ESC / Frequenzkontrolle

Welches Medikament hat die Nase vorn bei permanentem Vorhofflimmern?

Frequenzkontrolle, aber wie? Gerade die Gruppe älterer Patienten mit permanentem Vorhofflimmern wächst. Ob dann das gute alte Digoxin oder der Betablocker Bisoprolol besser ist, haben nun Forscher untersucht.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Die medikamentöse Frequenzkontrolle bleibt ein wichtiger Pfeiler der Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern.

Die medikamentöse Frequenzkontrolle bleibt ein wichtiger Pfeiler der Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern.

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Sophia Antipolis. Trotz aller Kathetertherapie: Die medikamentöse Frequenzkontrolle bleibt ein wichtiger Pfeiler der Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern. Dies gelte insbesondere für die stetig wachsende Gruppe der älteren Patienten mit permanentem Vorhofflimmern, sagte Professor Dipak Kotecha vom Institut of Cardiovascular Sciences der Universität Birmingham. Bei der virtuellen ESC-Tagung stellte Kotecha die Ergebnisse der sehr pragmatisch-versorgungsnahen, randomisiert-kontrollieren RATE-AF-Studie vor. Dabei wurde in Großbritannien bei 160 im Mittel 76-jährigen Patienten mit permanentem Vorhofflimmern eine medikamentöse Behandlung mit Bisoprolol und eine solche mit Digoxin verglichen.

Bei den Patienten handelte es sich um ein weitgehend typisches, älteres Vorhofflimmer-Kollektiv. 46 Prozent waren Frauen, und 87 Prozent der Patienten zeigten moderate oder schwere Vorhofflimmersymptome, quantifiziert nach modifizierter EHRA-Skala (mEHRA 2b/3). 52 Prozent der Patienten hatten zudem bereits zu Studienbeginn Herzinsuffizienzsymptome, der mediane NTproBNP-Wert betrug 1057 pg/ml.

Ziel: medikamentöse Frequenzkontrolle

In der Studie wurden Bisoprolol und Digoxin mit dem Ziel der Frequenzkontrolle eingenommen. Das gelang: In beiden Gruppen sank die Herzfrequenz von im Mittel rund 100 pro Minute auf im Mittel rund 75 pro Minute ab. Digoxin-seitig waren dafür im Mittel 161 µg pro Tag nötig. Nur einige wenige Patienten brauchten ergänzend zur Studienmedikation weitere frequenzwirksame Medikamente. Beim primären Endpunkt, der mit dem SF-36 quantifizierten globalen Lebensqualität nach sechs Monaten erfasst wurde, gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen.

Wenn aber in die Details geschaut wurde, dann zeigte sich, dass Digoxin in fast allen Bereichen leichte und oft auch statistisch signifikante Vorteile hatte. Was die Lebensqualität angeht, war Digoxin bei Scores wie dem AFEQT, der stark auf Vorhofflimmer-Symptome abzielt, signifikant im Vorteil. Auch bei diversen Subdomänen des SF-36 hatte Digoxin die Nase vorn.

Was die Symptome auf der mEHRA-Skala angeht, ging es bei Digoxin-Therapie für fast jeden Patienten zumindest eine Stufe nach oben, während der Betablocker ein viel gemischteres Bild zeigte. Der Anteil der Patienten, die sich um mindestens zwei mEHRA-Klassen verbesserten, betrug bei Digoxin-Therapie nach zwölf Monaten annähernd 70 Prozent, bei Bisoprolol-Therapie nur knapp 30 Prozent.

Digoxin-Therapie deutlich verträglicher

Was die Herzinsuffizienzprobleme angeht, gab es zwar keinen Unterschied zwischen den Gruppen bei der Entwicklung der EF. Aber das NTproBNP sank bei den Digoxin-Patienten von 1095 auf 960 pg/ml, während es bei den Bisoprolol-Patienten von 1041 auf 1250 pg/ml anstieg. (p=0,005) Und schließlich war Digoxin auch bei praktisch allen klinischen Ereignissen im Vorteil, darunter Tod, kardiovaskuläre Ereignisse und ungeplante Klinikeinweisungen. Die Studie war dafür aber nicht gepowert.

Präspezifiziert war dagegen der Vergleich unerwünschter Reaktionen. Von diesen gab es 142 bei Bisoprolol-Therapie gegenüber nur 29 bei Digoxin-Therapie. (p<0,001) Insgesamt sollte Digoxin vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse bei älteren Patienten mit permanentem Vorhofflimmern, bei denen eine Frequenzkontrolle angestrebt wird, nicht zuletzt wegen seiner besseren Verträglichkeit als Mittel der ersten Wahl angesehen werden, so das Fazit von Kotecha.

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Kommentare
Dr. Karlheinz Bayer 30.08.202015:40 Uhr

Hier zeigen sich exemplarisch die Grenzen der Leitlinienmedizin!

Eigentlich bräuchte man, wenn es so einfach wäre, keine Alternativen zu dem State of Art Medikament.
Die Praxis zeigt aber, daß man bei den Null-Acht-Fünfzehn-Fällen keine Leitlinien bräuchte, weil einfach alles mehr oder weniger hilft.
Problematisch wird es immer dann, wenn Leitlinien versagen.
Vorhofflimmern, Hypertonie, Herzinsuffizienz - es wird gerne so dargestellt, als gäbe es funktionierenden Kochrezepte. Daß dann die Außenseiter plötzlich wie Heilsbringer da stehen ist eigentlich kein Wunder.
Digitalis, Verapamil, Nifedipin oder Sotalol, mit einem Mal erinnert man sich immer dann, wenn das "weitgehend typisches, älteres Vorhofflimmer-Kollektiv" sich partout nicht einstellen will.

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