Migräne
So können sogar Placebos wirken
Gerade bei Schmerzpatienten kommt es darauf an, wie Ärzte die Therapie verpacken: Eine Studie zeigt jetzt, dass positive Formulierungen Placebos zu ungeahnter Stärke verhelfen können.
Veröffentlicht:MAINZ. Gerade bei Schmerzpatienten kommt es darauf an, wie Ärzte die Therapie verpacken: Glauben sie selbst daran oder zweifeln sie am Erfolg?
Falls ja, sollten sie es ihre Patienten nicht spüren lassen, sonst tritt der Misserfolg mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst bei der besten Medikation ein.
Auf der Fortbildungsveranstaltung Neuro Update in Mainz riet der Schmerzexperte Professor Arne May Ärzten, den ausgeprägten Placebo-Effekt bei einer Schmerztherapie zu nutzen, indem sie sich positiv über die Behandlung äußern und negative Aussagen zur Wirksamkeit unterlassen.
Medikation falsch markiert
"Worte sind Taten", sagte der Neurologe vom Klinikum Hamburg-Eppendorf und verwiese auf eine aktuelle Studie, in welcher der Placebo- und Nocebo-Effekt bei einer Migränetherapie erneut belegt werden konnte.
66 Patienten mit wiederkehrenden Migräneattacken nahmen daran teil (Sci Transl Med 2014; 6(218):218ra5).
Die Patienten sollten zunächst bei einer Migräneattacke nichts einnehmen und dann 30 Minuten sowie zwei Stunden später die Schmerzintensität anhand einer numerischen Skala (0-10 Punkte) festhalten.
Im Schnitt nahm die Schmerzstärke in dieser Zeit um etwa 15 Prozent zu. Für sechs weitere Attacken erhielten sie die Studienmedikation und mussten dabei die Beurteilung in gleicher Weise vornehmen.
Die Patienten bekamen drei verschiedene Umschläge markiert mit "Placebo", mit "Placebo oder Maxalt", und mit "Maxalt".
Die Umschläge enthielten aber das Gleiche: je eine Pille mit Placebo und eine mit 10 mg Rizatriptan.
Zusätzlich bekamen die Patienten eine Notfallmedikation (Rizatriptan plus Naproxen), die sie nach zweieinhalb Stunden einnehmen sollten, falls die Studienmedikation nicht ausreichend half.
Gelobtes Placebo so gut wie geschmähtes Verum
Wie erwartet, zeigten sich sowohl ein ausgeprägter Placebo- und Nocebo-Effekt, als auch die gute Wirksamkeit von Rizatriptan.
Nahmen die Patienten tatsächlich Rizatriptan, so gingen die Schmerzwerte im Schnitt um knapp 48 Prozent zurück, nur 21 Prozent waren es mit Placebo.
Doch auch das Etikett hatte einen großen Einfluss: Stand "Placebo" drauf, gingen die Schmerzen nur um 26 Prozent zurück, mit dem Label "Maxalt" hingegen um 40 Prozent - obwohl sich die Medikation in den Umschlägen nicht unterschied.
Wenn sich die Patienten nicht sicher sein konnten, wenn also "Placebo oder Maxalt" auf dem Umschlag stand, lag die Schmerzreduktion im Schnitt ebenfalls bei 40 Prozent - die Hoffnung wirkte folglich ebenso gut wie die scheinbare Gewissheit.
Am stärksten gingen die Schmerzen zurück, wenn die Patienten Rizatriptan aus Umschlägen mit "Maxalt" sowie "Maxalt oder Placebo" nahmen (minus 55 Prozent).
Zogen die Patienten hingegen Rizatriptan aus einem "Placebo"-Umschlag, war nur noch eine Schmerzreduktion um 36 Prozent zu verzeichnen.
Diese war damit nicht signifikant besser, als bei Placebo aus einem "Maxalt"-Umschlag (minus 25 Prozent).
Der Nocebo-Effekt durch die falsche Bezeichnung hob die Wirkung von Rizatriptan zwar nicht komplett auf, allerdings war das Migränemittel damit nicht wesentlich besser als ein vom Arzt als wirksam gepriesenes Placebo.
Placebo lindert die Schmerzen
Sehr erstaunlich fand May auch die Beobachtung, wonach selbst ein Placebo, das richtig als solches markiert war, die Schmerzen noch um knapp 15 Prozent linderte, wohingegen die Beschwerden ohne jegliche Therapie um 15 Prozent zunahmen.
"Wenn ein Patient einverstanden ist, behandelt zu werden, kann er offenbar kaum glauben, dass die Handlung des Arztes absichtlich wirkungslos sein wird", so May.
Ein Teil der Patienten hat den Ärzten wohl nicht abgenommen, dass sie ihnen wirklich Placebo geben.
Diese positive Erwartungshaltung, die Teil des Placebo-Effekts ist, sollten Ärzte ebenfalls nutzen.
"Achten Sie auf den Placebo-Effekt, er ist wichtig und wir brauchen ihn dringend", sagte May.