Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband

Goldgewinner des AOK-Projekts QuATRo

Gesundes Kinzigtal: „Wir sehen uns in der Region als Innovator“

Das Ärztenetz „Gesundes Kinzigtal“ in Baden-Württemberg gehört 2024 zu den fünf Goldgewinnern des AOK-Projekts QuATRo. Für Geschäftsführerin Dr. Madeleine Renyi und Projektmanagerin Nathalie Haas ist der Erfolg Ergebnis einer langfristigen Strategie.

Von Frank Brunner Veröffentlicht:
Auszeichnung des Ärztenetzes „Gesundes Kinzigtal“ (von links): Susanne Halsinger, Janina Stunder, Dr. Madeleine Renyi (Geschäftsleitung Gesundes Kinzigtal GmbH) und Volker Przibilla (stellvertretender Geschäftsführer der Bezirksdirektion Südlicher Oberrhein der AOK Baden-Württemberg).

Auszeichnung des Ärztenetzes „Gesundes Kinzigtal“ (von links): Susanne Halsinger, Janina Stunder, Dr. Madeleine Renyi (Geschäftsleitung Gesundes Kinzigtal GmbH) und Volker Przibilla (stellvertretender Geschäftsführer der Bezirksdirektion Südlicher Oberrhein der AOK Baden-Württemberg).

© AOK BW

Frau Dr. Renyi, seit wann existiert „Gesundes Kinzigtal“?

Dr. Madeleine Renyi: Seit 1990 kooperierten Mediziner in der Region, gründeten eine Ärzteinitiative, aus der später das „Medizinische Qualitätsnetz – Ärzteinitiative Kinzigtal“ (MQNK) hervorging. Hintergrund war die Erkenntnis, dass sich die Versorgung verbessert, wenn aus einem Nebeneinander ein Miteinander wird und beispielsweise Experten verschiedener Fachrichtungen über konkrete Krankheitsfälle diskutieren. Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz eröffnete sich ab 2004 die Möglichkeit des Einzelvertragssystems, also die Möglichkeit zum selektiven Kontrahieren. Die Neudefinition des Paragrafen 140a SGB V erweiterte den Spielraum der Integrierten Versorgung. Diese Chance erkennend, gründete sich aus dem MQNK heraus 2005 eine GmbH – das Ärztenetz „Gesundes Kinzigtal“. So konnten alle Beteiligten die Zusammenarbeit in eine feste Struktur integrieren, die Koordination der Netzaktivitäten abgeben und sich mehr auf die medizinische Arbeit konzentrieren.

Ein Ziel ist es, eine „Integrierte Versorgung“ zu gewährleisten. Was verstehen Sie darunter?

Renyi: Es geht darum, alle Akteure der Gesundheitsversorgung an einen Tisch zu bekommen, dort auf Augenhöhe zu diskutieren und damit bestehende Barrieren zu überwinden.

Welche Barrieren?

Renyi: Beispielsweise gab es vor der Gründung große Hierarchiegefälle, etwa zwischen Hausärzten und Fachärzten. Das hat sich geändert: Mediziner sprechen mit Pflegedienstmitarbeitern, Physiotherapeuten, Podologen – und selbstverständlich untereinander.

Wie viele Ärzte beteiligen sich am Netz?

Renyi: Bis Ende vergangenen Jahres waren es rund 50 Ärzte aus 30 Praxen. Zum 1. Januar 2024 haben wir mit der AOK einen neuen Versorgungsvertrag geschlossen, sind also noch mal bei null gestartet. Derzeit sind 17 Ärzte dabei, 14 Hausärzte und drei Fachärzte. Für das erste halbe Jahr sind wir zufrieden. Dazu kommen Apotheker und Physiotherapeuten. An unserem betrieblichen Gesundheitsmanagement beteiligen sich 30 Firmen. Außerdem sind wir stimmberechtigtes Mitglied der kommunalen Gesundheitskonferenz. Wir führen viele Gespräche, um weiter zu wachsen.

Ärzte, die Praxispartner werden wollen, müssen viele Bedingungen erfüllen. Unter anderem die Nutzung des QuATRo Programms. Warum ist das wichtig?

Nathalie Haas: QuATRo ist ein Werkzeug, um unsere Versorgungsqualität zu messen und so ein hohes Versorgungsniveau sicherzustellen. Schon eine Praxis, die bei den Qualitätsindikatoren zurückfällt, würde den Gesamteindruck des Netzes schmälern. Mittlerweile nutzen wir QuATRo seit fünf Jahren.

Welche Indikatoren der diesjährigen QuATRo-Auswertung haben Sie überrascht?

Nathalie Haas, Projektmanagerin Qualitätssicherung, Gesundes Kinzigtal GmbH

Nathalie Haas, Projektmanagerin Qualitätssicherung, Gesundes Kinzigtal GmbH

© AOK Bundesverband

Haas: Überrascht waren wir nicht, haben uns aber über das Ergebnis sehr gefreut. Es gab Indikatoren, bei denen wir schon seit Jahren gut abschneiden, jedoch noch nicht ganz vorne dabei sind. Bei Diabetes beispielsweise. Dort sehen wir Optimierungspotenzial.

In welchen Bereichen hat das Netz besonders gut abgeschnitten?

Haas: Bei der Versorgung von Menschen mit Herzinsuffizienz. Außerdem waren wir beim Indikator PRISCUS-Verordnungen besonders gut. Daran lässt sich ablesen, wie wichtig es ist, dass Patienten zunächst zum Hausarzt gehen.

Abgesehen vom Primat des Hausarztes: Welche Kriterien sind beim Thema PRISCUS noch relevant?

Haas: Wir veranstalten seit Jahren Arzneimittelkonsile, in denen wir Polymedikation thematisieren. Dort tauschen sich nicht nur Ärzte aus, Hochschulprofessoren berichten auch über aktuelle Forschungsergebnisse. Das hat sich in den Indikatoren gespiegelt.

Welche weiteren Möglichkeiten der Qualitätssicherung nutzen Sie?

Renyi: Unsere Gesundheitslotsinnen führen als Teil der Patientenberatungen Befragungen durch, mit denen sie die Qualität der Beratungen eruieren. Wir wollen wissen, wie Patienten die Versorgung innerhalb des Case-Managements beurteilen. Die Dokumentation und Auswertung der Gespräche dient dazu, das Case-Management zu verbessern und so Ärzte hinsichtlich der knappen Ressource Zeit zu entlasten.

Welche Rolle spielen Gesundheitslotsinnen darüber hinaus innerhalb des Netzes?

Renyi: Sie sind examinierte Krankenpflegerinnen oder Medizinische Fachangestellte mit weiteren Zusatzausbildungen – normalerweise mindestens auf Bachelorniveau – und können so mit allen Gesundheitsakteuren auf Augenhöhe kommunizieren. Sie sind Ansprechpartner für Ärzte, vermitteln wenn nötig, zwischen Haus- und Fachärzten, fungieren gleichzeitig als Anlaufstelle für Patienten, helfen etwa bei Terminsuchen, analysieren mögliche Probleme, formulieren Ziele und unterstützen bei der Umsetzung.

Haben Sie ein Beispiel?

Haas: Wenn ein Patient abnehmen möchte, kann er mit der Gesundheitslotsin alle relevanten Fragen besprechen: Wie viel Kilogramm sollen verschwinden? Welche Zwischenziele sind in welchen Zeiträumen realistisch? Wäre es sinnvoll, sich in einem Sportverein anzumelden? Falls ja: In welchem? Oder braucht es Physiotherapie? Vielleicht eine Ernährungsberatung? Alles wird dokumentiert, und die behandelnden Ärzte können auf diese Unterlagen zurückgreifen.

Ein weiteres Ziel ist es, den Patienten ein möglichst „positives Gesundheitserlebnis“ zu ermöglichen. Was bedeutet das?

Renyi: Einerseits verstehen wir darunter die schon erwähnte Versorgungsqualität. Allerdings beginnt unsere Arbeit schon viel früher. Wenn es an Ärzten und medizinischem Personal mangelt, mangelt es auch an positiven Patientenerlebnissen. Deshalb müssen wir gerade auf dem Land attraktive Arbeitsbedingungen für Ärzte schaffen.

Wie schaffen Sie das?

Renyi: Wir haben uns zunächst Umfragen angeschaut, wie junge Ärzte heutzutage arbeiten wollen. Die Ergebnisse sind eindeutig: Eine 70-Stunden-Woche möchten die wenigsten, viele favorisieren Teilzeit, sind lieber Angestellte mit klaren Arbeitszeiten als Selbstständige mit eigener Praxis. Darauf stellen wir uns ein.

So haben wir die Gründung einer Genossenschaft initiiert und begleitet, deren einzige Aufgabe es ist, medizinische Versorgungszentren (MVZ) aufzubauen. Zwei MVZ existieren bereits, eine dritte Einrichtung öffnet demnächst. Wir sehen uns in der Region als Innovator, der die Gesundheitsstrukturen schafft, die es braucht. Damit schaffen wir ein positives Gefühl für die Patienten und Gesundheitsdienstleister im Kinzigtal.

Vielen Dank für das Gespräch!

Projekt QuATRo: Patienten im Blick

Im Rahmen des Projekts „Qualität in Arztnetzen – Transparenz mit Routinedaten“ (QuATRo) prämierte die AOK in diesem Jahr 42 der 51 teilnehmenden Netze. Die Auszeichnungen wurden zum sechsten Mal verliehen.

Kriterien sind unter anderem eine leitliniengerechte Versorgung, Prävention und Patientensicherheit. Grundlage für QuATRo ist das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung (QISA). AOK-Experten analysierten Daten von 343.000 Versicherten, 2.170 Hausärzten und 1.500 Fachärzten. Im nächsten Jahr kommt zu den 15 Qualitätsaspekten ein weiterer Indikator hinzu. Die Kennzahl „Anteil ohne Antibiotikatherapie bei ‚banalen‘ Infektionen“ berücksichtigt, dass wieder mehr Patienten nicht indizierte Antibiotikaverordnungen erhalten.

Ziel von QuATRo ist es, Transparenz für Ärzte zu schaffen und auf Basis der Ergebnisse die Patientenversorgung zu verbessern. Die Ärzte erhalten individuelle Feedbackberichte, die sie für ihre Qualitätsarbeit nutzen können. Weil die AOK bei den Auswertungen auf vorliegende AOK-Abrechnungsdaten zurückgreift, entsteht den Ärzten kein zusätzlicher Dokumentationsaufwand. (fb)

Ausgezeichnete Ärztenetze 2024

Stufe 1 – Basisstufe

AOK Bayern

PNS – Praxisnetz Nürnberg Süd e.V.

UGOM – Unternehmen Gesundheit Oberpfalz Mitte GmbH & Co. KG

Ärztegenossenschaft Mittelfranken e.G.

AOK Hessen

Ärztenetz Region Kassel Nord GbR mbH

AOK Nordost

Mein AOK-Gesundheitsnetz® „Praxisnetz Reinickendorf e.V.“

Mein AOK-Gesundheitsnetz® „Ärztenetz Brandenburg an der Havel“

AOK NordWest

Praxisnetz Plön e.V.

Medizin-Netz-Stormarn e.G. (MeNeSto)

AOK Rheinland / Hamburg

Arztnetz Hamburg Billstedt/Horn

Stufe 2 – Prädikat Silber

AOK Bayern

UGHO – Unternehmung Gesundheit Hochfranken GmbH & Co. KG

Münchner Ärzte Gesundheit und mehr e.G.

donauMED GmbH & Co. KG

UGeF – Unternehmung Gesundheit Franken GmbH & Co. KG

Regensburger Ärztenetz e.V.

gfj – Gesundheitsnetz Franken Jura GmbH & Co. KG

änro – Ärztenetz Rosenheim GmbH & Co. KG

Guad – Gut betreut im Arberland e.V.

QuE - Gesundheitsnetz Qualität und Effizienz e.G.

AOK Hessen

GNO - Gesundheitsnetz Osthessen e.G.

Ärztegenossenschaft PriMa e.G.

Ärztenetz Rhein-Main e.V.

ANR - Arztnetz für die Region Lahn-Dill e.V.

ÄNGie - Praxisnetz Kreis Gießen

AOK Nordost

Mein AOK-Gesundheitsnetz® „Praxisnetz Neukölln/ Tempelhof e.V.“

Mein AOK-Gesundheitsnetz® „Netzwerk Ganzheitsmedizin Berlin GmbH“

Mein AOK-Gesundheitsnetz® „Gesundheitsnetz Charlottenburg-Wilmersdorf“

Mein AOK-Gesundheitsnetz® „HaffNet“

Mein AOK-Gesundheitsnetz® „MEDIS“

AOK NordWest

Praxisnetz Herzogtum Lauenburg e.V.

ÄNEM - Ärztenetz Eutin-Malente e.V.

Praxisnetz Kiel e.V.

Ärztenetz HUK & HANN e. V.

Medizinische Qualitätsgemeinschaft Rendsburg eG (MQR)

Ärztenetz Lippe GmbH

Praxisnetz MuM Medizin und Mehr e.G.

AOK Rheinland/Hamburg

solimed - Unternehmen Gesundheit

AOK Rheinland-Pfalz / Saarland

Gesundheitsorganisation Ludwigshafen e.G.

Stufe 3 – Prädikat Gold


AOK Baden-Württemberg

Gesundes Kinzigtal GmbH

AOK Bayern

MainArzt GmbH

AOK Hessen

GNEF - Gesundheitsnetz Frankfurt e.G.

AOK Nordost

Mein AOK-Gesundheitsnetz® „Praxisnetz Nordost e.V.“

AOK Rheinland-Pfalz / Saarland

Wormser Gesundheitsnetz WoGe e.G.

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Ein aufgrund atherosklerotischer Plaques verengtes Gefäß.

© psdesign1 / stock.adobe.com

Metaanalyse

Cholesterinsenkung: Es muss nicht immer hochintensiv sein