Schnelle Probandenauswahl

E-Patientenakte treibt Forschung voran

Oft dümpeln hoch spannende medizinische Studien vor sich hin, weil ihnen schlicht die nötige Anzahl an Teilnehmern fehlt. Das könnte sich mit dem Einsatz der E-Patientenakte ändern.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Digitale Patientenakte: Daten auf einen Blick können nicht nur bei der Therapie helfen, sondern auch bei der Suche nach Studienteilnehmern.

Digitale Patientenakte: Daten auf einen Blick können nicht nur bei der Therapie helfen, sondern auch bei der Suche nach Studienteilnehmern.

© angellodeco / Fotolia.com

MÜNCHEN. Elektronische Patientenakten helfen nicht nur, Daten innerhalb der Patientenversorgung schneller verfügbar zu machen, sie erleichtern auch die Rekrutierung von Probanden für klinische Studien. Wie das gehen kann, zeigte Professor Hans-Ulrich Prokosch beim Symposium "Digitalisierung der Medizin in Bayern" am 30. Juni am Bayerischen Wirtschaftsministerium.

Der IT-Experte, der am Lehrstuhl für Medizinische Informatik der FAU Erlangen-Nürnberg lehrt, hat mit einer Arbeitsgruppe ein technisches Werkzeug entwickelt, das aus den elektronischen Patienten- bzw. Krankenakten anhand eines Textabfragesystems mögliche Studienteilnehmer herausfiltern soll. Dabei werden die klinischen Datensätze gescreent.

Rekrutierung auf Knopfdruck

Damit könnten grundsätzlich alle Patienten mit bestimmten Diagnosen oder Merkmalen gefunden und für ein entsprechendes Forschungsvorhaben angefragt werden. So könnte laut Prokosch die Qualität klinischer Studien verbessert werden.

Er führte eine Analyse von Daten des britischen Medical Research Council and Health Technology Assessment Programmes an, wonach von 114 zwischen 1994 und 2003 dokumentierten Studien nur jede dritte rechtzeitig das gesetzte Rekrutierungsziel erreichte. Zu kleine sowie selektive Probandengruppen beeinträchtigen jedoch die Aussagekraft von Studienergebnissen.

In einem eigenen Pilotprojekt in Münster erprobte Prokosch daher mit Kollegen sein Textabfragesystem. Ein erster Testlauf dieses automatisierten Rekrutierungsunterstützungstools im Jahr 2008 erbrachte je nach geprüfter Studie zwischen 12 bis 85 Prozent passende Teilnehmervorschläge. Bei einem Teil der Studien fand das Tool mehr mögliche Teilnehmer als die Forscher mit der üblichen, unmittelbaren Prüfung von klinischen Daten. Bei anderen zeigte sich kein Unterschied.

Die Arbeitsgruppe konnte in der Folge eine generische Struktur ableiten, die sozusagen per Knopfdruck mögliche Probanden aus dem Krankenhausinformationssystem (KIS) herausfiltern kann. Die konkrete Umsetzung einer solchen KIS-basierten Patientenrekrutierung sei in unterschiedlicher Form möglich, die je nach Priorität für die Datengewinnung gewählt werden sollte.

Denkbare Koppelung mit Kommunikationsserver

Die Umsetzung könnte einmal über ein sogenanntes Data Warehouse, eine Datenbankform mit großen Speicherkapazitäten, aber einer zeitlichen Verzögerung bei der Datenaktualisierung, laufen. Oder aber über die Nutzung eines Kommunikationsservers, der stets zeitaktuelle Informationen abbildet.

Vorteilhaft sei zudem die Verwendung mit einem Klinischen Arbeitsplatzsystem (KAS), bei dem unmittelbar dessen Datenbasis und Workflow-Logik verwendet werde. Der wesentliche Output für die Studienleiter besteht in einer Screeningliste möglicher Probanden. Diese kann dann als Ausgangsmaterial für eine konkrete Fallprüfung genutzt werden.

Damit müssen die Studienleiter zwar immer noch selbst Daten prüfen, aber in reduziertem Umfang, mit einem vorselektierten Datensatz. Vorab festzulegen sei dabei, so Prokosch, der tolerierte Fehleranteil bei der Vorauswahl durch das Programm. Kleinere Ungenauigkeiten seien als akzeptabel anzusehen. "Es ist besser, einige Patienten zu viel zu prüfen, als Patienten zu übersehen, die infrage kämen."

Datensensitivität von 88 Prozent

Ein weiterer Testlauf im Jahr 2011 über die Daten von insgesamt 327 Patienten ergab für das Auswahltool eine Sensitivität von 88 Prozent und eine Spezifität von 87 Prozent. Im Vergleich zur manuellen Probandenauswahl wurden 14 Prozent zusätzliche, mögliche Probanden gefunden. Zugleich fielen sieben Prozent der manuell ausgesuchten Probanden weg, die aufgrund bestimmter Merkmalskonstellationen nicht für die betreffende Untersuchung infrage kamen. Der Auswahlvorgang verkürzte sich durch den Einsatz des Tools erheblich.

Abschließend erklärte Prokosch, dass inzwischen schon einige Unternehmen die Machbarkeitsanalyse und Patientenrekrutierung für klinische Studien für sich als Geschäftsmodell entdeckt haben. Sie würden Plattformen schaffen, die als Schnittstelle zwischen Kliniken als Datenprovider einerseits, und Forschungszentren andererseits fungieren könnten.

Für viele Krankenhäuser ist diese Art des Umgangs mit Patientendaten indes ein sehr neuartiges Feld. Die Reaktionen und Meinungen seien höchst unterschiedlich, begeistert sei nicht jeder. "Nicht alle Kliniken stürzen sich darauf", stellte Prokosch fest. Klar sei jedoch, dass klinische Patientendaten, wie insgesamt Daten, immer mehr als Währung angesehen würden, gerade auch im Gesundheitswesen.

Auf dem Symposium zeigte sich aber auch, dass sich generell etwas im Gesundheitswesen ändern müsste. Ziel sei es, eine "P4-Medizin" zu etablieren, die prädiktiv, präventiv, personalisiert und partizipatorisch sein soll, so die Experten.

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