Pfuschen die Länder bei Klinikhygiene?

Schlamperei beim Schutz vor Klinikkeimen: Bis Ende März müssen die Länder Hygieneverordnungen erlassen haben. Viele werden die Frist aber nicht einhalten. Nur wenige Hygienebeauftragte sind für den Posten auch ausgebildet, warnen Experten.

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Händedesinfektion gehört zum A und O der Klinikhygiene.

Händedesinfektion gehört zum A und O der Klinikhygiene.

© Klaus Rose

BERLIN (af). Die Länder unterlaufen das Infektionsschutzgesetz. Diesen Vorwurf erheben die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene und der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Ackermann.

Bis zu 40.000 Tote durch Klinikinfektionen: An dieser Bilanz werde sich so bald nichts ändern, warnte der Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), Dr. Klaus-Dieter Zastrow, in Berlin.

Grund sei, dass die Länder versuchten, mit "abenteuerlichen Konstruktionen" die Klinikhygiene in die Hände von Leuten zu legen, die dafür nicht ausgebildet seien.

Zastrow bezog sich auf eine Passage in der Hygieneverordnung Brandenburgs, die möglicherweise auch von Bayern und weiteren Ländern übernommen werde.

Hygienebeauftragte sind nicht speziell qualifiziert

Daraus gehe hervor, dass noch bis Ende 2016 Angestellte ohne jedwede Qualifikation als Hygienebeauftragte in Kliniken und Pflegeheimen eingesetzt werden dürfen."Hier wird den Menschen Sicherheit vorgegaukelt, wo es keine gibt," sagte Zastrow.

Ein Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft verteidigte die von den Ländern eingeräumten Übergangsfristen. Die vom Gesetz geforderten Hygienefachkräfte müssten erst ausgebildet werden, sagte er der "Ärzte Zeitung".

Der FDP-Abgeordnete Jens Ackermann, einer der Autoren des Infektionsschutzgesetzes, kündigte an, Bundestag und Gesundheitsministerium auf das Verhalten der Länder aufmerksam zu machen.

Die Landesregierungen versuchten die Vorgaben des Bundestages zu umgehen und das Geld für die Ausbildung und den Einsatz von Hygienefachkräften zu sparen.

400 Hygienefachärzte benötigt

Lediglich fünf Prozent der Kliniken mit mehr als 400 Betten beschäftigen nach Angaben der DGKH derzeit einen Facharzt für Hygiene. Insgesamt gebe es 250 dieser Ärzte in Klinken und im öffentlichen Gesundheitsdienst. Rund 400 würden insgesamt gebraucht, schätzt die DKG.

Ende März läuft die den Ländern vom Bundestag gesetzte Frist aus, Hygieneverordnungen zu erlassen. Nicht alle werden den Termin halten.

Berlin hat die Veröffentlichung der Verordnung für Mai angekündigt, Bayern für April. Sachsen-Anhalt habe überhaupt noch keinen Termin genannt, sagte der aus dem Land stammende Jens Ackermann.

Klinikkeime fordern bis zu 15.000 Tote pro Jahr

Vor den Infektionen mit EHEC-Keimen im Jahr 2011 hatten nur sieben von 16 Ländern eine Hygieneverordnung.  Der Bundestag hatte die Novelle des Infektionsschutzgesetzes im vergangenen Jahr ohne Gegenstimme angenommen.

Bei den Beratungen gingen die Politiker von 7500 bis 15.000 Toten im Jahr durch Krankenhauskeime aus. Die Gesellschaft für Krankenhaushygiene nimmt deutlich höhere Opferzahlen an.

Etwa 600.000 Infektionen im Jahr soll es geben. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene geht von 800.000 aus. Allein in Nordrhein-Westfalen geht man von 150.000 Infektionen im Jahr aus.

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