Gesundheitsreport
Krank schuften für Pflege und Gesundheit
Die Zahlen sind alarmierend: Beschäftigte in der Pflege weisen inzwischen mit den höchsten Krankenstand auf. Die Gewerkschaft Verdi fordert ein Sofortprogramm.
Veröffentlicht:BERLIN. Zu wenig Personal, zu viele Überstunden, geringe Bezahlung, viele Teilzeitjobs und befristete Arbeitsverträge: Der Gesundheitssektor ist nicht nur ein wichtiger Jobmotor für Deutschland, sondern für viele Beschäftigte auch eine wahre Knochenmühle. Zu diesem Ergebnis kommt der am Mittwoch veröffentlichte Gesundheitsatlas 2017, für den der BKK-Dachverband den Fokus auf das Gesundheitswesen gerichtet hat. Demnach liegen die AU-Tage im Gesundheitswesen weit über dem Durchschnitt aller Beschäftigter. "Erschreckend" fand Vorstand Franz Knieps die Ergebnisse, die er gestern in Berlin vorstellte.
Während 2015 für alle beschäftigten BKK-Mitglieder im Schnitt 16,1 AU-Tage anfielen, kamen Mitarbeiter in Pflege- und Altenheimen laut Gesundheitsatlas auf 23,8 beziehungsweise 23,5 AU-Tage. In der sozialen Betreuung waren es 20,8 Tage, in Kliniken 18,2 AU-Tage. Überdurchschnittlich oft sind psychische Störungen der Grund für die Erkrankungen: 4,5 Tage waren etwa Beschäftigte in der Altenpflege deswegen krankgeschrieben. Bei allen arbeitenden BKK-Mitgliedern waren es dagegen nur 2,3 AU-Tage.
Entsprechend schlecht fiel bei einer Umfrage des BKK-Dachverbands unter 2000 Beschäftigten die Einschätzung zu ihrer eigenen Arbeitsfähigkeit aus. Knapp acht Prozent der Arbeitnehmer in der Kranken- und Gesundheitspflege und sogar 21 Prozent in der Altenpflege sehen ihre psychische und physische Gesundheit durch die Arbeit mindestens als stark gefährdet an. Betrachtet man alle Beschäftigten zusammen, äußerten nur 4,4 Prozent diese Befürchtung.
Sylvia Bühler vom Verdi-Bundesvorstand und Mitautorin des Gesundheitsatlas‘ forderte die Politik auf, zeitnah gesetzliche Vorgaben für die Personalausstattung in Heimen und Kliniken zu erlassen, die sich am Pflegebedarf orientierten. Die derzeitigen Maßnahmen, die für Pflegeheime beispielsweise ab 2020 greifen sollen, kämen zu spät. Nötig, so Bühler, sei auch ein Sofortprogramm, das gewährleiste, dass keine Schicht mehr von einer Person allein bestritten wird. Auch müsse genug Personal für die Ausbildung von Pflegern sichergestellt werden.
Franz Knieps betonte, dass die BKK die Forderung nach Personalbemessungsgrenzen unterstützt. Auch seien die Betriebskrankenkassen bereit, mehr Geld in die Hand zu nehmen, um somit die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in Heimen zu verbessern. Dafür nötig seien aber genaue Vereinbarungen mit den Vertragspartnern über die konkrete Verwendung der Gelder, etwa für mehr Personal oder höheres Gehalt. "Wir wollen gewährleistet sehen, dass das Geld auch dort ankommt, wo Bedarf besteht", sagte Knieps.
Er forderte die Unternehmen dazu auf, mehr Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung anzubieten. Auch hier mangelt es nach der Umfrage der BKK an Engagement: In der Altenpflege etwa gab es bei weniger als der Hälfte der Unternehmen Angebote zur Gesundheitsförderung. Sind solche Maßnahmen jedoch vorhanden, dann ist die Inanspruchnahme sehr hoch (79 Prozent).
Gesundheitswesen in Zahlen
- Beschäftigte: 3,2 Millionen, nahezu die Hälfte in pflegerischen Berufen.
- Arbeitsverhältnis: Jeder Dritte in der Altenpflege (32,9 Prozent) ist in einem befristeten Arbeitsverhältnis; im Schnitt aller Berufstätigen sind es 14,6 Prozent.
- Ausfallzeiten: Beschäftigte in Pflege- oder Altenheimen waren im Schnitt 24 Tage krank; im Schnitt aller Berufstätigen waren es 16 Tage.
Quelle: BKK-Gesundheitsatlas