Prävention – Vision 2030 für Deutschland
Nicht nur reden – handeln! Das ist die Devise der neuen Initiative „Gesundheitsvorsorge der Zukunft“. Praxisnahe Konzepte, Ideen und Best-PracticeBeispiele sollen zeigen, wie Prävention endlich wirklich gelebt werden kann. Und Sie können mitmachen!
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Bei der Prävention hat Deutschland Nachholbedarf. Zwar gibt die GKV rund drei Prozent ihres Budgets oder fünf bis sechs Milliarden Euro pro Jahr für Prävention aus.[1-3] Dazu zählen Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen, die betriebliche Gesundheitsförderung, die individuelle verhaltensbezogene Prävention und Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten.[2,3] Trotz dieser Investitionen zeigen Vergleichsstudien aber, dass es mit der Gesundheitsvorsorge in Deutschland nicht zum Besten steht.
„In Deutschland ist zwar einiges besser geworden, aber längst nicht so viel wie in manchen anderen Ländern“, betont Professor Reinhard Busse vom Fachgebiet Management im Gesundheitswesen der TU Berlin. So zeigt die „Global Burden of Disease Studie“ der Weltgesundheitsorganisation WHO, dass die Lebenserwartung in Deutschland seit 1990 zwar gestiegen ist, bei Männern von 72,0 Jahren auf 78,2 Jahre und bei Frauen von 78,5 Jahren auf 83,1 Jahre.[4] Damit ist Deutschland in Westeuropa aber das Schlusslicht.[5]
An Initiativen mangelt es nicht
Der Politik ist das Präventionsdefizit in Deutschland durchaus bekannt. Im Juli 2015 trat – nach gut einem Jahrzehnt Vorarbeit – das Präventionsgesetz in Kraft. Auch auf europäischer Ebene gibt es immer wieder breit angelegte Programme, die auf eine bessere Prävention zielen. In der konkreten Versorgung freilich kommt vieles davon oft nicht an.
Ihre Ideen sind gefragt!
Zum Hauptstadtkongress 2020 wollen wir gemeinsam einen Plan entwickeln, wie die Gesundheitsvorsorge in Deutschland konkret verbessert werden kann. Dazu brauchen wir Ihre Hilfe!
Teilen Sie uns mit, wo wir Ihrer Meinung nach ansetzen müssten:
Was muss bei der Gesundheitsvorsorge künftig besser werden?
- Wo sehen Sie vielversprechende Hebel und Ansätze?
- Mit welchen Beispielen haben Sie selbst gute Erfahrungen gesammelt?
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So gab es bis zu der Initiative von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für eine Impfpflicht gegen Masern jahrelang kaum Aktivitäten gegen die sinkenden Impfquoten. Auch im Rahmen des AMNOG-Verfahrens finde Prävention bisher viel zu wenig Widerhall, beklagt Dr. Olivier Flückiger, Leiter HTA/Outcomes Research und Market Access bei Pfizer Deutschland: „Bei der Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern zum Beispiel haben wir zwar einzelne Endpunkte, die die Prävention abbilden. Aber in die tatsächliche Preisdiskussion finden Präventionsgedanken keinerlei Eingang.“
Für den Chefredakteur der „Ärzte Zeitung“, Wolfgang van den Bergh, gibt es in Sachen Prävention hierzulande kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem: „Wir sollten den Schwarzen Peter vor allem nicht den Versicherten zuschieben. Das Interesse an Prävention ist da.“
Das bestätigte auch Flückiger mit Blick auf die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von Pfizer. Demnach würden 69 Prozent der befragten Bürger mehr Vorsorgeangebote wahrnehmen, wenn sie stärker motiviert würden. Aber nur 38 Prozent konnten sich erinnern, im Jahr vor der Befragung von ihrem Arzt oder ihrer Krankenkasse auf solche Angebote hingewiesen worden zu sein.
Gesucht: Konkrete Ansatzpunkte
Deshalb haben Springer Medizin, wozu die „Ärzte Zeitung“ gehört, und das forschende Pharmaunternehmen Pfizer die Initiative „Gesundheitsvorsorge der Zukunft“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, bis zum Hauptstadtkongress 2020 gemeinsam mit weiteren Experten einen Plan zu erarbeiten, wie die Prävention im deutschen Gesundheitswesen konkret verbessert werden kann.
„Deutschland braucht eine Präventionswende, an dieser gesellschaftlichen Diskussion wollen wir uns stärker beteiligen. Wir müssen Prävention und Vorsorge einfacher machen“, so Flückiger beim Kick-off auf dem Hauptstadtkongress 2019 in Berlin.
Wissenschaftlich geleitet wird das Projekt von einem führenden Präventionsexperten in Deutschland: Professor Reinhard Busse. Der Mediziner und Gesundheitsökonom betont, dass ohne Scheuklappen an das Thema herangegangen und verhaltens- wie auch verhältnispräventive Maßnahmen in den Blick genommen werden sollten.
Es gehe sowohl um Primärprävention, also um die Verhinderung von Krankheit bei Gesunden, als auch um Sekundär- bzw. Tertiärprävention, also um Maßnahmen, die bei Menschen mit Risiken bzw. mit schon bestehenden Erkrankungen darauf abzielen, Folgeerkrankungen oder Komplikationen zu verhindern.
Health-in-All-Policies
Die breite Herangehensweise trägt Erkenntnissen der Forschung Rechnung, wonach Prävention nicht auf die Gesundheitspolitik und das medizinische Umfeld beschränkt werden sollte: „Ziel muss heute ein Health-in-All-Policies-Ansatz sein, bei dem Prävention bei allen politischen Initiativen mitgedacht wird“, so Busse.
Ein typisches Beispiel ist für den Wissenschaftler die Förderung von körperlicher Bewegung durch den Ausbau von Radwegen. Vordergründig ist das eine rein verkehrspolitische Maßnahme, die aber mehr Menschen dazu bewegt, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren und sich damit sehr regelmäßig körperlich zu betätigen.
Im Bereich Sekundärprävention sieht Busse Verbesserungsmöglichkeiten bei der Früherkennung bei Patienten mit Risikofaktoren aller Art. Und in der Tertiärprävention könne die Vermeidung unnötiger Klinikaufenthalte bei chronischen Erkrankungen ein lohnendes Ziel sein: „Hier sind wir in Deutschland besonders schlecht.“ Das könne aber auch an den vergleichsweise vielen Krankenhausbetten liegen. Prävention müsse deswegen immer auch die Anreize der Versorgung mit im Blick haben.

Professor Reinhard Busse, TU Berlin
© Stephanie Pilick

Aylin Tüzel, Leiterin Impfstoffe bei Pfizer
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Dr. Olivier Flückiger, Leiter HTA/ Outcomes Research & Market Access bei Pfizer
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Wolfgang van den Bergh, Chefredakteur der „Ärzte Zeitung“
© Stephanie Pilick
Literatur
- (1) Bödeker W, Moebus S. Das Gesundheitswesen 2019, doi: 10.1055/a-0829-6632
- (2) GKV Spitzenverband. Kennzahlen der gesetzlichen Krankenversicherung. Ausgabe März 2019.
- (3) Medizinischer Dienst des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen. Präventionsbericht 2018.
- (4) GBD 2017 Mortality Collaborators. Lancet 2018; 392:1684-735
- (5) DACH-Gesellschaft Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen e.V. https://bit.ly/2I1aWL3, letzter Zugriff: 2.6.2019