Amerika sitzt auf der Diabetes-Bombe
Eine neue Studie enthüllt dramatisches: jeder vierte Jugendliche in den USA hat Diabetes oder eine Vorstufe. Experten sind alarmiert und gehen von noch weiter steigenden Zahlen aus. Die Epidemie könnte sogar das US-Gesundheitssystem sprengen.
Veröffentlicht:WASHINGTON. Die Volksgesundheit der US-Amerikaner hat einen großen Feind: Er heißt Fettleibigkeit. 36 Prozent der amerikanischen Landsleute sind heute adipös, mit weiterhin steigendem Trend.
Eine neue Studie macht jetzt beängstigend klar, dass der Kampf um eine gesunde Lebensweise nicht früh genug beginnen kann: Unter Jugendlichen stieg die Rate derjenigen, die unter Diabetes oder seiner Vorstufe litten, in den Jahren 2000 bis 2008 von neun Prozent auf 23 Prozent.
Forscher hatten sich die Gesundheitsdaten von rund 3400 Jugendlichen vorgenommen, die an einer detaillierten Regierungsstudie teilgenommen hatten.
"Sehr besorgniserregend" nannte die Hauptautorin Dr. Ashleigh May die Studienergebnisse (Pediatrics 2012; online 21. Mai). May arbeitet als Epidemiologin für die Centers for Disease Control and Prevention (CDC).
Kinder werden Jahrzehnte an den Folgen tragen
Diese Zahlen sind nicht allzu überraschend. Ungefähr ein Drittel der Heranwachsenden in den Vereinigten Staaten ist übergewichtig, was ihr Risiko erhöht, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.
Schon heute geben die Vereinigten Staaten zwischen 150 bis 190 Milliarden Dollar im Jahr für die Behandlung von Patienten mit Krankheiten aus, die von starkem Übergewicht abgeleitet werden können.
Welche Implikationen es haben wird, wenn ein Viertel der Jugendlichen diabetesgefährdet ist, machte der Experte für Kinderadipositas Professor David Ludwig in einem Interview mit dem National Public Radio (NPR) klar: "Bisher haben wir es vor allem mit übergewichtigen oder fettleibigen Erwachsenen zu tun gehabt", sagte Ludwig.
Es mache einen großen Unterschied, "ob wir von einem adipösen 55-Jährigen reden, der jedes Jahr ein paar Pfund zunimmt, dann mit 65 an Diabetes erkrankt und später einen Herzinfarkt hat oder ob wir von einem Kind sprechen und die Uhr im Alter von zehn Jahren zu ticken anfängt".
Ludwig: "Kinder haben so viele Jahre vor sich, in denen sie unter den Konsequenzen dieser schweren, von Fettleibigkeit verursachten Gesundheitsprobleme leiden werden."
Zu diesen Konsequenzen zählen Medikamente, die langfristig eingenommen werden müssen, eine strikte Diät, Bewegung und konstante Überwachung, sagte Dr. Vivian Fonseca von der American Diabetes Association (ADA) dem Radiosender NPR.
Sie hob hervor, dass all dies nicht nur hart für die Betroffenen sein werde, sondern auch teuer - für die betroffenen Menschen, aber auch für die gesamte amerikanische Gesellschaft.
Zerstört Diabetes das US-Gesundheitssystem?
Noch deutlicher drückte es der pädiatrische Endokrinologe Professor Larry Deeb aus Floria aus, der auf Schätzungen verwies, die für das nächste Jahrzehnt einen Anstieg der Zahl neuer Diabeteserkrankungen um 64 Prozent vorhersagen.
"Wir stecken wirklich tief in der Klemme. Diabetes droht unser Gesundheitssystem zu zerstören", sagte Deep der Tageszeitung "USA Today".
Deshalb gilt auch hier die Devise: Je früher gegengesteuert wird, desto besser. So hat der Bundesstaat Kalifornien zum Beispiel gezeigt, dass es sich auszahlt, in den Schulen gesünderes Essen anzubieten.
Im Vergleich zu anderen Bundesstaaten konsumierten kalifornische Schüler weniger Kalorien - und zwar nicht nur auf dem Schulgelände, sondern auch in ihrer Freizeit, berichten US-Forscher aus Chicago (Arch Pediatr Adolesc Med 2012; 166(5): 452-458).
Außer der Werbung für gesünderem Essen muss aber vor allem auch propagiert werden, dass mehr Bewegung unabdingbar ist.
Dieses Vorhaben wird allerdings in einem Land - schwer umzusetzen sein, in dem der durchschnittliche acht bis Achtzehnjährige über sieben Stunden täglich sitzend vor einem Bildschirm verbringt.
Da öffentliche Appelle nur wenig Wirkung zu zeigen scheinen, müssen eventuell auch hier die Schulen einspringen: mit erweiterten (und verpflichtenden) Sport- und Bewegungsprogrammen.