Appell von Krankenhausgesellschaft und Ärzten
Die Notfallreform muss auf der Tagesordnung bleiben
Durch das Ampel-Aus liegt die Notfallreform auf Eis, die Probleme aber bleiben. Die nächste Regierung sollte sich des Themas schnell annehmen, findet der DKG-Vorsitzende Dr. Gerald Gaß.
Veröffentlicht:Düsseldorf. Die künftige Bundesregierung sollte die Notfallreform möglichst schnell auf den Weg bringen, sie aber von einer Reform des Rettungsdienstes trennen. Dafür plädierte Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). „Ich glaube, allen ist bewusst, dass es bei der Notfallversorgung um Probleme geht, die wirklich dringend sind“, sagte Gaß beim Medica Econ Forum der Techniker Krankenkasse in Düsseldorf.
Der Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist nach Einschätzung von Gaß „einigungsfähig“. Anders sehe es aus beim Rettungsdienst. Wegen der föderalen Zuständigkeiten ist das aus seiner Sicht eine viel größere Baustelle. „Ich plädiere dafür, das nacheinander unabhängig voneinander zu machen, aber es nicht unabhängig voneinander zu denken.“
Die DKG hätte sich gewünscht, dass das Gesetz früher in den Bundestag eingebracht worden wäre. Dass die Reform in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr verabschiedet wird, liege nicht an den vorgezogenen Neuwahlen, sondern an dem chaotischen Vorgehen des Bundesgesundheitsministers, kritisierte er.
Knackpunkt: Der Umgang mit den leichten Fällen
Der Handlungsbedarf sei groß. „Es kommen in den Krankenhäusern rund 30 Prozent in die Notaufnahmen, die dort eigentlich nicht sein müssten und die wir auch nicht sehen möchten“, sagte Gaß, der per Video zugeschaltet war.
Die Notfallreform sei sehr gut vorbereitet gewesen, sagte Intensivmediziner Professor Christian Karagiannidis, der Mitglied der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung ist. Dass das Gesetz jetzt wahrscheinlich frühestens in einem Jahr kommt, bezeichnete er als „bittere Pille“. Die in der Reform vorgesehenen Integrierten Notfallzentren wären seiner Meinung nach ein wesentlicher Schlüssel, um leichte Fälle aus den Notaufnahmen herauszuhalten.
Den Umgang mit diesen leichten Fällen hält er für einen der Knackpunkte der Notfallversorgung. „Im Großen und Ganzen kann man sagen: Für die schweren Notfälle sind wir in Deutschland gut aufgestellt“, sagte Karagiannidis, der Beisitzer Innere Medizin im Präsidium der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin ist.
„Die Pflege muss endlich eigenständig behandeln dürfen“
Was in Deutschland fehle, sei eine strukturierte Abfrage bei den Patienten, um sie der passenden Versorgungsform zuweisen zu können. Das sollte sich mit der Notfallreform ändern.
Karagiannidis sah aber auch in dem vorliegenden Konzept noch Defizite. „Die Pflege muss endlich eigenständig behandeln dürfen“, forderte er. So sollte es Pflegekräften möglich sein, dehydrierte ältere Menschen zu versorgen.
20 Prozent der Menschen in den Notaufnahmen kämen aus Pflegeheimen. „Das ist ein Punkt, an dem wir arbeiten müssen.“ Dabei sei es oft nicht nötig, dass ein Hausarzt oder eine Hausärztin in die Heime fahre, sondern das könnte auch eine ausgebildete Pflegefachkraft übernehmen, sagte Karagiannidis. Was er bedauert: „Das Pflegekompetenzgesetz wird auch nicht kommen.“
Die Verzögerungen durch das Ende der Ampel-Koalition sollten die an der Versorgung Beteiligten nicht zum Nichtstun animieren, so Dr. Dirk Spelmeyer, Vorsitzender der KV Westfalen-Lippe (KVWL). „Wir dürfen nicht die Hände in den Schoß legen, bis der Gesetzgeber in die Puschen kommt“, betonte er.
Nordrhein-Westfalen hat einen runden Tisch
In Nordrhein-Westfalen tue sich einiges bei der Notfallversorgung, berichtete er. So gebe es einen Runden Tisch, an dem sich Leistungserbringer, Krankenkassen, die Rettungsdienste und das Gesundheitsministerium austauschen. Ziel sei es, ein gemeinsames Verständnis für die Gestaltung der Akut- und Notfallversorgung zu entwickeln und Lösungen zu erarbeiten.
„Wir sind alle daran interessiert, neue Strukturen zu schaffen“, sagte Spelmeyer. So müsse die Datenübergabe zwischen der Hotline 116 117 der KVen und der 112 der Rettungs-Leitstellen geregelt werden. Die KVWL befinde sich im Austausch mit den Leitstellen, man lerne sich gegenseitig kennen. „Wenn es mit der Vertrauensbildung klappt, dann funktioniert in der Regel auch der Rest“, so Spelmeyer.
Damit die Menschen besser in die richtigen Versorgungsstrukturen gesteuert werden, müsse die 116 117 in der Bevölkerung als Anlaufstelle noch bekannter werden. Die KV habe deshalb vor kurzem eine Kampagne gestartet, durch die es zu einem sprunghaften Anstieg der Anrufe bei der 116 117 gekommen sei. „Der Werbefaktor ist nicht zu unterschätzen“, sagte Spelmeyer.