzte würde Dr. Regina Kostrzewa (Landesstelle für Suchtfragen Schleswig-Holstein) mehr Fortbildungen zum Thema Alkoholsucht begrüßen. Von den Unternehmen wünscht sich Ulrike Wortmann, Landesgeschäftsstellenleiterin der Barmer GEK, genauer hinzuschauen.
Dies gelte für Führungskräfte und Kollegen und habe nichts mit "Anschwärzen" zu tun. Denn: "Je eher Auffälligkeiten bei Mitarbeitern wahrgenommen werden, desto besser können Maßnahmen zur Prävention angeboten werden", betonte Wortmann.
"Mit ansteigender Bildung nimmt Betroffenenrate ab"
Zahlen aus dem Gesundheitsreport der Barmer GEK weisen besonders für die Stadtstaaten, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein einen zu hohen Alkoholkonsum der Erwerbstätigen aus.
"Entgegen dem Bundestrend haben wir bei den Alkoholklienten in Mecklenburg-Vorpommern nicht mit einer Entspannung zu rechnen. Im vergangenen Jahr wurden in den Suchtberatungsstellen 26 Prozent mehr Menschen beraten, als im Jahr 2002", berichtet Claudia Diekneite, Geschäftsführerin der Landesstelle für Suchtfragen Mecklenburg-Vorpommern (LSMV).
Auswertungen von Fehlzeiten und Diagnosen aus der ambulanten und stationären Versorgung für das Jahr 2011 zeigen auch, dass Männer doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen.
Zwei Altersgruppen sind besonders gefährdet: die 15 bis 20-Jährigen trinken sich häufig in akute Rauschzustände bis hin zur Alkoholvergiftung, 50 bis 59 Jahre alte Männer sind überdurchschnittlich oft abhängig.
Auch die Bildung spielt eine wichtige Rolle: "Mit ansteigender Schulbildung nimmt die Betroffenenrate ab", sagte Wortmann.
Der volkswirtschaftliche Schaden des Alkoholmissbrauchs ist enorm: rund 27 Milliarden Euro.
"Über die Fehlzeitenproblematik hinaus zeigen Studien, dass der Produktivitätsverlust durch den Präsentismus doppelt so hoch ist wie der des Absentismus", sagte Kostrzewa.