E-Zigaretten

Viel Beachtung, aber wenig Daten

E-Zigaretten helfen bei der Tabakentwöhnung, verführen Kinder und Jugendliche zum Rauchen und sind mal mehr, mal weniger gefährlich als herkömmliche Zigaretten. Die Meinungen gehen weit auseinander – wie sehen die Fakten aus?

Marco MrusekVon Marco Mrusek Veröffentlicht:
Viel Beachtung, aber wenig Daten

© Futografie - Fotolia

Seit der Markteinführung 2007 wird das Thema Gesundheitsverträglichkeit von E-Zigaretten kontrovers diskutiert. Befürworter der elektronischen Inhalationsprodukte sehen eine pauschale Verurteilung und verweisen auf ihr Potenzial als Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung sowie als weniger gesundheitsschädliche Alternative zur herkömmlichen Zigarette.

Kritiker hingegen warnen vor den noch weitgehend unerforschten Langzeitfolgen für die Gesundheit und befürchten eine Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch die elektronischen Geräte. Es scheint also ebensoviele Argumente zu geben wie angebotene Geschmacksrichtungen. Welche davon lassen sich empirisch belegen?

» Als Hilfsmittel zum Rauchausstieg eignet sich die E-Zigarette nur begrenzt. Die 2015 veröffentlichte deutsche interdisziplinäre S3-Leitlinie zur Behandlung des schädlichen und abhängigen Tabakkonsums (AWMF Leitlinien-Registernummer 076-006) spricht sich aufgrund der unzureichenden Datenlage gegen das Anbieten der E-Zigarette bei der Tabakentwöhnung aus.

Außerdem bleiben Raucher, die die Entwöhnung mithilfe der E-Zigarette versuchen, mit 19 Prozent signifikant seltener tabakabstinent als Nutzer von Nikotinersatztherapien (36 Prozent) oder Raucher, die ohne Hilfsmittel aufhören (40 Prozent). Diese Zahlen präsentierte der Münchener Diplom-Psychologe Dr. Christoph Kröger in Frankfurt am Main bei einer Fachtagung. "Ich kann von E-Zigaretten zur Rauch-Entwöhnung nur deutlich abraten!", so sein Resümee.

» Die E-Zigarette eignet sich also nicht für den Rauchausstieg, dafür aber, so scheint es, als weniger gesundheitsschädliche Alternative für diejenigen Raucher, die nicht aufhören können oder wollen. Diese Ansicht, "Harm Reduction" genannt, vertritt der britische Ärzteverband "Royal College of Physicians" (RCP) in einer Stellungnahme zum Nutzen von E-Zigaretten aus Public-Health-Sicht auf seiner Webseite.

Dem RCP zufolge bringt eine E-Zigarette aufgrund der anderen Funktionsweise nur ein Zwanzigstel der Gesundheitsgefährdung einer herkömmlichen Zigarette. Zwar räumt der Verband ein, die Langzeitfolgen für die Gesundheit ließen sich noch nicht abschätzen.

Doch durch den technischen Fortschritt würden E-Zigaretten in Zukunft gesundheitsverträglicher werden. Deshalb und auch, weil Ersatztherapien momentan in der Bevölkerung schlicht zu unattraktiv seien, sei es nötig, E-Zigaretten als weniger schädliche Alternative zum Rauchen zu positionieren, so das RCP.

Studie: Dampfer haben häufiger Bronchitis

» Wie sieht es mit den Langzeitfolgen aus? Die Datenlage dazu ist dürftig. Verlässliche Langzeit-Ergebnisse fehlen bisher, zumindest zur Wirkung auf die Lunge aber haben Forscher der University of Southern California in Los Angeles Daten veröffentlicht. Diese sieht eine erhöhte Gesundheitsgefährdung von Konsumenten der E-Zigarette in Form von chronischer Bronchitis verglichen mit Nichtdampfern, auch unter Berücksichtigung von vorherigem Rauchen von Tabak.

Die Forscher hatten 2086 kalifornische Schüler der elften und zwölften Klassen zu ihren Erfahrungen mit E-Zigaretten und Bronchitissymptomen befragt (Am J Respir Crit Care Med 2016, online 16. November). Im Ergebnis stellten sie fest, dass früherer oder gegenwärtiger Konsum einer E-Zigarette häufiger mit den Symptomen einer chronischen Bronchitis im Zusammenhang steht als diese bei Nichtdampfern auftreten.

Frühere Konsumenten hatten ein 1,85-fach und gegenwärtige Konsumenten ein 2,02-fach höheres Risiko im Vergleich zu Nichtdampfern, an einer chronischen Bronchitis zu erkranken.

Die Berücksichtigung soziodemografischer Charakteristika änderte nichts an der Belastbarkeit der Ergebnisse. Wurde berücksichtigt, ob der Proband vorher geraucht hatte, blieb der Zusammenhang bei früheren Dampfern statistisch signifikant, nicht jedoch bei den gegenwärtigen.

Dies könnte daran liegen, dass Konsumenten, die Atembeschwerden entwickelten, das Dampfen einstellten und so zur Gruppe der früheren Konsumenten gezählt wurden, vermuten die Forscher. Es könnte auch an der dünnen Evidenz und etwaiger methodischer Schwächen vieler Studien zu dem Thema liegen. Ergo: Abwarten heißt die Devise.

» Wie steht es nun um den letzten Punkt, die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen, über das Dampfen zum Rauchen zu gelangen, die sogenannte Gateway-Hypothese? Für jugendliche Dampfer gilt das Gleiche wie für erwachsene: Nur wenige dampfen, ohne vorher geraucht zu haben. Die Autoren einer Studie mit 3320 erwachsenen Teilnehmern fragten nach dem Weg von Nutzern zur E-Zigarette. Ergebnis: 91 Prozent sind frühere Raucher, acht Prozent rauchen und dampfen gleichermaßen, und ein Prozent sind ehemalige Nichtraucher.

Ähnlich sieht es bei jugendlichen Dampfern aus. Zwar ist mit 54,4 bis 93,1 Prozent "Neugier" das häufigste Ergebnis einer Metaanalyse, warum Jugendliche mit dem Dampfkonsum anfangen. An zweiter Stelle mit 43,8 Prozent: die Möglichkeit, den Liquids Aromastoffe hinzuzufügen. Auch das eine Neuerung also, die zum Ausprobieren einlädt. Von "Gefährdung" kann auf dieser Grundlage allerdings keine Rede sein, denn man sollte "Ausprobieren" nicht mit "Konsumieren" gleichsetzen.

Zwar liegt der Bekanntheitsgrad der E-Zigarette mit 91,5 Prozent unter den 12- bis 17-Jährigen und 97,5 Prozent unter den 18- bis 25-Jährigen tatsächlich sehr hoch, doch werden die Zahlen sehr schnell kleiner, fragt man danach, wann das Gerät zum letzten Mal benutzt wurde: 12,1 Prozent der 12- bis 17-Jährigen und 20,7 Prozent der 18- bis 25-Jährigen gaben an, eine E-Zigarette überhaupt schon ausprobiert zu haben. Aber in den letzten 30 Tagen hatten nur 2,4 Prozent (12 bis 17 Jahre) und 3 Prozent (18 bis 25 Jahre) gedampft.

Vergleicht man diese Zahlen mit den neuesten verfügbaren Werten des Statistischen Bundesamtes zum Rauchen in Deutschland, nimmt die E-Zigarette keine Spitzenposition ein. Ingesamt 13,6 Prozent der 15- bis 20-Jährigen und 30,6 Prozent der 20- bis 25-Jährigen rauchen demnach täglich oder gelegentlich. Im Fazit: Herkömmliches Nikotin verführt mehr Jugendliche als verdampftes.

91% der E-Zigaretten-Konsumenten sind frühere Raucher, fanden die Autoren einer Studie mit 3320 Teilnehmern heraus.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Sargnagel im Mundwinkel

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kommentar zur E-Zigarette als Entwöhnungsmittel

Nein, mit Dampfen kommt man nicht vom Rauchen los

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025