"Baby on time"

Mehr Vorsorge zum Schutz vor Frühgeburten

Bei Frühgeburten hält Deutschland eine traurige Spitzenposition in Europa: Fast jedes zehnte Kind kommt zu früh zur Welt. Mit ihrem Programm "Baby on time" will die AOK Nordost die Risiken minimieren.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:
Noch zu viele Frühgeburten: Laut European Perinatal Health Report (EPHR) belegt Deutschland bei Frühgeburten vor der 32. Schwangerschaftswoche innerhalb Europas derzeit Platz zwei.

Noch zu viele Frühgeburten: Laut European Perinatal Health Report (EPHR) belegt Deutschland bei Frühgeburten vor der 32. Schwangerschaftswoche innerhalb Europas derzeit Platz zwei.

© Tobilander / fotolia.com

BERLIN. Laut European Perinatal Health Report (EPHR) belegt Deutschland bei Frühgeburten vor der 32. Schwangerschaftswoche trotz umfassender Vorsorge Platz zwei innerhalb Europas. Nur in Ungarn kommen noch mehr Babys vorzeitig zur Welt.

Die Gründe dafür sind meist bekannte Risikofaktoren wie Infektionen der Geburtswege oder die Prävalenz von Diabetes mellitus. Aber auch während der Schwangerschaft auftretende Komplikationen wie Stress oder eine ungesunde Lebensweise können zu verfrühten Wehen führen.

"Um diese und weitere Risiken im Blick zu behalten und um Frühgeburten und die damit verbundenen Risiken einer Entwicklungsstörung zu vermeiden, haben wir ‚Baby on time‘ ins Leben gerufen", sagt Christian Traupe, Unternehmensbereichsleiter Versorgungsstrategie der AOK Nordost.

Seit Herbst 2014 am Start

Das strukturierte Vorsorgeprogramm "Baby on time" arbeitet mit gezielten Risiko-Checks, zusätzlichen Früherkennungsuntersuchungen und darauf aufbauenden qualitätsgesicherten Therapien darauf hin, die Zahl der Frühgeburten deutlich zu senken.

Werdende Mütter werden von Beginn ihrer Schwangerschaft an engmaschig betreut. Das Programm ist unbefristet und wurde zusammen mit den Landesverbänden der Frauenärzte und Diabetologen in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet und im Herbst 2014 gestartet.

Dr. Thomas Döbler, Gynäkologe in Frankfurt/Oder und Landesvorsitzender des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF) Brandenburg, ist vom Nutzen dieser Initiative überzeugt, da die darin enthaltenen Vorsorgemaßnahmen deutlich über die Mutterschafts-Richtlinien hinausgehen. Döbler: "Das gibt den Schwangeren viel mehr Sicherheit, was ihr persönliches Risiko angeht."

Das Programm sieht unter anderem vor, dass die Frauenärzte zunächst mittels eines ausführlichen Fragebogens feststellen, ob bei der werdenden Mutter Risiken für den Schwangerschaftsverlauf bestehen. Je nach Ergebnis werden zusätzliche diagnostische Maßnahmen empfohlen.

Bei einem Risiko für Vaginalinfektionen wird zum Beispiel sofort ein Vaginalabstrich gemacht, ein Labor sorgt für einen qualitätsgesicherten Befund. Auch Frauen ohne Risiko erhalten dieses Screening zwischen der 16. und der 20. Schwangerschaftswoche.

Bei einem auffälligen Befund wird sofort eine gezielte antibiotische Therapie eingeleitet, zusätzliche Kontrolluntersuchungen folgen. "Das Tolle an diesem Vertrag ist, dass unsere Patientinnen Anspruch auf die Untersuchung haben. Das ist sonst im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien nicht gegeben", betont Döbler.

Da fünf bis zehn Prozent der Schwangeren einen Schwangerschaftsdiabetes entwickeln, sieht "Baby on Time" auch eine enge Zusammenarbeit von Gynäkologen und Diabetologen vor.

Danach wird bei der Risikogruppe der Schwangeren der Gelegenheitszucker sofort untersucht. Fällt dieser positiv aus, wird die Patientin mit einer Diabetesschulung, zusätzlichen Ultraschalluntersuchungen und bei Bedarf mit einer Langzeitzuckermessung unterstützt.

In der bestehenden Schwangerschaftsvorsorge sind diese diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen hinsichtlich eines Gestationsdiabetes nicht in diesem Umfang vorgesehen, sondern erst zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche (SSW).

Auch sind in der Regelversorgung weder eine frühzeitige Diagnostik zur Verhinderung der Makrosomie und Durchblutungsstörungen des Mutterkuchens vor der 24. SSW für Risikopatientinnen noch ein Screening auf Vaginalinfektionen eingeplant.

Auch Stressbewältigung ist ein Thema

Abgerundet wird das Vorsorgeprogramm "Baby on time" durch Tipps und Hilfsangebote bei psychischen und sozialen Belastungen. So werden die angehenden Mütter zum Beispiel in Fragen der Stressbewältigung, der Ernährung oder der Nikotinentwöhnung unterstützt.

Ein kostenloser Ratgeber, der auf 200 Seiten Fragen rund um die Schwangerschaft aufgreift und beantwortet, wird den Schwangeren ebenfalls zur Verfügung gestellt. In absehbarer Zeit soll diese Erklärung für die Patientinnen auch in anderen Sprachen, zunächst in polnisch und türkisch, angeboten werden.

Nach Angaben der AOK Nordost wird eine qualifizierte Evaluation des Programms durchgeführt. Sie basiert auf den Befunddokumentationen der bislang teilnehmenden Ärzte. In etwa zwei Jahren sollen nach AOK-Angaben dann erste aussagekräftige Ergebnisse vorliegen.

"Ich hoffe und gehe davon aus, dass wir mit dem Programm dazu beitragen können, die Frühgeburtenrate deutlich zu senken", sagt Döbler. Er jedenfalls setzt sich, auch in seiner Eigenschaft als BVF-Landesvorsitzender dafür ein, Kollegen für eine Teilnahme zu gewinnen und von der Sinnhaftigkeit des Vertrags zu überzeugen.

"Der Aufwand ist nach einer ,Eingewöhnungsphase´ verhältnismäßig gering, die Dokumentation unkompliziert und das Gespräch dauert nur wenige Minuten, hat aber einen großen Nutzen", so Döbler.

Seine Patientinnen jedenfalls wissen seinen Einsatz zu schätzen: "Bisher hat jede der angesprochenen Frauen das Angebot gerne angenommen. Und als Arzt kann ich durch die Teilnahme nachweisen, dass ich richtig gut arbeite."

Eine Liste der teilnehmenden Arztpraxen und weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.familie.nordost.aok.de

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