Schleudertrauma
Individuelle Therapie ohne Vorteile
Schleudertraumen mit bleibender Wirkung: Bei vielen Patienten werden die HWS-Beschwerden chronisch. Auch eine maßgeschneiderte Therapie scheint daran nichts zu ändern. Aber das Risiko lässt sich offenbar vorab erkennen.
Veröffentlicht:QUEENSLAND/AUSTRALIEN. 40 bis 60 Prozent der Patienten mit einem Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule haben Literaturangaben zufolge dauerhafte Beschwerden.
Das Spektrum der Symptome ist breit: von Kopf- und Nackenschmerzen über Schwindel und Gangunsicherheit bis zum posttraumatischen Belastungssyndrom. Trotz dieses heterogenen Krankheitsbildes erhalten Patienten in Studien meistens eine einheitliche Physiotherapie und/oder Beratung.
Ärzte der Universität von Queensland hatten daher die Hoffnung, dass mit Therapien, die an die individuelle Symptomatik angepasst sind, mehr Patienten der Chronifizierung entgehen könnten.
Die Vermutung wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie jedoch nicht bestätigt (PAIN 2013; online 31. Mai).
"Eine multidisziplinäre stratifizierte Versorgung hat in Bezug auf die Chronifizierung bei Patienten mit akutem Schleudertrauma keinen über die Standardversorgung hinausgehenden Effekt", konstatieren Gwendolen Jull und Kollegen.
Für die Studie waren 101 Patienten rekrutiert worden, die innerhalb der letzten vier Wochen ein Beschleunigungstrauma der HWS erlitten hatten. 52 Patienten erhielten die übliche Versorgung, das heißt, sie wurden von Ärzten ihrer Wahl behandelt.
Knapp 80 Prozent von ihnen bekamen eine Schmerztherapie, meistens mit einfachen Analgetika oder NSAR, 27 Prozent nahmen ein Opioid. 39 Prozent der Patienten suchten außerdem die Hilfe eines Physiotherapeuten, zwei die eines Psychologen.
Auf die frühe Intervention fokussieren
Den anderen 49 Teilnehmern wurde eine multidisziplinäre "pragmatische" Therapie zuteil: Sie war also nicht an bestimmte Vorgaben gebunden, sondern richtete sich gezielt nach dem individuellen Beschwerdebild. 94 Prozent von ihnen erhielten Medikamente, davon 39 Prozent ein Opioid.
Alle Patienten wurden zur Physiotherapie überwiesen, die Hälfte zusätzlich zu einem Gleichgewichtstraining. 57Prozent der Teilnehmer wurde außerdem eine kognitive Verhaltenstherapie verschrieben. Die Interventionen dauerten jeweils über einen Zeitraum von zehn Wochen.
Nach sechs Monaten hatten sich in beiden Gruppen die Schmerzen und Behinderungen im Nackenbereich (gemessen mit dem "neck pain and disability index", NDI) sowie andere physische und psychische Symptome deutlich gebessert.
Allerdings litten in der pragmatisch behandelten Gruppe gemäß NDI noch immer 64 Prozent und in der Gruppe mit Standardbehandlung 49 Prozent der Patienten an Beschwerden.
Nach zwölf Monaten waren es dann 56 Prozent und 45 Prozent. Die Unterschiede waren nicht signifikant, ebenso wenig die Differenzen bei anderen Symptomen.
Als einziger Prädiktor für eine Chronifizierung erwiesen sich stärkere Nackenschmerzen nach dem Trauma.
Zukünftige Studien zur Reduktion der Chronifizierungsrate sollten daher auf die frühe Intervention vor allem bei Patienten mit starken Schmerzen fokussieren, so die Empfehlung von Jull und Kollegen.