Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband

Umfrage der AOK PLUS

Hörhilfen: Oft zahlen Patienten freiwillig drauf

Durchschnittlich 1.180 Euro geben Menschen mit Hörbehinderung zusätzlich für ihre Hörhilfen aus. Doch hohe Zuzahlungen garantieren keinen Zufriedenheitsgewinn, wie eine Umfrage der AOK PLUS ergab.

Von Kristin Pakura Veröffentlicht:
Moderne Hörgeräte sind wie kleine Mini-Computer. Doch nicht nur für technische Raffinessen sind Patientinnen und Patienten gerne bereit, zusätzlich Geld draufzulegen. Häufigster Grund für private Zusatzkosten war in der Umfrage der AOK Plus ein besseres Sprachverstehen.

Moderne Hörgeräte sind wie kleine Mini-Computer. Doch nicht nur für technische Raffinessen sind Patientinnen und Patienten gerne bereit, zusätzlich Geld draufzulegen. Häufigster Grund für private Zusatzkosten war in der Umfrage der AOK Plus ein besseres Sprachverstehen.

© MalaikaCasal / stock.adobe.com

Bei Hörhilfen ist viel Geld im Spiel. Mehr als 55 Millionen Euro gab die AOK PLUS 2022 für diese Geräte aus – Platz eins bei den Hilfsmittelkosten. Durchschnittlich 1.600 Euro zahlt die Krankenkasse für eine Hörgeräteversorgung an beiden Ohren, einschließlich der Nachbetreuung für sechs Jahre. Die Versicherten übernehmen nur die gesetzliche Zuzahlung in Höhe von zehn Euro pro Hörsystem. Doch mehr als jeder Zweite zahlte außerdem im Mittel noch 1.180 Euro aus eigener Tasche dazu. Das ergab zusätzliche 25 Millionen Euro Umsatz für die Branche. Lohnen sich die privaten Mehrausgaben?

Befragt hatten die Mitarbeiter der AOK PLUS etwa 2.000 Hörgeräteträger. Die Krankenkasse für Sachsen und Thüringen wollte wissen, wie zufrieden ihre Versicherten mit Versorgungsablauf, Hörsystemen und Hörakustikern sind. Ebenfalls im Fokus: Zusätzlich geleistete private Zahlungen.

Der Hintergrund: Seit Jahren registriert die AOK PLUS hohe private Zusatzkosten in der Hörgeräteversorgung. Deshalb wurde die aufwendige Umfrage unter den Versicherten initiiert. Die Auswertung der Antworten ergab interessante Resultate.

Ergebnis Nummer eins: Die Zufriedenheit der Versicherten mit Hörsystemen ist – unabhängig von möglichen Mehrkosten – hoch. Auf einer Skala von 1 bis 5 vergaben Kunden im Durchschnitt die Gesamtnote 1,80. Dabei zeigten sich Versicherte, die nicht privat zuzahlten, kaum unzufriedener (Note 1,85) als Kunden mit Zuzahlungen (Note 1,79). Das zeigt: Hörsysteme sind erstens besser als ihr Ruf.

Nur wenige „Schubladengeräte“

Hörhilfen, die gesetzliche Krankenkassen vollständig zahlen, sind zweitens sehr hochwertige Geräte. Nicole Baumgart, Fachbereichsleiterin Heil-/Hilfsmittel bei der AOK PLUS, konstatiert: „Aus den Auswertungsgesprächen mit den Hörakustikern wissen wir, dass sich Hörsysteme hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Tragekomfort enorm weiterentwickelt haben.“

Dieser Qualitätssprung betreffe auch die sogenannten Kassengeräte. Heutige Hörhilfen sind keine Analoggeräte mehr, sondern Minicomputer. Ein weiterer Indikator für deren Akzeptanz: Hörhilfen stecken öfter im Ohr als im Nachtschränkchen. Zwei Drittel der Versicherten erklärten, ihre Hörhilfen täglich mindestens fünf Stunden lang zu nutzen. Nur jeder hundertste Versicherte verwendet seine Hörhilfen fast nie. „Selbst wenn die Tragezeit von den Befragten idealisiert wurde und in Wahrheit etwas darunter liegt, zeigen die Antworten, dass es sehr wenig Schubladengeräte gibt“, sagt Nicole Baumgart.

Ergebnis Nummer zwei: Offensichtlich existiert kein prägnanter Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und der Anzahl der getesteten Hörhilfen. 25 Prozent der Versicherten testeten ein Gerät, 40 Prozent zwei und 26 Prozent drei oder mehr Hörsysteme. Jene, die nur ein Hörsystem testeten, waren überwiegend zufrieden.

Hören erst wieder neu lernen

Im Gegensatz dazu zeigten sich Kunden, die drei oder mehr Hörhilfen probierten, weniger zufrieden. Eine mögliche Ursache dafür ist, dass über einen längeren Testzeitraum das Erinnerungs- und Vergleichsvermögen verblasst. Ein anderer Grund könnte sein, dass Erwartungen an die Qualität der Geräte sehr hoch waren und nicht erfüllt werden konnten.

Dass Erwartungen entscheidend sein können, merken Betroffene bei ihrer erstmaligen Versorgung mit Hörgeräten. Hören und Verstehen muss neu gelernt werden. Den Wow-Effekt, nachdem Kunden mit einer neuen Brille aus dem Optikergeschäft treten, erleben Schwerhörige selten. Stattdessen durchlaufen sie einen mehrere Wochen oder Monate dauernden Gewöhnungsprozess. Das liegt daran, dass Sprachverstehen nicht vordergründig an den Ohren, wo der Schall empfangen wird, sondern zwischen den Ohren, also im Gehirn, wo der Schall verarbeitet wird, stattfindet. Und es gibt Grenzen, das „alte Gehör“ wieder herzustellen. Je länger der Hörverlust besteht, desto schwieriger ist es, sich wieder an Töne zu gewöhnen und Hintergrundgeräusche auszublenden. Wer seine Hörsysteme für Besuche oder Familienfeiern aufhebt, trainiert das selektive Hören nicht und empfindet in dieser Situation alles viel zu laut.

Hörhilfen: Oft zahlen Patienten freiwillig drauf

© Springer Medizin Verlag I Hörgerät: vivekFx/stockadobe.com I Datenquelle: AOK Plus

Hier sind die Akustiker am Zug

Die optimale Einstellung der Hörgeräte ist eine Voraussetzung für zufriedene Nutzer. Mindestens genauso essenziell ist es aber, die Kunden zu motivieren, die Hörhilfen von morgens bis abends zu tragen. Und auch die Lautstärke, die am Anfang nicht voll ausgeschöpft wird, sollte im Laufe der Zeit nachgeregelt werden. „Wenn wir von Problemen erfahren, raten wir, diese offen beim Hörakustiker anzusprechen und die initialen Einstellungen so lange nachjustieren zu lassen, bis es passt“, sagt Nicole Baumgart. „Als AOK PLUS sind wir jedoch, obwohl wir die Kosten tragen, nur marginal in die Versorgung involviert und daher systemimmanent auf das kundenorientierte Handeln der Hörakustiker angewiesen.“

Mit der Arbeit der Hörakustiker sind die befragten Versicherten sehr zufrieden und vergeben die Note 1,25. Abgefragt wurden verschiedene Aspekte, wie Beratung, fachliche Kompetenz, Eingehen auf Wünsche und Bedürfnisse, Freundlichkeit, Schnelligkeit, zeitnahe Termine und Service. Explizit lobten die Versicherten die fachkompetente und freundliche Beratung. Mehr als 90 Prozent der Kunden fühlen sich bei ihrer Versorgung gut beraten.

Aus Sicht der AOK PLUS gibt es trotzdem Verbesserungspotenzial: Fast jedem fünften Kunden (18,7 Prozent) wurden keine mehrkostenfreien Hörsysteme angeboten. 3,6 Prozent der Kunden fühlten sich über private Zusatzkosten nicht ausreichend aufgeklärt und elf Prozent wurden nicht darüber informiert, dass im Falle einer Reparatur private Folgekosten anfallen, wenn sie sich für ein höherwertiges Gerät entschieden hatten. „Die Hörakustiker sind verpflichtet, jedem Versicherten eine aufzahlungsfreie Versorgung anzubieten und anzupassen, die das maximale Sprachverstehen weitestgehend erreicht“, zitiert Nicole Baumgart die vertraglichen Regelungen. „Es ärgert uns, dass die Sachleistung der AOK PLUS oft als Zuschuss dargestellt wird. Wir erwarten, dass über anfallende private Mehrkosten und wofür sie entstehen, dezidiert gesprochen wird, damit der Kunde eine informierte Entscheidung treffen kann.“

Hörkomfort mit Zubehör

Das bessere Sprachverstehen ist Zahlungsgrund Nummer eins (44,3 Prozent). Auf Platz zwei rangieren Akkus (31,6 Prozent) und auf Platz drei weniger Störgeräusche (30,2 Prozent). Ebenfalls oft genannt wurden guter Tragekomfort (29,1 Prozent) und Im-Ohr-Geräte (27,1 Prozent). „Dass Mehrkostengrund Nummer eins das Sprachverstehen ist, entspricht nicht unserem Erwartungshorizont, besteht doch der Selbstzweck von Hörsystemen darin, wieder am sozialen Leben teilzunehmen“, kommentiert Nicole Baumgart diese Ergebnisse.

Obwohl Sprachverstehen bei der Messung des Akustikers mit dem Freiburger Sprachtest, der bei der Hörsystemversorgung Standard ist, bei den Hörhilfen mit und ohne private Zusatzkosten gleich sein sollte, gibt es offenkundig Unterschiede im Hörkomfort in Alltagssituationen. Dieser kann bei Hightech-Geräten durch automatisierte und schnellere Anpassung auf Hörsituationen unterschiedlich ausfallen. Wer ein Hightech-Gerät möchte, kann besondere Funktionen gegen einen selbst zu zahlenden Aufpreis erhalten. Manche Hörsysteme lassen sich mit dem Smartphone steuern oder können Signale vom Fernseher oder Telefon per Bluetooth direkt ins Ohr übertragen. Mehrkostenfreie Hörhilfen können dies meist noch nicht.

Auffällig ist, dass sehr große Leistungserbringer 17 Prozent mehr Akku-Geräte und doppelt so viel Zubehör (z.B. Fernbedienung, TVAdapter) wie andere Akustiker verkaufen. Durch die Corona-Pandemie und die Maskenpflicht wurden Im-Ohr-Hörgeräte 2021/22 deutlich mehr angeboten und nachgefragt. Sie sind aber nicht für jeden Gehörgang geeignet und bedingt durch Schweiß und Ohrenschmalz deutlich reparaturanfälliger. Die Nachfrage nach Im-Ohr-Hörgeräten ist nach Aussagen der Hörakustiker mittlerweile wieder zurückgegangen und die Akzeptanz für Hörgeräte ist vor allem durch Ex-Hörer-Geräte nochmals deutlich gestiegen. Bei dieser Bauart ist der Hörer nicht im Gerät, sondern direkt im Ohr platziert und über einen dünnen Schlauch mit dem Hörsystem hinter dem Ohr verbunden. Dadurch sind die Geräte kleiner und unauffälliger als normale Hinter-dem-Ohr-Geräte. Diese Bauart ist jedoch nur für bestimme Hörprofile geeignet.

Korrekte Daten

Seit 2019 sind Hörakustiker verpflichtet, die privat gezahlten Mehrkosten bei der Abrechnung mit der Krankenkasse anzugeben. Diese Daten fließen anonym einmal jährlich in den Mehrkostenbericht des GKV-Spitzenverbandes ein, um private Zusatzkosten transparent zu machen. Angesichts dessen hat die AOK PLUS ein Interesse daran, dass die gemeldeten Daten korrekt sind. „Mit der Befragung hatten wir erstmals die Möglichkeit, die Abrechnungsdaten der Hörakustiker mit den Angaben unserer Versicherten abzugleichen,“ sagt Nicole Baumgart.

Die Ergebnisse seien tolerabel, die Daten stimmten im Wesentlichen überein. Rainer Striebel, Vorstandsvorsitzender der AOK PLUS, resümiert: „Das Sachleistungsprinzip ist ein Herzstück der Gesetzlichen Krankenversicherung. Deshalb sehen wir es als unsere Aufgabe, hier genau hinzusehen und unsere Kunden vor finanzieller Überforderung zu schützen.“ Striebel weiter: „Umso mehr beeindrucken die Ergebnisse, dass unsere Versicherten mit den Hörsystemen auf Kassenkosten zufrieden sind.“ Gutes Sprachverstehen sei ohne private Zusatzkosten sehr gut möglich.

Die AOK PLUS realisiert Versorgungsanalysen seit vielen Jahren – schon lange bevor der Gesetzgeber die Krankenkassen 2017 zur Durchführung von Auffälligkeits- und Stichprobenprüfungen verpflichtete, um die Qualität der Hilfsmittelversorgung zu sichern. Obwohl Analysen zur Versorgungsqualität unter Einbeziehung von Versichertenbefragungen aufwendig sind, lohnt sich die Durchführung. Es finden sich immer Ansatzpunkte, in denen die AOK PLUS gemeinsam mit ihren Partnern die Versorgung weiter verbessern kann. In der Vergangenheit überprüfte die Krankenkasse bereits die Versorgungen mit aufsaugenden Inkontinenzprodukten, Pflegebetten, Schuheinlagen, Rollstühlen und Orthesen. Die Ergebnisse waren ähnlich positiv.

Hintergründe zur AOK-Umfrage

Bei der Versorgungsanalyse für Hörhilfen konzentrierte sich die AOK PLUS auf den klassischen Versorgungsweg über die Hörakustik-Fachgeschäfte und normalschwerhörige Erwachsene (WHO 2/3). In diesem Segment gibt es eine hohe Marktkonzentration: Allein 19 von insgesamt über 400 Akustikern versorgen 75 Prozent der Versicherten.

Um die Befragungsergebnisse durch große Ketten nicht zu verzerren, verteilten die Experten die Befragten gleichmäßig auf drei Gruppen: sehr große Leistungserbringer mit jährlich mehr als 3.000 Fällen, dazu zählen zwei Hörakustiker; große Leistungserbringer mit 1000 - 2.999 Fällen, dazu zählen fünf Hörakustiker und mittlere Leistungserbringer mit 200 - 999 Fällen, dazu zählen zwölf Hörakustiker. Versorgungen von Kindern, Schwerstschwerhörigen (WHO 4) und über HNO-Arztpraxen blieben unberücksichtigt.

Angeschrieben wurden mehr als 3.000 Hörgeräteträger. Bei einer großen Resonanz und einer Rücklaufquote von 61 Prozent konnten 1.870 Fragebögen herangezogen werden. Zusätzlich wertete die AOK PLUS etwa 500 Beratungsdokumentationen der Hörakustiker sowie Abrechnungsdaten aus.

Kristin Pakura ist Fachberaterin „Verträge Arznei-/ Heil-/Hilfsmittel“ bei der AOK PLUS. Die Rechtswissenschaftlerin arbeitet dort seit 2005. Von 2009 bis 2023 war sie im Fachbereich Vertragsmanagement Hilfsmittel für das Thema Hörhilfen zuständig.

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