Altersforschung
Ewiger Jungbrunnen ist nicht das Ziel
Alt möchte jeder werden, alt sein niemand: Wissenschaftler versuchen, die molekularen Mechanismen aufzuspüren, die das Altern steuern. Ein Gen ist schon identifiziert - und ein Hemmstoff dagegen entwickelt.
Veröffentlicht:WIESBADEN. Es gibt Frauen, die glauben mit 30 Jahren alt zu sein, Fußballer über 30 sind definitiv "alt" und "Männer in den besten Jahren" dürfen inzwischen über 50 sein. Welcher Mensch ist für einen Altersforscher eigentlich alt?
Mit Jahreszahlen, soviel ist klar, hat das nichts zu tun. "Das Altern geht dann los, wenn Organfunktionen deutlich nachlassen und Alterskrankheiten in ihrer Häufigkeit exponentiell zunehmen", sagt Professor Lenhard Rudolph vom Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann Institut in Jena. Dieser Prozess des Alterns beginne im Allgemeinen mit Ende 40, so Rudolph.
Die Geschwindigkeit des Alterns jedoch ist sehr verschieden. Zu etwa 30 Prozent wird sie durch die individuellen Erbanlagen bestimmt. So gibt es Genvariationen, die die Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Alzheimer-Demenz oder Krebs erhöhen. Hinzu kommen Einflüsse im Epigenom.
Diese sind im Fluss und werden auch von der persönlichen Lebensführung bestimmt: Rauchen, wenig Bewegung, Fettleibigkeit oder Stress lassen Menschen schneller altern als Menschen mit gesundem Lebensstil.
Ziel der Altersforschung ist vor allem, molekulare Mechanismen aufzuklären, die das Altern steuern. "Es geht nicht darum, Leben zu verlängern!", betont Rudolph. Vielmehr wolle man die Lebensspanne in Gesundheit ("Gesundheitsspanne") erweitern.
Adulte Stammzellen im Fokus
"Ich glaube, dass uns das gelingen wird", so Rudolph aus Anlass seines Plenarvortrages "Lösungen der Altersforschung für den demografischen Wandel" auf dem 120. Internistenkongress zur "Ärzte Zeitung".
Denn in die Altersforschung ist Bewegung geraten. Es werden zunehmend molekulare Mechanismen identifiziert, die für die Entstehung von Organdysfunktionen und Erkrankungen verantwortlich sind, zum Beispiel, was die Regenerationsfähigkeit von Zellen und Geweben angeht: Wichtig für die Regeneration unserer Gewebe sind die adulten Stammzellen. Die Zahl genetischer Mutationen in Stammzellen kumuliert mit dem Alter, ihre Fähigkeit zur gerichteten Differenzierung in spezifische Gewebe lässt nach und damit auch die Organfunktion.
Kann man dies beeinflussen?
Gen p21 verhindert die Zellteilung
"Wir haben ein Gen identifiziert", erklärt Rudolph, "das aktiviert wird, wenn Zellen altern und das die Zellteilung irreversibel verhindert. Dieses Gen p21 ist wahrscheinlich mit verantwortlich für die im Alter verminderte Regeneration der Skelettmuskeln, für Wundheilungsstörungen und andere Regenerationsdefekte. Wir haben, basierend auf diesen Erkenntnissen, Inhibitoren entwickelt, die gegen p21 gerichtet sind. Dadurch können wir der alten Zelle zusätzliche Teilungen ermöglichen."
Die Bemühungen der Wissenschaftler zielen also darauf, körpereigene Zellen zu reaktivieren.
Dies könnte Vorteile haben im Vergleich zum Verfahren der Transplantation von Stammzellen. Denn der Vorteil körpereigener Zellen besteht ja darin, dass sie sich bereits an jenen Orten befinden, wo sie gebraucht werden. Sind körpereigene Zellen aufgrund bekannter molekularer Veränderungen nicht mehr funktionsfähig, können solche Veränderungen als therapeutischer Hebel genutzt werden.
In Jena bauen Rudolph und seine Mitarbeiter mit "JenAge" eine Datenbank auf, in der Informationen zu genetischen Veränderungen gesammelt werden, die offenbar mit Altern assoziiert sind, also Sequenzvariationen und Genregulatoren, die für ein mehr oder weniger "erfolgreiches" Altern sorgen.
Demografischer Wandel als Chance
Zunächst handelt es sich dabei lediglich um beobachtete Korrelationen. In weiteren Schritten gilt es dann zu klären, warum diese Gene die Prozesse des Alterns beschleunigen oder verzögern.
Alt möchte jeder werden, alt sein niemand.
Der demografische Wandel, davon ist Rudolph überzeugt, sollte weniger als Last denn als Chance begriffen werden, als Chance für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Gelingt es, mit der Altersforschung die "Gesundheitsspanne" des Menschen zu vergrößern, werden alte Menschen mehr als heute die Möglichkeit haben, an der Gesellschaft teilzuhaben und ihren Schatz an Lebenserfahrungen einzubringen.
Plenarvortrag "Lösungen der Altersforschung für den demografischen Wandel" am 29. April von 11:45 bis 12:15 Uhr, Halle 1, 120. DGIM-Kongress, Wiesbaden