Lipidparadox - Schützen Lipide Rheumatiker?
Die einfache Formel "hohe Blutfette - hohes kardiovaskuläres Risiko" gilt offenbar nicht für Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA). Eine aktuelle Studie lässt sogar das Gegenteil vermuten.
Veröffentlicht:ROCHESTER. In der soeben veröffentlichten retrospektiven Kohortenstudie hatten RA-Patienten mit niedrigem, jedoch nicht mit erhöhtem Gesamt- und LDL-Cholesterin ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse.
Es wurden Daten von 651 Patienten der Mayo Clinic und weiterer Institute in und um Rochester im US-Bundesstatt Minnesota ausgewertet. Bei den Patienten war zwischen Januar 1988 und Januar 2008 eine Rheumatoide Arthritis neu diagnostiziert worden (Ann Rheum Dis 2011; 70: 482-487).
Sie waren bei der Diagnose im Mittel 56 Jahre alt, wurden acht Jahre lang nachbeobachtet und es wurden Entzündungs- und Lipidwerte sowie kardiovaskuläre Ereignisse erfasst.
Das überraschende Ergebnis: Bei RA-Patienten mit einem Gesamtcholesterinwert unter 4 mmol/l (155 mg/dl) oder einem LDL-Cholesterinwert unter 2 mmol/l (77 mg/dl) stieg das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse sprunghaft an. So niedrige Blutfette hatten immerhin vier bis fünf Prozent der Patienten zu irgendeinem Studienzeitpunkt.
Ein weiteres Absinken um 1 mmol/l erhöhte bei diesen Patienten die Wahrscheinlichkeit von Angina pectoris, Hospitalisierung wegen eines Myokardinfarkts, Revaskularisierung oder Herzinsuffizienz um das 2,6- bis 3,3-Fache. Lediglich die Assoziation zwischen Triglyzeriden und kardiovaskulären Ereignissen blieb im Rahmen der Erwartungen.
Eine BSG über 30 mm/h - Zeichen aktiver Entzündung - war zwar mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden, dies galt aber erstaunlicherweise umso mehr, wenn die Patienten ein niedriges LDL-Cholesterin hatten.
Dieses als "Lipidparadox" bezeichnete Phänomen wurde hier erstmals mit Bezug zur Entzündungsaktivität in einer großen Längsschnittstudie für RA-Patienten gezeigt.
Ähnliche Beobachtungen gab es aber schon bei Menschen mit ischämischer Herzkrankheit, Herz- oder Niereninsuffizienz oder Krebs. Und auch Blutdruck und Body Mass Index haben in manchen Patientenkohorten unerwartete Auswirkungen im Sinne einer "reversen Epidemiologie".
Die Autoren der Studie fassen zusammen: "Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der systemischen Inflammation in der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen bei RA-Patienten. Die Mechanismen, wie Entzündungen den Zusammenhang zwischen Cholesterin und kardiovaskulärem Outcome durcheinanderbringen, sind noch ungeklärt."
Denkbar seien etwa protektive Effekte der Lipide durch Modulation von Autoimmun- und Entzündungsmarkern.