Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband

Finanzierungslücke

Schutzschild für die Pflegezeit

Nach dem Ende der Ampel-Koalition steht die Frage erneut zur Debatte, mit welchen Konzepten dem Kostenanstieg in der gesetzlichen Pflegeversicherung begegnet werden kann. Private Pflegezusatzversicherungen sollen Finanzierungslücken für Pflegebedürftigkeit im Alter schließen. Doch die Nachfrage ist bislang gering.

Von Dietmar Haun Veröffentlicht:
Nur wenige Menschen in Deutschland haben bislang eine Pflegezusatzversicherung. Für viele Betroffene entsteht im Notfall eine Finanzierungslücke.

Nur wenige Menschen in Deutschland haben bislang eine Pflegezusatzversicherung. Für viele Betroffene entsteht im Notfall eine Finanzierungslücke.

© William W. Potter / stock.adobe.com

Mit privaten Pflegezusatzversicherungen (PZV) können Personen sich gegen das Risiko einer finanziellen Überlastung im Pflegefall absichern. Wird in jungen Jahren mit einer Einzahlung begonnen, werden laut Versicherungswirtschaft nur moderate monatliche Beitragszahlungen erforderlich, um im Alter eine „Finanzierungslücke“ zu vermeiden. Diese Lücke entsteht, da die gesetzliche Pflegeversicherung nicht alle ambulanten und stationären Pflegeleistungen abdeckt. So werden im Pflegefall in teilweise erheblichem Umfang Zuzahlungen erforderlich, die bei geringeren Einkünften im Rentenalter die Pflegebedürftigen finanziell überfordern können.

Zur Jahresmitte 2024 waren in der stationären Heimpflege im Bundesdurchschnitt monatliche Eigenanteile von 2.339 Euro für Pflege, Investitionskosten sowie Unterkunft und Verpflegung aufzubringen. Neben einer Absicherung von Pflegeleistungen dient der Abschluss einer Pflegezusatzversicherung auch der Vermögenssicherung im Alter. Denn bei Pflegebedürftigkeit müssen die betroffenen Haushalte auf ihr Vermögen zurückgreifen, falls laufende Einnahmen und Ersparnisse nicht ausreichen.

Neben dieser klassischen Funktion von Pflegezusatzversicherungen betrachten Befürworter kapitalgedeckter privater Pflegeversicherungen diese auch als Lösung für die Finanznöte der auf dem Umlageverfahren basierenden sozialen Pflegeversicherung (SPV). Durch Leistungsausweitungen und das demografisch bedingte Missverhältnis zwischen der abnehmenden Zahl künftiger Beitragszahler und der wachsenden Anzahl Pflegebedürftiger sei laut Prognosen mit hohen Steigerungen der Beitragssätze in der SPV zu rechnen, so die Argumentation. Mit einem Ausbau der privaten kapitalgedeckten Vorsorge sollen die geburtenstarken Jahrgänge stärker an den wachsenden Pflegekosten beteiligt und so „mehr Generationengerechtigkeit“ erreicht werden, heißt es in einem Thesenpapier des Verbandes der privaten Krankenversicherungen (PKV).

Nachteile für Vulnerable

Nach dem Ende der Ampel-Koalition steht die Frage, mit welchen Konzepten dem stetigen Kostenanstieg in der SPV begegnet werden soll, neu zur Debatte. Und damit auch die Frage, welche Bedeutung den kapitalgedeckten Pflegezusatzversicherungen zukommen soll. Zur Diskussion steht unter anderem, ob diese Zusatzversicherungen weiterhin als freiwilliges Angebot oder als Pflichtversicherung eingeführt werden sollen, um eine Entlastung zu entfalten (siehe Interview). Unklar ist auch, in welcher Höhe Steuermittel zur finanziellen Förderung privater Pflegezusatzversicherungen eingesetzt werden müssten für die Einführung der ergänzenden kapitalgedeckten Pflege-Absicherung in der Bevölkerung.

Insgesamt verfügten 2022 rund 4,2 Millionen Personen über eine ergänzende finanzielle Absicherung für den Pflegefall – etwa fünf Prozent der Bevölkerung. Nach den Ergebnissen des Sozioökonomischen Panels (SOEP) ist der Besitz einer privaten PZV stark davon abhängig, wo die Menschen pflegeversichert sind: In der PPV verfügt jeder dritte Versicherte über eine private Pflegezusatzversicherung, in der SPV nur rund jeder zwanzigste Versicherte (5,4 %). In der PPV sind besserverdienende Erwerbsgruppen, wie Selbständige, leitende Angestellte und Beamte überproportional vertreten, ihr Durchschnittseinkommen ist mehr als doppelt so hoch wie das der SPV-Versicherten.

Gerade vulnerable Bevölkerungsgruppen, deren Einkommenslage meist wenig Spielraum für den Abschluss von Zusatzversicherungen lässt, verfügen daher oft nur rudimentär über eine zusätzliche private Absicherung von Pflegekosten. Zu ihnen zählen insbesondere die in der SPV versicherten Rentner, Bürgergeldempfänger und Arbeitnehmer mit unterdurchschnittlichem Einkommen. Das bedeutet auch: Der freiwillige Abschluss einer privaten Zusatzversicherung zur Finanzierung der weiteren Kostendynamik in der Pflegeversorgung kommt für vulnerable Bevölkerungsgruppen, mit unterdurchschnittlichem Einkommen, vor allem im hohen Alter kaum mehr in Frage.

Solidarprinzip unter Druck

Versicherte mit Vorerkrankungen müssen zudem mit Risikoaufschlägen auf ihre Prämien rechnen, wenn sie sich überhaupt versichern können. Unter Experten ist unstrittig, dass private Zusatzversicherungen nur dann einen Beitrag zur finanziellen Entlastung von Versicherten, SPV und Sozialkassen leisten können, wenn sie als Pflichtversicherung eingeführt werden. Doch eine finanzielle Förderung für alle Versicherten würde alleine auf dem geringen Leistungsniveau des „Pflege-Bahr“ den Steuerzahler jährlich mehrere Milliarden Euro kosten. Ob hierdurch in signifikantem Ausmaß die Zahl der Pflegebedürftigen verringert wird, die Hilfe zur Pflege beanspruchen müssen, darf bezweifelt werden.

Eine stärkere staatliche Förderung oder komplette Übernahme der Kosten privater Versicherungspolicen für Geringverdiener wäre politisch und administrativ nicht einfach umzusetzen und dürfte auch rechtliche Fragen aufwerfen. So könnte eine höhere steuerliche Förderung von privaten oder betrieblichen Pflegezusatzversicherungen vor allem von wohlhabenden Bevölkerungsgruppen in Anspruch genommen werden, deren Einkommens- und Vermögenslage es auch ohne diese Förderung ermöglichen würde, die Pflegekosten zu tragen.

Sozialpolitisch laufen diese Vorschläge auf eine zunehmende Privatisierung der Pflegefinanzierung hinaus und auf eine Abkehr vom Prinzip der solidarischen Umlage- und Beitragsfinanzierung der sozialen Pflegeversicherung.

Dietmar Haun ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Gesundheitspolitik und Systemanalysen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

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