Einladungsverfahren zum Darmkrebsscreening
Zum Scheitern verurteilt
In seiner jetzigen Form ist das organisierte Darmkrebsscreening nicht geeignet, die Teilnahmeraten substanziell zu steigern.
Veröffentlicht:Ein gutes Jahr ist es nun her, dass das Einladungsverfahren zum Darmkrebsscreening in Deutschland startete, Jahre später als vom Gesetzgeber vorgegeben. Viel schlimmer wiegt aber, dass Experten ein bemerkenswert einheitliches negatives Urteil über das Verfahren fällen.
Sie gehen davon aus, dass die hierzulande äußerst niedrige Teilnahmerate am Stuhltest auch durch das vom G-BA angebotene Screening nicht ansteigen wird. Und das hat seine Gründe.
Mehrere Chancen verpasst
Da ist zum einen der Umstand, dass der Stuhltest nicht mit der Einladung verschickt wird, sondern umständlich beim Arzt abgeholt und dorthin zurückgebracht werden muss. Auf diese Weise macht man selbst jenen Menschen die Teilnahme schwer, die der Vorsorge offen gegenüberstehen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die der Einladung beigelegte Information über Nutzen und Risiken von Stuhltest und Koloskopie. Sie mag der Statistik gerecht werden, unsichere oder skeptische Menschen zur Teilnahme an der Darmkrebsvorsorge bewegen kann sie nicht.
Und schließlich hat es der G-BA versäumt, den Beginn der gesetzlichen Darmkrebsvorsorge für Menschen mit familiär erhöhtem Risiko zeitlich vorzuziehen. Damit hat der G-BA gleich mehrere Chancen verpasst, um Leben zu retten.
In den Niederlanden liegen die Teilnahmeraten seit Einführung des Einladungsverfahrens mit dem immunologischen Stuhltest bei jährlich 70 %. In Deutschland geht man hingegen von einer Teilnahmerate von ca. 20 % aus. Der Erfolgsfaktor des niederländischen Programms ist, dass den Versicherten der Test zusammen mit einem vorfrankierten Rücksendeumschlag zugeschickt wird. Dieses Vorgehen wäre auch in Deutschland gewinnbringend, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), der AOK und des Hausärzteverbands in Baden-Württemberg zeigt.
Je mehr Anspruchsberechtigte an der Darmkrebsvorsorge teilnehmen, umso höher ist die Zahl der Patienten, die mit Darmkrebs im Stadium I und nicht in höheren Stadien diagnostiziert werden – und umso höher sind die Überlebenschancen. Tatsächlich wird in den Niederlanden jeder zweite Patient mit Darmkrebs im Stadium I diagnostiziert, in Deutschland nur rund jeder fünfte.
Dr. Christa Maar
- Vorstand der Felix Burda Stiftung,
- Präsidentin des Netzwerk gegen Darmkrebs e.V. und
- Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Prävention der Nationalen Dekade gegen Krebs
Felix Burda Stiftung und Netzwerk gegen Darmkrebs e.V. werden sich weiter intensiv dafür einsetzen, dass beim Einladungsverfahren nachgebessert wird, die Versicherten über risikoadaptierte Vorsorge bei Vorliegen eines familiären Darmkrebsrisikos informiert werden und Menschen, die von einem solchen Risiko betroffen sind, einen gesetzlichen Anspruch auf eine risikoadaptierte Darmkrebsvorsorge erhalten.
Wie wichtig dies ist, zeigen erste Auswertungen des in Bayern durchgeführten FARKOR-Modellprojekts: Bei den 25- bis 49-jährigen Studienteilnehmern ergab jede vierte Familienanamnese, dass aufgrund von Darmkrebs in der Familie ein erhöhtes Risiko für diese Krebserkrankung vorliegt.
Prävention statt Früherkennung!
Eine große Chance zur Weiterentwicklung der Vorsorge und Früherkennung hin zur risikoadaptierten Prävention bietet die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufene Nationale Dekade gegen Krebs. Die Arbeitsgruppe Prävention widmet sich in einem ersten Schritt insbesondere zwei Themen: der Erforschung der Ursachen für den kontinuierlichen Anstieg von Darmkrebs im Alter unter 50 Jahren und Konzepten, wie sich verhindern lässt, dass die Erkrankung bei vielen Betroffenen erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt wird.
Das zweite Thema betrifft die Entwicklung von Konzepten zur risikoadaptierten Vorsorge bei den häufigen Krebsarten Brust-, Darm-, Lungen- und Prostatakrebs. Dabei geht es nicht um die Entwicklung besserer Früherkennungskonzepte, sondern um die Prävention von Tumoren mittels eines früh erkannten Risikos für die betreffende Krebserkrankung.
Ziel der Arbeitsgruppe Prävention ist es, einen substantiellen Beitrag zum Systemwechsel weg von der Krebsfrüherkennung hin zur Krebsprävention zu leisten.