Innovationen von Ärzten

Es geht auch ohne Bits und Bytes

Der Erfolgs-Rezept Praxis-Preis zeigt auch in diesem Jahr, wie sehr bei Ärzten die Patientenversorgung im Fokus steht. Die drei Preisträger belegen, dass die Digitalisierung dabei eine wichtige Rolle spielt. Es geht aber auch ohne.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Nach dem medizinischen Kurs stehen Freizeitaktivitäten auf dem Programm. Ärzte sind immer mit dabei.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Nach dem medizinischen Kurs stehen Freizeitaktivitäten auf dem Programm. Ärzte sind immer mit dabei.

© Landratsamt Weißenburg-Gunzenhagen

So groß war das Echo noch nie: An der Online-Abstimmung über die drei Preisträger des Erfolgs-Rezept Praxis-Preises 2018 beteiligten sich mehr als 2000 Leser. Über den Gewinner waren sich die Leser-Juroren und die Jury-Mitglieder einig: das Konzept der Medizinischen Ferienakademie Altmühlfranken (wir berichteten).

1. Platz: Ferienakademie Altmühlfranken

Das Projekt aus Bayern zeigt, dass auch Innovationen, die rein gar nichts mit Technik zu tun haben, Chancen haben. 2014 entwickelten einige Ärzte im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen zusammen mit dem Landratsamt, der örtlichen Kreisklinik und unter Beteiligung von Medizinstudenten im Rahmen einer Gesundheitskonferenz die Idee, konkret für die Nachwuchsgewinnung etwas zu tun. Das Ziel: Angehende Ärzte in die Region locken, damit sie dort ihre praktische Ausbildung absolvieren und sich später als Haus- oder Fachärzte niederlassen.

Die Preisverleihung im Video

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Veröffentlicht: 13.02.2019 © Springer Medizin

Inspiriert unter anderem von der Summerschool der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin wurde eine Ferienakademie aufgebaut, die 2016 ihren Betrieb aufnahm. Jeweils im Sommer bietet sie Medizinstudenten an vier Tagen Workshops an, die sowohl in Haus- und Facharztpraxen als auch im Krankenhaus stattfinden. Sonografie-, Laparoskopie- oder Nahtkurse stehen vormittags auf dem Programm. Nachmittags dürfen sich die Studenten im Bogenschießen versuchen und auf der Altmühl paddeln. Abends wird gemeinsam mit den Ärzten gegrillt. Finanziert wird die Akademie hauptsächlich durch den Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Spenden kommen von Ärzteverein und Sparkasse. Getragen wird das Projekt außerdem durch die unentgeltliche Mitarbeit der Praxen, der Klinik und des Rettungsdienstes.

Gespräche mit Kommunalpolitikern

„Die Ärzte sind immer dabei“, sagt Dr. Ute Schaaf, Allgemeinmedizinerin aus Absberg und Mitglied im Orga- Team der Ferienakademie. Auch Gespräche mit Kommunalpolitikern finden beim Abendessen statt. So entstehen erste Kontakte. Und nebenbei lernen die Studenten nicht nur die Vorzüge des fränkischen Seenlandes kennen, sondern sehen anhand konkreter Beispiele auch, dass ein Leben als Landarzt nicht unbedingt aus 70 Stunden Arbeit pro Woche besteht. „Wir wollen Modelle vorstellen, wie es anders funktionieren kann“, sagt Schaaf.

Nach drei Ferienakademien sehen sich die Organisatoren in Praxen und Landratsamt bestätigt: Das Interesse unter den Teilnehmern an einer Weiterbildung und sogar an einer Niederlassung in der Region steigt. Drei Weiterbildungsassistenten, je zwei Klinikstudenten und Blockpraktikanten sowie bald eine PJ-Studentin stehen schon in der Bilanz.

Die Akademie hat aber auch noch andere positive Effekte. „Die Zusammenarbeit unter den Ärzten hat sich verbessert“, berichtet Dr. Peter Löw, Facharzt für Innere Medizin in Treuchtlingen. Die Motivation der niedergelassenen Kollegen zur Nachwuchsarbeit in der Weiterbildung oder als Lehrpraxis sei gestiegen. Das Kreiskrankenhaus ist im Rahmen des bayerischen Ausbildungsprogramms für Landärzte, des Bela-Projektes, zum Lehrkrankenhaus der Universität Erlangen-Nürnberg geworden.

2. Platz: Messengerdienst „MediOne“

Die überörtliche Gemeinschaftspraxis Regiodocs im Landkreis Rottweil, die über 7000 Patienten im Quartal versorgt, litt unter einem Problem, das auch tausende andere Praxen in Deutschland kennen: Telefonisch war sie nur schwer zu erreichen. Ständig war die Leitung besetzt, die Anrufer landeten in der Warteschleife, „waren unzufrieden“, wie Dr. Ralph Jäger aus Aichhalden berichtet. „Wir haben also überlegt, was können wir besser machen. Und wir haben die Patienten gefragt: Was wollt ihr?“

Einen Videochat lehnten die Befragten ab. Mit der Idee einer App, über die sich Termine vereinbaren und die Praxis besser erreichen ließe, waren sie dagegen einverstanden – wenn sie schnell, sicher und einfach sei. Ralph Jäger ließ also eine App entwickeln, die im Grunde wie Whatsapp funktioniert, und durch eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auch die Sicherheit gewährleistet. „Der Vermittlungsserver steht in Deutschland“, so Jäger.

Über die App namens „MediOne“ können Patienten per Smartphone oder Desktop mit der Praxis Termine vereinbaren, am Empfang Rezepte bestellen, sich aber auch Befunde zuschicken lassen. Wenn keine Wiedervorstellung nötig ist, „spart das Patienten Zeit, weil sie nicht noch einmal in die Praxis müssen“, so Jäger.

In der Regel laufen die Anfragen über „MediOne“ direkt beim Empfang ein. Ausgewählten Patienten kann aber auch die Möglichkeit gegeben werden, direkt mit dem Arzt in Kontakt zu treten. Dr. Ralph Jäger hält dies mit Palliativpatienten zum Beispiel so. Die direkte Ansprache helfe oft, Krankenhauseinweisungen zu vermeiden. Eine 24-Stunden-Erreichbarkeit müsse er durch den Messengerdienst aber nicht gewährleisten. „Die Patienten erwarten nicht, dass ich gleich antworte, es reicht ihnen, wenn das am nächsten Morgen passiert.“Das Kommunikationstool ermöglicht ebenso den Austausch mit Medizinischen Fachangestellten (MFA), Fachärzten und anderen Gesundheitsberufen. Wundmanager etwa schicken bei Hausbesuchen über den Dienst Bilder des Patienten an die Praxis. Ebenso können Fragen schnell an Kollegen gestellt werden und Konsile über „ MediOne“ stattfinden.

Das alles bringt Ärzten und MFA mehr Zeit. Die Praxisangestellten sind nicht mehr ständig ans Telefon gebunden und können auf Anfragen der Patienten antworten, wenn die Zeit es zulässt. „Es gibt keine Störung im Praxisablauf“, so Jäger. Auch die Ärzte hätten mehr Zeit für die Gesundheitsversorgung.

Über einen Registrierungsprozess wird sichergestellt, dass nur ein zugelassener Arzt in dem System kommunzieren kann. Ebenso müssen sich auch die Patienten registrieren. „Ich kommuniziere nur mit Patienten, die schon einmal bei mir waren“, sagt Dr. Ralph Jäger.

Erfolgs-Rezept Praxis-Preis

  • Grundidee: Gesucht sind innovative Ideen in der Praxis- oder Patientenführung oder in der Kommunikation mit Kollegen oder Patienten, um die Versorgung zu erleichtern oder zu verbessern. Auch kleine, pfiffige Ideen, die im Praxisalltag helfen, sind für den Preis gefragt.
  • Initiatoren: Springer Medizin und „Ärzte Zeitung“ gemeinsam mit Apontis Pharma
  • Tradition: Der Preis wird seit 2011 jedes Jahr ausgeschrieben.
  • Gewinne: Zu gewinnen gab es für die drei Erstplatzierten je eine Analyse ihrer KV-Abrechnung im laufenden Quartal, gestiftet von der AAC Praxisberatung AG in Berlin. Außerdem je ein Wochenende für zwei Personen in Berlin.
  • Die Preisverleihung war am vergangenen Freitag. Ab sofort können sich Ärzte für den Praxis-Preis 2019 bewerben: www.aerztezeitung.de/ erfolgsrezept

3. Platz: AppDoc – teledermatologische Lösung

Schnelle Hilfe für Patienten mit Hautproblemen bietet Dr. Titus Brinker an. Mit Unterstützung des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) sowie der Universität Heidelberg entwickelte er eine Anwendung, die es Patienten über PC oder Smartphone ermöglicht, Bilder ihrer Haut durch erfahrene Dermatologen befunden zu lassen.

Zwar gibt es solche Angebote schon über Videotelefonie. Doch die hält Brinker, der selbst Hautarzt sowie Leiter der App-Entwicklung am NCT in Heidelberg ist, für nicht weiterführend. Ärzten bringe dieser Service keine Entlastung, zudem sei die Befundungsqualität wegen der geringen Auflösung oft schlecht. Und gerade auf dem Land, wo Videotelefonie sinnvoll sein könnte, „sind die Verbindungen langsam“, so Brinker. Über „AppDoc“ haben Patienten, anders als bei der Videotelefonie, die Möglichkeit, anonym mit dem Arzt in Kontakt zu treten. Das sei gerade bei den schambesetzten Geschlechtskrankheiten wichtig.

Der Ablauf ist einfach: Der Patient nimmt die betroffene Hautstelle aus mehreren Perspektiven auf und lädt die Bilder via „AppDoc“ hoch. Dort werden sie von Dermatologen mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung befundet. „70 Prozent der Patienten müssen nicht mehr in die Praxis“, berichtet Brinker. Bezahlt wird der Dienst per Kreditkarte. Je nach gewünschter Schnelligkeit kostet die Diagnose zwischen 24,95 (in 48 Stunden) und 49,95 Euro (in 12 Stunden). „AppDoc“ sei der einzige Dienst, der Dermatologen den größeren Anteil an den Einnahmen auszahlt, sagt Brinker. “Die Leistungen der Hautärzte werden nicht verramscht.“ Es gebe Qualität statt billiger Diagnostik.

Der Online-Hautarzt wurde im November 2018 von der Landesärztekammer Baden-Württemberg zugelassen. Über 200 Patienten haben „AppDoc“ schon genutzt. Im Rahmen einer Modellprojektregelung soll nun auch die Möglichkeit kommen, dass die teilnehmenden Ärzte E-Rezepte ausstellen dürfen. Damit verbunden ist die enge Zusammenarbeit mit lokalen Apotheken.

„Wir wollen Brücken bauen, damit Ihre Ideen auch anderen Ärzten zugutekommen“

Karlheinz Gast ©Georg Moritz

Karlheinz Gast ©Georg Moritz

© Georg Moritz

Der Wettbewerb Erfolgs-Rezept Praxis-Preis 2018 startete mit dem Mit-Initiator UCB Innere Medizin und endete mit Apontis Pharma. Geändert hat sich der Name, geblieben sind die Menschen: Apontis Pharma ist seit Januar 2019 unter neuem Namen am Markt aktiv. Vorher firmierte das Unternehmen unter UCB Innere Medizin. Im September 2018 wurde diese Sparte von UCB an die Private-Equity-Gesellschaft Paragon Partners verkauft. Das Portfolio von Apontis Pharma umfasst vor allem Präparate gegen COPD, Diabetes, Bluthochdruck sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Apontis Pharma wolle mit dem Praxis-Preis gute Ideen von Ärzten weitertragen, sagte Geschäftsführer Karlheinz Gast bei der Preisverleihung in Berlin: „Wir wollen Brücken bauen, damit Ihre Ideen auch anderen Ärzten zugutekommen.“

Gast lobte das Engagement, das viele niedergelassene Ärzte im Alltag zeigten. Ideen würden entwickelt, um die Versorgung und zugleich auch den Praxisablauf zu verbessern. Häufig sei es selbstverständlich, die Innovationen mit den Kollegen dann zu teilen „und den Erfolg nicht für sich zu behalten“, so Gast. Er verwies auf die vielen Ärzte besonders im Osten Deutschlands hin, die trotz Erreichen des Rentenalters immer noch weiter praktizieren – weil sonst ihre Patienten keinen Arzt mehr hätten. (juk)

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