Lehrprojekt in Heidelberg
Medizinstudenten als ärztliche Paten für Neugeborene
Das Lehrprojekt "Pädiatrisches Patenschaftsprojekt Prävention" der Uniklinik Heidelberg feiert Zehnjähriges. Es vermittelt angehenden Ärzten einen praxisnahen Blick auf die kindliche Entwicklung – und auf die pädiatrische Vorsorge.
Veröffentlicht:HEIDELBERG. Wie wäre es mit der pädiatrischen Facharztausbildung und der anschließenden Niederlassung als Kinderarzt? Angehende Ärzte der Unimedizin Heidelberg können diesen Gedanken schon früh auf den ersten Prüfstein stellen. Denn seit mittlerweile zehn Jahren können sie sich durch die Zusammenarbeit mit Pädiatern schon während ihres Studiums mit dem Berufsbild eines niedergelassenen Kinderarztes vertraut machen und die U-Untersuchungen schrittweise und unter Aufsicht durchführen.
Möglich macht dies die bundesweit einzigartige Lehrinitiative "Pädiatrisches Patenschaftsprojekt Prävention" (PäPP). Wie die Uni Heidelberg mitteilt, begleiten die Projektstudenten "ihre" Kinder und deren Eltern als Paten zu den Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt und besuchen die Familien mehrmals zu Hause. Bisher hätten insgesamt 160 Studenten und Familien und jährlich sechs bis acht niedergelassene Kinderärzte aus dem Rhein-Neckar-Raum am PäPP teilgenommen. Das zehnjährige Bestehen der erfolgreichen Kooperation feierten Medizinstudenten, ihre Patenkinder mit Familien, niedergelassene Kinderarztpraxen als Projektpartner und Lehrbeauftragte des Heidelberger Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin nun gemeinsam mit einem Familienfest.
16 Projektteilnehmer pro Jahr
"Vorrangiges Ziel des Projektes, um dessen Teilnahme sich pro Jahr 16 Medizinstudenten vom ersten Semester an bewerben können, ist, dass zukünftige Ärzte an der normalen Entwicklung eines Kindes von Anfang an teilhaben können. Während sie im Alltag immer nur Momentaufnahmen sehen und meist mit erkrankten Kindern zu tun haben, können die Studenten durch das PäPP erleben, welche motorischen, psychosozialen und sprachlichen Kompetenzen ein Kind in den ersten Lebensjahren erlernt", verdeutlicht Dr. Astrid Helling-Bakki, eine der Lehrleiterinnen des PäPP am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg.
Patenkinder-Akquise erfolgt in Praxen
Besonders der Präventionsgedanke stehe im Mittelpunkt des Projektes, wie der teilnehmende Kinderarzt Dr. Volker Bothe betont. "Das Projekt zeigt den Studenten, dass die Arbeit eines Kinderarztes viel mehr ist, als nur Krankheiten zu behandeln. Mit den regelmäßigen Kindervorsorgeuntersuchungen prüfen wir, ob die wichtigen Meilensteine der Entwicklung erreicht werden, und möchten dazu beitragen, dass ein Kind gesund bleibt", erläutert Bothe, dessen Praxis in Schwetzingen Akademische Lehrpraxis der Uni Heidelberg und einer der Orte ist, an denen angehende Mediziner und junge Familien als Team zusammengebracht werden.
Um potenzielle Patenkinder zu finden, sprechen die teilnehmenden Kinderärzte Familien an, die schon mindestens ein älteres Kind und deshalb auch etwas Routine im Umgang mit einem Baby haben.
Einen der begehrten PäPP-Plätze bekam per Losentscheidung der angehende Arzt Pierre Allard (21), der im August 2015 für zwei Jahre Pate des kleinen Milo aus Schwetzingen wurde. "Durch das Projekt bekommt man einen ganz anderen Blick auf die Patienten. Man sieht in der Klinik oft nur die Krankheiten – aber ebenso wichtig ist es ja auch, Krankheiten zu verhindern", erklärt Allard. Er begleitete sein Patenkind zu den vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt und besuchte ihn auch mehrmals zu Hause. "Ich war immer wieder überrascht, wie schnell Milo dann wieder neue Sachen konnte", so Allard. Milos Mutter Ina Powis hat eine Schwester, die ebenfalls Kinderärztin ist, und freute sich, dem jungen Studenten Einblicke in das Alltagsleben einer Familie mit zwei kleinen Kindern geben zu können – in das "ganz normale Chaos", wie sie es schmunzelnd beschreibt.
Doch nicht nur die Studenten, sondern auch die Familien profitieren vom Projekt, betont die Universität. "Die Familien bekommen einen tieferen Einblick in die Arbeit eines Kinderarztes. Viele freuen sich darüber, sich nach den gemeinsamen Besuchen in der Praxis über die Untersuchungen austauschen zu können", zieht Helling-Bakki Bilanz. Medizinische Ratschläge geben dürfen die Studenten jedoch noch nicht, weshalb sie in begleitenden Gruppentreffen auch darauf vorbereitet werden, nicht die Arztrolle zu übernehmen.
Auch die Schulung der kommunikativen Fähigkeiten der zukünftigen Ärzte zähle zu den Zielen des PäPP. "Die Studenten müssen üben, mit unterschiedlichen Menschen auszukommen. Sie müssen Empathie lernen und verstehen, dass jeder Weg anders ist", hebt Helling-Bakki hervor. Wie erfolgreich das Projekt sei, zeige sich daran, dass viele Kontakte zwischen Medizinstudenten und ihren Patenfamilien auch weit über die Dauer der Patenschaft hinaus bestünden.