Experten zerlegen "Pflege-Bahr"

Fünf Euro staatlicher Zuschuss für die private Pflegevorsorge - so sieht es der "Pflege-Bahr" vor. Doch diese Idee hat nicht viele Freunde, wie eine Anhörung von Fachleuten im Gesundheitsausschuss zeigt.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Gesundheitsminister Daniel Bahr ist beim "Pflege-Bahr" noch nicht am Ziel.

Gesundheitsminister Daniel Bahr ist beim "Pflege-Bahr" noch nicht am Ziel.

© dpa

BERLIN. An Profil hat der "Pflege-Bahr" in der Anhörung im Gesundheitsausschuss nicht gewonnen. Der Zuschuss für die private Pflegevorsorge bleibt zwischen den politischen Lagern und unter Fachleuten weiter umstritten. Die Spannbreite der Expertenempfehlungen war weit.

Die private Versicherungswirtschaft steht dahinter. Gesetzliche Krankenkassen, Sozialverbände und Gewerkschaften lehnen das Projekt als unwirtschaftlich und unsozial rundweg ab.

Die Arbeitgeber sehen darin keinen Beitrag, um die nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung zu sichern und hätten sich einen umfassenderen Ausbau privater Vorsorge gewünscht.

Der Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), Professor Klaus Jacobs, empfahl den Regierungsfraktionen gar das Vorhaben zu den Akten zu legen. Für ältere Menschen komme es zu teuer, einem Dreißigjährigen aber sei ein weit in der Zukunft liegender Nutzen nicht zu vermitteln.

Fünf Euro Zuschuss

Wer ab 2013 privat für den Pflegefall mit einer Pflegetagegeldversicherung vorsorgt, soll dafür fünf Euro im Monat Zuschuss erhalten. So wollen es die Fraktionen von CDU/CSU und der FDP. Damit soll die private Absicherung von Pflegerisiken angeschoben werden.

Die Förderung ist an Bedingungen geknüpft. Die Antragsteller müssen volljährig sein. Sie dürfen nicht bereits Pflegeleistungen beziehen oder Leistungen wegen eingeschränkter Alltagskompetenz bezogen haben. Darüber hinaus sollen die Versicherer keine weitere Risikoselektion betreiben dürfen.

Ansprüche erwerben Menschen, die mindestens zehn Euro im Monat aus eigener Tasche in eine förderfähige Pflegetagegeldversicherung einzahlen.

Vertreter der privaten Versicherungswirtschaft zeigten sich zuversichtlich, dass sie trotz des Kontrahierungszwangs schon Anfang 2013 Produkte auf den Markt bringen können, die mit den nicht geförderten Produkten konkurrieren könnten.

PKV-Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach empfahl dennoch, im Gesetz auszuschließen, dass Versicherte zwischen geförderten und ungeförderten Produkten hin- und her wechselten.

Hintergrund ist, dass die nicht geförderten Produkte teurer ausfallen könnten als die nicht geförderten, in die die Versicherer nicht jeden aufnehmen müssen.

Um solchen Entwicklungen von vorneherein begegnen zu können, schlug Leienbach vor, die Zuschüsse bereits jetzt per Gesetz zu dynamisieren.

Leienbach geht davon aus, dass der Vertrieb der geförderten Produkte gemeinsam mit den gesetzlichen Krankenkassen organisiert werde.

BdV: Verwaltungskosten fressen Förderung auf

Kein klares Bild von der Zukunft des "Pflege-Bahrs" vermochten selbst die befragten Versicherungsmathematiker zu zeichnen.

Die geförderten Pflegetarife würden "signifikant teurer" als ungeförderte, fürchtet der Bund der Versicherten (BdV).

Die Kosten der Verwaltung der Verträge, der Zulagen und des von den Versicherungsunternehmen vorgeschlagenen Risikostrukturausgleichs fräßen die staatliche Förderung auf, sagte der Vorsitzende des BdV, Aktuar Axel Kleinlein.

So pessimistisch wollte Heinz-Werner Richter, Vorstand der Deutschen Aktuarsvereinigung, sich nicht geben.

Er glaube, dass die Akzeptanz der Produkte hoch sein könne, wenn die Rahmenbedingungen so blieben, wie von den Regierungsfraktionen vorgeschlagen.

Richter wollte aber auf Nachfrage nicht ausschließen, dass der noch nicht eingeführte Pflegebedürftigkeitsbegriff sich auf die Höhe der privaten Versicherungsbeiträge auswirken werde, sie möglicherweise aber auch drücken könne.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 25.06.201223:38 Uhr

Trostpflaster für die Pflege?

"Du bist das Pflaster für meine ''Pflege'', wenn ich mich nachts im Dunkeln quäle." frei nach "Ich+Ich". Die Bundesregierung und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) führen Öffentlichkeit und Medien mit ihrer Posse um die private Pflege-Vorsorge in die Irre.

• Einkalkulierte Haushaltskosten von 100 Millionen € im Jahr 2013 reichen für 1,67 Millionen Versicherungsverträge; bei 81,9 Millionen Einwohnern sind das gut 2 Prozent. Knapp 98 Prozent bleiben ohne Pflegezusatzversicherung.

• Fünf € Monatszuschuss werden an Provision und Verwaltung von den Versicherungskonzernen aufgebraucht, ohne dass irgendeine Leistung folgt.

• Die Versicherungswirtschaft darf hier nicht mit Gesundheitsprüfungen, Risikoselektion und Ausschlüssen operieren. Wegen dieses Kontrahierungszwangs werden bezuschusste Verträge wesentlich teurer als frei ausgehandelte, selektive Pflegeverträge.

• Das Finanzdebakel der gesetzlichen Pflegeversicherung liegt an zu niedriger Beitragsbemessungsgrenze, sinkender Lohnquote bzw. fehlender Berücksichtigung von sonstigen Einkünften z. B. aus Vermietung, Beteiligungen und Kapitalvermögen.

Ganz schlaue Zeitgenossen werden mir jetzt mit privaten Pflegezusatzversicherungen für 10 € Monatsprämie aus dem Internet kommen. Klar gibt es die, aber damit ist nur der virtuelle Eintritt in Pflegestufe III mit geringem zusätzlichem Monatsentgelt abgesichert. Wer Patienten mit Pflegestufe III ärztlich betreuen wollte, sollte wissen, dass dieser erbärmliche Zustand meist nur präfinal und äußerst restriktiv begutachtet wird. Als Trostpflaster für das "sozialverträgliche Frühableben" sozusagen? Absicherungen der Pflegestufen I bis III liegen rein versicherungstechnisch eher bei 40-60 € monatlich. Dabei wird einkalkuliert, dass ein großer Teil der Versicherten Pflegestufen gar nicht erreichen oder sich im hohen Alter mit Demenz gar nicht mehr an seine Pflegezusatzversicherung erinnern wird.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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