Digitalgesetze verabschiedet
Ernst machen mit Datennutzung
Die Nutzung von Gesundheitsdaten steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Das soll sich ändern. Nicht zuletzt die Krebsmedizin wird profitieren.
Veröffentlicht:Viele waren skeptisch, aber am Ende hat es gerade noch geklappt: Der Deutsche Bundestag hat in der letzten Sitzungswoche vor Weihnachten das Digital-Gesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) verabschiedet. Damit ist, Zustimmung des Bundesrats vorausgesetzt, der Weg frei für eine deutlich intensivere Forschung mit Gesundheitsdaten. Deutschland ist in diesem Bereich bisher eher ein Schlusslicht.
PROMs ergänzen klinische Daten
Profitieren soll nicht zuletzt die Krebsmedizin, wo der Trend schon seit Längerem in Richtung einer personalisierten, präzisionsmedizinischen Versorgung geht. Diese setzt auf komplexe, molekular maßgeschneiderte und möglichst langfristige Therapiekonzepte: „Dafür brauchen wir riesige Datenmengen“, sagte Prof. Dr. Ulrich Keilholz, Direktor des Comprehensive Cancer Center der Charité Berlin beim #ONKODIGITAL Symposium von Springer Medizin, Roche und Pfizer in Berlin.
Die Datenquellen sind dabei durchaus unterschiedlich: Wichtige Informationen kommen naturgemäß aus der klinischen Versorgung. Sie werden bereits teilweise systematisch erfasst, zum Beispiel im Rahmen der klinisch-epidemiologischen Krebsregister. Hier mangelt es freilich weiterhin an bürokratiereduzierender Digitalisierung. Keilholz machte das am Beispiel des Krebsregisters Brandenburg-Berlin deutlich, wo insgesamt zwölf Vollzeitkräfte beschäftigt werden, um eine qualitativ hochwertige Dokumentation zu gewährleisten.
Klinische Daten sind aber nur die eine Hälfte des Datenuniversums. Zunehmend wichtiger werden Daten, die die Patientinnen und Patienten selbst zur Verfügung stellen, so genannte Patient-Reported Outcome Measures, kurz PROMs. Die können einerseits als zusätzliche Parameter für die Bewertung des Therapieerfolgs im Rahmen von klinischen Studien herangezogen werden. Sie bieten aber auch eine neue Kommunikationsschiene in der Versorgung: Drehen PROMs ins Negative, besteht therapeutischer Handlungsbedarf. Keilholz: „Wenn etwas aus dem Ruder läuft, muss das System reagieren. Reaktive PROMs sind ein Beispiel für echten Patientennutzen durch Digitalisierung.“
Digitalisierungsansätze für eine bessere Datennutzung
Klar ist: PROMs funktionieren überhaupt nur digital. Oder zumindest funktionieren sie wesentlich besser digital, schon weil sie sich in digitaler Form effizienter auswerten lassen als ein Patiententagebuch aus Papier. Für die Erfassung bieten sich Patienten-Apps an. Hier besteht die Herausforderung darin, die Daten für Forschung bzw. Patientenversorgung in einer Art und Weise zur Verfügung zu stellen, die sowohl unbürokratisch als auch wissenschaftlich bzw. medizinisch sinnvoll ist.
Viele Hoffnungen richten sich diesbezüglich auf die elektronische Patientenakte (ePA) in ihrer neuen Variante, für deren Einführung bzw. Nutzung die jetzt verabschiedeten Gesetze DigiG und GDNG das Fundament bilden sollen. Konkret sieht das DigiG vor, dass zu Anfang 2025 die ePA in einer neuen Version an den Start geht, die automatisch bei allen GKV-Versicherten genutzt wird, sofern diese sich nicht aktiv davon abmelden („Opt-Out“). Gleichzeitig ist geplant, digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) und die ePA stärker zu verzahnen, sodass vorstellbar wird, PROMs künftig mit der digitalen Dokumentationswelt der ePA zusammenzuführen.
Davon wiederum könnte dann auch die (Krebs-)Forschung profitieren. Denn das GDNG sieht vor, dass ePA-Daten, sofern die Versicherten nicht widersprechen, unter Einhaltungen von Datensicherheit und Datenschutz automatisch für die Forschung zur Verfügung gestellt werden. Von der Wissenschaft erhalten die Pläne des Gesetzgebers gute Noten: „Wir müssen den Gedanken der wissensgenerierenden Versorgung mit Leben erfüllen“, sagte Dr. Leonor Heinz von der Initiative Deutscher Forschungspraxennetze (DESAM-ForNet). Lob kam auch von der forschenden Industrie: „Diese Gesetze sind absolut zu begrüßen“, sagte Dr. Frederic Kube von der Pfizer Pharma GmbH.