Frührente

Kranke Psyche treibt viele in die Rente

Immer mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen kommen in Frührente: In den letzten Jahren hat sie sich verdreifacht. Die Psychotherapeuten sind alarmiert. Die Gewerkschaften fordern eine Anti-Stress-Politik.

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Lösung gegen Frühverrentung?

Lösung gegen Frühverrentung?

© Chlorophylle / fotolia.com

BERLIN. Der Stress am Arbeitsplatz nimmt zu: Fast jede zweite neue Frührente ist inzwischen psychisch bedingt. Bereits im Jahr 2001 waren psychische Erkrankungen mit 26 Prozent die häufigste Ursache für eine Frührente. Ihr Anteil stieg bis heute auf etwa 42 Prozent. Das geht aus einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Demnach haben seit 2001 vor allem Depressionen (plus 96 Prozent), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (plus 74 Prozent) sowie Suchterkrankungen (plus 49 Prozent) als Grund für eine Frührente zugenommen.

Psychotherapeuten haben diese Entwicklung scharf kritisiert. "Psychisch bedingte Frührenten könnten häufiger vermieden werden", sagte BPtK-Präsident Professor Rainer Richter. Häufig würden die Betroffenen nicht oder nicht rechtzeitig behandelt.

Es mangele an Behandlungsplätzen für die betroffenen Menschen. "Wir brauchen dringend einen Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung", forderte der BPtK-Präsident. Studien zufolge werden nur 30 Prozent der Betroffenen angemessen behandelt.

Aber es fehlten auch ausreichende und auf die Bedürfnisse von psychisch kranken Menschen zugeschnittene Rehabilitationsleistungen, so Richter weiter. Noch führten psychische Erkrankungen viel zu oft zu Erwerbsunfähigkeit und Armut. Arbeitnehmer schieden oft weit vor dem gesetzlichen Rentenalter aus dem Erwerbsleben aus.

Durchschnittlich seien diese erst 49 Jahre alt. Entsprechende Reha-Leistungen könnten eine Rückkehr ins Arbeitsleben ermöglichen. Allerdings sei für weniger als zehn Prozent der psychisch kranken Frührentner eine medizinische oder berufliche Rehabilitation empfohlen worden.

Mehr "Phasen der Entschleunigung" im Arbeitsalltag

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) rief die Bundesregierung zu klaren Regeln gegen den zunehmenden Stress am Arbeitsplatz auf. "Wir brauchen eine Anti-Stress-Politik, damit Arbeit nicht länger krank macht", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Aus der Stressstudie der TK geht hervor, dass fast jeder sechste Krankschreibungstag in Deutschland psychisch bedingt ist. Erwerbspersonen zwischen 15 und 65 Jahren seien durchschnittlich knapp zweieinhalb Tage im Jahr aufgrund einer Depression, Belastungs- oder Angststörung krankgeschrieben.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, betonte: "Wir nehmen die starke Zunahme psychischer Erkrankungen in den letzten Jahren sehr ernst." Das sei für jeden Betroffenen mit Leiden verbunden, aber auch volkswirtschaftlich ein riesiger Schaden, denn psychische Erkrankungen seien mittlerweile der Hauptgrund für krankheitsbedingte Fehltage und für Erwerbsunfähigkeit.

"Wir wollen daher die betriebliche Gesundheitsförderung ausbauen mit mindestens 150 Millionen Euro im Monat, die aktuell zu langen Wartezeiten auf eine notwendige Psychotherapie verkürzen und die Sensibilität bei allen Beteiligten erhöhen", sagte Spahn. Am Ende brauche es mehr Phasen der Entschleunigung, dazu gehöre übrigens auch der Sonntag als Ruhetag.

Cornelia Prüfer-Storcks, Hamburgs Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz, sagte: "Die Zahlen zeigen sehr deutlich: Psychische Belastungen braucht dringend einen adäquaten Platz im betrieblichen Arbeitsschutz." Deshalb habe die große Koalition das Thema auch im Koalitionsvertrag verankert. (sun)

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