Leitartikel zum DGU-Kongress
Urologen gehen in die Offensive
Gleich mehrere Reizthemen werden beim Urologenkongress 25. bis 28. September in Dresden diskutiert: Das Spektrum reicht vom PSA-Screening bis zum Organspende-Skandal und zur Zirkumzision. Die Fachärzte wollen die öffentliche Diskussion versachlichen.
Veröffentlicht:Oh Prostata - du gibst uns Arbeit, gibst uns Brot. Du bist der Retter in der Not!", sang einst "The Mannheim Uroband".
Wir erinnern uns: rockende Urologen im OP-Outfit brachten mit Titeln wie "Hodentorsion" oder "Wasser marsch" dem Publikum Themen "unten rum" mit ironischer Note näher. Doch mit Ironie ist jetzt Schluss.
Will man auf dem Feld der Medizin Aufmerksamkeit gewinnen und etwas erreichen, dann reichen Humor und sachliche Argumentation nicht aus. Man muss lernen, zu agieren wie ein Politiker.
Na ja, vielleicht nicht unbedingt wie Peer Steinbrück - obwohl dessen Stinkefinger ein super Cover für die Einladung zum Öffentlichkeitsforum beim Urologenkongress in Dresden abgegeben hätte.
Dort soll es ums Prostatakarzinom-Screening und andere Reizthemen gehen. Und für britisch anmutenden Humor ist dabei kein Platz! Regel Nummer eins für Politiker, die etwas durchsetzen wollen: Gezielt dieÖffentlichkeit suchen und die Meinungsführerschaft übernehmen.
Man hat sich viel vorgenommen
"Agieren, nicht reagieren!", hat sich deshalb wohl auch Professor Michael Stöckle, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) gesagt.
Er und die DGU trommeln seit Wochen, um vor allem Vertreter überregionaler Publikumsmedien in ihre beiden Öffentlichkeitsforen beim DGU-Kongress vom 25. bis 28. September 2013 zu bekommen.
PSA-Test, rituelle Zirkumzision, Genitalrekonstruktion, Organspendeskandal, Nierenlebendspenden - man hat sich viel vorgenommen für einmal 90 und einmal 105 Minuten, in denen Stöckle und seine Mitstreiter offensichtlich in die Offensive gehen wollen.
"Wir Urologen kommen ja gar nicht so selten in den Publikumsmedien vor, leider mit negativen Schlagzeilen", gestand Stöckle kürzlich der "Ärzte Zeitung".
Das soll sich nun ändern. Die DGU hoffe auf ein breites Medienecho nach den Öffentlichkeitsforen, um medizinisch fundierte Informationen zu aktuellen gesellschaftlichen Kontroversen in die Öffentlichkeit zu transportieren, sagt DGU-Pressesprecherin Professor Sabine Kliesch.
Die "seit Jahren hitzige öffentliche Debatte" um den PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs solle versachlicht, die "aufgeheizte Situation" beruhigt werden, heißt es. Da darf man gespannt sein.
Nichts dem Zufall überlassen
Denn eingeladen ist zum Beispiel Dr. Klaus Koch, der in der Vergangenheit mit seinen Ansichten nicht nur zum PSA-Screening, sondern bei Gynäkologen auch zum Mammakarzinom-Screening durchaus für Emotionen sorgen konnte. Koch ist heute am Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beschäftigt.
Er wird Stehvermögen beweisen müssen in der Runde mit Spitzenvertretern des urologischen Fachs aus Deutschland und der Schweiz sowie einem Vertreter des Bundesverbands Prostatakrebs Selbsthilfe. Da überlassen die Organisatoren lieber nichts dem Zufall.
Die Kompromisslinie wird - ganz professionell - bereits angedeutet: "risikoadaptiertes PSA-Screening", "aktive Beobachtung" lauten die Stichworte, die via Pressemitteilung bereits kolportiert und als "innovative Ansätze" zur Reduktion von Überdiagnostik und Übertherapie angepriesen werden.
Aufregend zu werden versprechen auch die Diskussionen zu anderen Themen : Zur rituellen Zirkumzision referiert mit Dr. Antje Deusel eine Urologin jüdischen Glaubens, die zugleich Rabbinerin ist. Die sinkende Bereitschaft zur Organspende zu stoppen, hat sich DGU-Generalsekretär Professor Oliver Hakenberg vorgenommen.
Und wie sich Genitalrekonstruktion und Genitalverstümmelung bei Intersexualität unterscheiden, berichtet Professor Susanne Krege aus Krefeld, die sich bei Einladungen zu ähnlichen Veranstaltungen auch schon als "Genitalabschneiderin" beschimpfen lassen musste.
Sachliche Diskussionen in der Öffentlichkeit anregen
Man kann nur hoffen, dass die Kongressorganisatoren es mit den beiden Veranstaltungen tatsächlich schaffen, sachliche Diskussionen in der Öffentlichkeit anzuregen und nicht Geister gerufen haben, die schwer wieder los zu werden sind.
Radau wird es in den Hallen der Dresdner Messe wohl nicht geben, denn "Öffentlichkeitsforum" heißt nicht, dass jedermann hinein darf. Für Öffentlichkeit sollen lediglich die eingeladenen Medien sorgen, das Publikum ist wohl sortiert.
Ein wenig Etikettenschwindel ist das schon. Und bei allem Bemühen um Steuerung der öffentlichen Meinung hat schon mancher Politiker leidvoll erfahren müssen, dass dies sprichwörtlich "in die Hose" gehen kann.
"Autsch!", wäre dann der passende Titel der "Mannheim Uroband". Richtig ist das Bemühen um Öffentlichkeit dennoch allemal.