Depression

Hausärzte sind Ansprechpartner Nummer eins

Beim Krankheitsbild Depression gibt es einen hohen Anteil von unspezifischen Diagnosen. Wie aus dem Versorgungs-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) auch hervorgeht, spielen Hausärzte bei der Versorgung der Patienten eine zentrale Rolle.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:
Im Gespräch ist Empathie gefragt, denn oft klagen depressive Patienten zunächst über körperliche Beschwerden.

Im Gespräch ist Empathie gefragt, denn oft klagen depressive Patienten zunächst über körperliche Beschwerden.

© A. Raths / fotolia.com

BERLIN. Bei den depressiven Erstepisoden entfällt der größte Teil aller Diagnosen mit 73,4 Prozent auf leichte und unspezifische Formen, haben die Autoren des Versorgungs-Reports 2014 in ihrer Analyse festgestellt. Eine mittelgradige oder schwere Depression wird demnach umgekehrt nur in 26,6 Prozent der Fälle festgestellt.

Oft sei es schwierig, eine Diagnose beim Krankheitsbild Depression zu stellen, sagt der Mitherausgeber des Reports, Professor Norbert Schmacke von der Universität Bremen.

Eine zentrale Rolle bei der Versorgung depressiver Menschen spielen laut Versorgungs-Report die Hausärzte. Denn sie kennen in der Regel die Zusammenhänge zwischen emotionalen Zuständen, wie beispielsweise Traurigkeit, und deren möglichen Auslösern aus dem psychosozialen Umfeld der Patienten.

Die Grundlage dafür bieten eine kontinuierliche Betreuung, ein niedrigschwelliges Gesprächsangebot und eine gewachsene Beziehung zu den Patienten.

Die Beschwerden sind vielfältig

Dem Report zufolge werden gut 64 Prozent aller ausschließlich ambulant behandelten Patienten mit einer depressiven Erstepisode allein von ihrem Hausarzt versorgt. Dies trifft vor allem auf Patienten mit unspezifischen Depressionsdiagnosen (75,4 Prozent) zu. Aber auch schwere Depressionen werden vergleichsweise häufig vom Hausarzt allein behandelt (37,8 Prozent).

Eine parallele oder alleinige fachspezifische Versorgung, beispielsweise durch Psychiater oder Nervenärzte, die in der Nationalen Versorgungsleitlinie unipolare Depression bei schweren depressiven Episoden empfohlen wird, erhalten nur 58 Prozent der betroffenen Patienten.

Oft berichten depressiv erkrankte Patienten ihrem Hausarzt zunächst nicht über psychische Probleme, sondern über körperliche Beschwerden. Klagen Betroffene zum Beispiel über allgemeine Abgeschlagenheit, Kopf- oder Rückenschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Herzrasen oder Atemnot, kann auch eine Depression dahinter stecken.

Schwindelgefühle, Verdauungsprobleme, ein Druckgefühl in Hals und Brust oder der Verlust des sexuellen Interesses können ebenfalls auf eine Depression hindeuten. "Dann sind Einfühlungsvermögen und genaues Nachfragen des Hausarztes besonders wichtig", sagt die stellvertretende Leiterin des Stabs Medizin im AOK-Bundesverband, Dr. Christiane Roick.

Jeden Zehnten trifft die Diagnose

Die Analysen des Versorgungs-Reports zu Depressionserkrankungen basieren auf Abrechnungsdaten der 24 Millionen AOK-Versicherten. Hochgerechnet auf die deutsche Wohnbevölkerung ab 18 Jahren ergibt sich für 2010 eine Diagnosehäufigkeit von 11,1 Prozent.

In der Regel werden Patienten mit einer depressiven Episode ambulant versorgt (79,0 Prozent), seltener in einer Klinik (12,0 Prozent) und noch seltener in beiden Bereichen (9,1 Prozent). Der Versorgungs-Report zeigt auch auf, welche Behandlungsmöglichkeiten und innovativen Versorgungsansätze für das Krankheitsbild Depression bestehen.

Aus Sicht der Herausgeber bestätigen die Übersichtsarbeiten im Buch, dass dem Ansatz einer schrittweisen Intensivierung der Behandlung (stepped care) zentrale Bedeutung zukommt. Nach Angaben Schmackes geht es vor allem darum, "Patienten im Rahmen eines gestuften Behandlungsplans dem Schweregrad ihrer Erkrankung entsprechend zu behandeln".

Neben der herkömmlichen Therapie mit Antidepressiva oder Psychotherapie könnten eine Vielzahl weiterer Maßnahmen die Symptomatik lindern, Rückfälle vermeiden oder eine Chronifizierung verhindern.

Zu nennen seien beispielsweise psychoedukative Maßnahmen, psychotherapeutische Kurzinterventionen oder auch die internetbasierte Verhaltenstherapie.

Klauber/Günster/Gerste/Robra/Schmacke (Hrsg.): Versorgungs-Report 2013/2014, Schwerpunktthema: Depression; Schattauer-Verlag, Stuttgart 2014; broschiert; 54,99 €; ISBN 978-3-7945-2929-2, www.versorgungs-report-online.de

Die Vorboten der Depression sind vielseitig

Expertin Dr. Christiane Roick erklärt, bei welchen Anzeichen Ärzte hellhörig werden sollten.

Ärzte Zeitung: Welche Zeichen deuten auf eine Depression hin?

Dr. Christiane Roick: Eine Depression hat viele Gesichter und ist bei jedem Patienten unterschiedlich ausgeprägt. Drei Hauptsymptome weisen auf die Erkrankung hin: Gedrückte, depressive Stimmung, Interessenverlust und Freudlosigkeit sowie Antriebsmangel und Ermüdbarkeit.

Treten zwei dieser Anzeichen mindestens zwei Wochen lang auf und kommen noch mindestens zwei Nebensymptome hinzu, spricht dies für das Vorliegen einer Depression.

Wie äußern sich mögliche Nebensymptome?

Roick: Zum Beispiel durch eine verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, durch vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, durch Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit, unangemessene Zukunftsängste, Schlafstörungen, verminderten Appetit sowie Gedanken an den Tod oder daran, sich das Leben zu nehmen.

Wo finden Ärzte Informationen?

Roick: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Test entwickelt, der Hinweise auf eine depressive Störung gibt. Darin können Betroffene ihr Befinden anhand von fünf Fragen auf einer Skala von Null bis Fünf bewerten, zum Beispiel wie häufig sie froh und guter Laune waren oder sich beim Aufwachen frisch und ausgeruht gefühlt haben.

Eine strukturierte Unterstützung bei der Versorgung depressiv erkrankter Patienten bietet QISA, das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung. (Taina Ebert-Rall)

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