Hintergrund
Das Problem Bettnässen löst sich nur selten von selbst
Wer ein Kind im Vorschulalter hat, das noch nachts ins Bett nässt, sollte dringend etwas dagegen unternehmen. Bei der Behandlung von Enuresis gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Veröffentlicht:Auch wenn die spontane Remissionsrate bei Vorschulkindern mit Enuresis bei 15 Prozent pro Jahr liege, sei es nicht gerechtfertigt einfach abzuwarten in der Meinung, das Kind werde schon irgendwann trocken, meint der Kinderurologe Univ.-Dozent Dr. Marcus Riccabona aus Linz, Österreich.
"Zum Schuleintritt sollte ein Kind trocken sein", so Riccabona in einem Beitrag für die Zeitschrift "Der Urologe" (2010, 49: 861).
Denn bei nicht oder zu spät behandelten Kindern ist oft ein reduziertes Selbstwertgefühl zu beobachten sowie ein verändertes soziales Verhalten.
Miktions-Protokoll ist wichtig für die Diagnostik
Keine Enuresis-Therapie ohne Basisdiagnostik. Wegweisend für die Therapieentscheidung ist vor allem das Miktions-Trink-Stuhl-Protokoll. Es wird über mindestens 48 Stunden geführt, bei Schulkindern über das Wochenende. Hinzu kommen Untersuchungen zum Ausschluss organischer, neurologischer oder psychischer Störungen.
Für den Erfolg der Behandlung ist die positive Motivation des Kindes entscheidend. Daher besteht der erste therapeutische Schritt darin, motivierend zu beraten, aufzuklären über die Häufigkeit der Enuresis sowie Tabus und Schuldgefühle abzubauen.
Belohnungen für richtiges Miktions- und Trinkverhalten sowie besonders für trockene Nächte fördern die Mitarbeit.
Entscheidend dafür und für die Therapiesteuerung ist das Trink- und Miktionstagebuch. An allgemeinen Verhaltensmaßnahmen wird empfohlen, die Haupttrinkmenge zwischen dem Morgen und dem mittleren Nachmittag zu sich zu nehmen.
Trinkflaschen den Kindern mitgeben
Damit die Kinder tagsüber das Trinken nicht vergessen, sollten sie stets Trinkflaschen mitführen. Die Blase soll alle zwei bis drei Stunden entleert werden. Etwa zwei Stunden vor dem Zubettgehen wird dann allenfalls noch wenig getrunken.
Bei auffälliger Tagessymptomatik empfiehlt Riccabona ein Blasentraining. Bei kleinen Miktionsvolumina lernt das Kind, die Miktion zu verzögern und damit das Blasenfüllungsvolumen zu steigern.
Bei umgekehrt zu seltenen Miktionen und großen Miktionsvolumina werden die Intervalle zwischen den Toilettengängen verkürzt.
Eine Signaluhr zum Beispiel kann daran erinnern. Kinder, die regelmäßig harten Stuhlgang haben, bedürfen einer entsprechenden Obstipationsbehandlung. "Durch diese allgemeinen Maßnahmen und Verhaltensempfehlungen werden bereits 15 bis 20 Prozent der enuretischen Kinder trocken", sagt Riccabona.
Desmopressin hat kaum Nebenwirkungen
Weitere Behandlungsstufen in Kombination mit den Verhaltensempfehlungen sind die Pharmakotherapie, die Alarmtherapie und gegebenenfalls kombinierte urologisch-psychotherapeutische Interventionen.
Das Antidiuretikum Desmopressin wird primär bei nächtlicher Polyurie trotz normaler Blasenkapazität angewendet oder auch wenn die Alarmtherapie abgelehnt wird oder versagt hat.
Selbst über Jahre eingenommen seien kaum Nebenwirkungen zu befürchten, so Riccabona. Die Substanz überbrücke den kongenitalen ADH-Mangel, bis eine ausreichende Eigenproduktion erreicht sei. Hilfreich sei das Mittel zudem kurzfristig bei Klassenfahrten oder Übernachtungen des Kindes bei Freunden.
Einnässen vor Mitternacht durch Detrusorkontraktionen
Anticholinergika wie Tolteridin, Propiverin oder Oxybutinin sind bei ungehemmten nächtlichen Detrusorkontraktionen angezeigt. Dies äußert sich vor allem durch das Einnässen vor Mitternacht. Ein Anticholinergikum dämpft die Drangsymptomatik und vergrößert in Kombination mit dem Blasentraining die Blasenkapazität.
Nur in Ausnahmefällen soll das trizyklische Antidepressivum Imipramin verwendet werden, nicht zuletzt wegen seiner potenziell kardiotoxischen Wirkungen.
Das Arbeiten mit Klingelhosen oder Klingelmatten erfordert vor allem gute Mitarbeit der Eltern. Denn sie müssen zumindest anfangs das Kind nach dem Alarmton zur Toilette begleiten. Das Kind wird auf diese Art konditioniert, die Bewusstseinsschwelle für die volle Harnblase herabgesetzt.
Erfolgsrate von 60 bis 70 Prozent
Zwar ist die Erfolgsrate von 60 bis 70 Prozent für die Alarmtherapie gut belegt - allerdings müssen die Beteiligten dafür drei bis sechs Monate durchhalten. Gegebenenfalls kann sie mit Desmopressin kombiniert werden.
Als schmerzfreie und nichtpharmakologische Alternative verweist der Linzer Urologe auf die Elektroakupunktur. In skandinavischen Studien seien nach Anwendung über mehrere Wochen ähnliche Ergebnisse erzielt worden wie bei medikamentöser Therapie.